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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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möglich halten kan: Aber, ist darum das,
was davon fabuliret wird, der Vernunft
gemäß und wahrscheinlich.

Jch habe in meinen Anmerckungen wie-
der den Hrn. Prof. Manzel eine ziemlich
gute Ursache von dem Unterscheide der wil-
den und zahmen Thiere gegeben. Allein
jezo möchte ich doch lieber sagen, daß alle
Thiere, ja der Mensch selbst, ursprünglich
wild gewesen. Dieses stimmet mit mei-
ner Vernunft um so viel besser überein, je
deutlicher sie bemercket, daß alles, was
die Natur hervor bringet, wild ist. Ein
Weinstock, der nicht gepfleget wird, trägt
Heerlinge: Die Früchte der Bäume, die
wild wachsen, sind unschmackhaft und
wiederlich. Der Mensch muß ihnen, durch
seine Wartung, Kunst und Pflege, zu Hül-
fe kommen. Mit den Thieren verhält es
sich nicht anders. Sie lieben von Natur
ihre Freyheit, und hassen den Zwang.
Will der Mensch Dienste von ihnen haben,
so muß er sie, durch Kunst, bändigen und
abrichten. Spricht man, es sey dieses im
Stande der Unschuld nicht nöthig gewesen:
So muß man auch behaupten, daß der Un-
terscheid unter Natur und Kunst im Stan-
de der Unschuld keine Statt gehabt habe;

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moͤglich halten kan: Aber, iſt darum das,
was davon fabuliret wird, der Vernunft
gemaͤß und wahrſcheinlich.

Jch habe in meinen Anmerckungen wie-
der den Hrn. Prof. Manzel eine ziemlich
gute Urſache von dem Unterſcheide der wil-
den und zahmen Thiere gegeben. Allein
jezo moͤchte ich doch lieber ſagen, daß alle
Thiere, ja der Menſch ſelbſt, urſpruͤnglich
wild geweſen. Dieſes ſtimmet mit mei-
ner Vernunft um ſo viel beſſer uͤberein, je
deutlicher ſie bemercket, daß alles, was
die Natur hervor bringet, wild iſt. Ein
Weinſtock, der nicht gepfleget wird, traͤgt
Heerlinge: Die Fruͤchte der Baͤume, die
wild wachſen, ſind unſchmackhaft und
wiederlich. Der Menſch muß ihnen, durch
ſeine Wartung, Kunſt und Pflege, zu Huͤl-
fe kommen. Mit den Thieren verhaͤlt es
ſich nicht anders. Sie lieben von Natur
ihre Freyheit, und haſſen den Zwang.
Will der Menſch Dienſte von ihnen haben,
ſo muß er ſie, durch Kunſt, baͤndigen und
abrichten. Spricht man, es ſey dieſes im
Stande der Unſchuld nicht noͤthig geweſen:
So muß man auch behaupten, daß der Un-
terſcheid unter Natur und Kunſt im Stan-
de der Unſchuld keine Statt gehabt habe;

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[601/0693] (o) moͤglich halten kan: Aber, iſt darum das, was davon fabuliret wird, der Vernunft gemaͤß und wahrſcheinlich. Jch habe in meinen Anmerckungen wie- der den Hrn. Prof. Manzel eine ziemlich gute Urſache von dem Unterſcheide der wil- den und zahmen Thiere gegeben. Allein jezo moͤchte ich doch lieber ſagen, daß alle Thiere, ja der Menſch ſelbſt, urſpruͤnglich wild geweſen. Dieſes ſtimmet mit mei- ner Vernunft um ſo viel beſſer uͤberein, je deutlicher ſie bemercket, daß alles, was die Natur hervor bringet, wild iſt. Ein Weinſtock, der nicht gepfleget wird, traͤgt Heerlinge: Die Fruͤchte der Baͤume, die wild wachſen, ſind unſchmackhaft und wiederlich. Der Menſch muß ihnen, durch ſeine Wartung, Kunſt und Pflege, zu Huͤl- fe kommen. Mit den Thieren verhaͤlt es ſich nicht anders. Sie lieben von Natur ihre Freyheit, und haſſen den Zwang. Will der Menſch Dienſte von ihnen haben, ſo muß er ſie, durch Kunſt, baͤndigen und abrichten. Spricht man, es ſey dieſes im Stande der Unſchuld nicht noͤthig geweſen: So muß man auch behaupten, daß der Un- terſcheid unter Natur und Kunſt im Stan- de der Unſchuld keine Statt gehabt habe; Wel- P p 5

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/693>, abgerufen am 22.11.2024.