lich nöthige, Wahrheit sollte verborgen ha- ben. Warum macht also Eva, die sonst eine so gute Christin war, kein Creutz vor sich, und geht davon? Sie thut es nicht. Aber ist es möglich, daß sie die läppische Ur- sache, welche ihr die Schlange von ihrer un- gewöhnlichen Weißheit giebt, vor wahr- scheinlich genug gehalten habe, ihr Glauben beyzumessen? Sie kannte ja die Natur der Thiere, und wuste also, daß es unmöglich sey, daß aus einer unvernünftigen Bestie ei- ne verständige Creatur würde. Jst es mög- lich, daß der kahle Scrupel, welchen die Schlange der Eva wieder das Göttliche Verbot beyzubringen sucht, diese gute Frau so irre gemacht haben könne? Laß es seyn, daß GOtt dem Adam noch vor der Erschaf- fung der Eva verboten habe von dem Baum mitten im Garten zu essen: Jst es darum glaublich, daß Eva von diesem Verbot nicht eben so starck überzeuget gewesen sey, als ihr Mann: Es sey nun, daß sie es nur von diesen oder von GOtt selbst gehöret habe? Kan man ohne Sünde gedencken, daß Gott just die Eva am schlechtesten wieder den An- grif des Teufels gewafnet habe; da er doch vorher wuste, daß der Versucher sich eben an das Weib machen würde? Wann end-
lich
(o)
lich noͤthige, Wahrheit ſollte verborgen ha- ben. Warum macht alſo Eva, die ſonſt eine ſo gute Chriſtin war, kein Creutz vor ſich, und geht davon? Sie thut es nicht. Aber iſt es moͤglich, daß ſie die laͤppiſche Ur- ſache, welche ihr die Schlange von ihrer un- gewoͤhnlichen Weißheit giebt, vor wahr- ſcheinlich genug gehalten habe, ihr Glauben beyzumeſſen? Sie kannte ja die Natur der Thiere, und wuſte alſo, daß es unmoͤglich ſey, daß aus einer unvernuͤnftigen Beſtie ei- ne verſtaͤndige Creatur wuͤrde. Jſt es moͤg- lich, daß der kahle Scrupel, welchen die Schlange der Eva wieder das Goͤttliche Verbot beyzubringen ſucht, dieſe gute Frau ſo irre gemacht haben koͤnne? Laß es ſeyn, daß GOtt dem Adam noch vor der Erſchaf- fung der Eva verboten habe von dem Baum mitten im Garten zu eſſen: Jſt es darum glaublich, daß Eva von dieſem Verbot nicht eben ſo ſtarck uͤberzeuget geweſen ſey, als ihr Mann: Es ſey nun, daß ſie es nur von dieſen oder von GOtt ſelbſt gehoͤret habe? Kan man ohne Suͤnde gedencken, daß Gott juſt die Eva am ſchlechteſten wieder den An- grif des Teufels gewafnet habe; da er doch vorher wuſte, daß der Verſucher ſich eben an das Weib machen wuͤrde? Wann end-
lich
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(o)
lich noͤthige, Wahrheit ſollte verborgen ha-
ben. Warum macht alſo Eva, die ſonſt
eine ſo gute Chriſtin war, kein Creutz vor
ſich, und geht davon? Sie thut es nicht.
Aber iſt es moͤglich, daß ſie die laͤppiſche Ur-
ſache, welche ihr die Schlange von ihrer un-
gewoͤhnlichen Weißheit giebt, vor wahr-
ſcheinlich genug gehalten habe, ihr Glauben
beyzumeſſen? Sie kannte ja die Natur der
Thiere, und wuſte alſo, daß es unmoͤglich
ſey, daß aus einer unvernuͤnftigen Beſtie ei-
ne verſtaͤndige Creatur wuͤrde. Jſt es moͤg-
lich, daß der kahle Scrupel, welchen die
Schlange der Eva wieder das Goͤttliche
Verbot beyzubringen ſucht, dieſe gute Frau
ſo irre gemacht haben koͤnne? Laß es ſeyn,
daß GOtt dem Adam noch vor der Erſchaf-
fung der Eva verboten habe von dem Baum
mitten im Garten zu eſſen: Jſt es darum
glaublich, daß Eva von dieſem Verbot nicht
eben ſo ſtarck uͤberzeuget geweſen ſey, als
ihr Mann: Es ſey nun, daß ſie es nur von
dieſen oder von GOtt ſelbſt gehoͤret habe?
Kan man ohne Suͤnde gedencken, daß Gott
juſt die Eva am ſchlechteſten wieder den An-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/688>, abgerufen am 18.05.2024.
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