Scribenten verlangen, daß sie ihren Nächsten lie- ben sollen, da sie sich selbst nicht lieben? Sie kennen ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns aus- rotten: Allein wie übel würden sie nicht daran seyn, wenn sie ihren boßhaften Zweck erreichen solten? Wir machen ihnen durch unsere Schriften so man- che fröliche Stunde; woran wolten sie sich dann wohl belustigen, wenn wir nicht schrieben? Das Vergnügen, dessen sie in dieser Welt geniessen, ha- ben sie einzig und allein uns zu dancken. Ja sie wür- den nicht seyn, was sie sind, wenn wir nicht wären. Man nennet sie jetzund gute Scribenten: Aber mü- sten sie diesen Ehren-Titel nicht fahren lassen, wenn es keine schlechte gäbe? Dieses wäre schon arg ge- nug: Aber der Untergang der elenden und lächerli- chen Schreiber würde noch weit mehr böses nach sich ziehen.
Unsere Feinde sind reich an lustigen und sinnrei- chen Einfällen. Sie spotten gerne, und wir sind diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Ein- fälle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelsucht zu vergnügen. Wie würde es demnach um ihre Ge- sundheit stehen, wenn sie uns nicht hätten? Wo wolten sie mit ihren Einfällen hin? Sie dürfen nicht dencken, ich scherze: Denn es ist kein Kinderspiel mit einem verhaltenen Spaß. Er verursachet vie- le Quaal, und ein verhaltener Wind ist nicht so gefährlich. Es ist mir die Zeit meines Lebens nur ein einziges mahl begegnet, daß ich einen Ein- fall hatte, der vor einen Einfall eines bösen Scri- benten noch so ziemlich sinnreich war: Aber ich mu- ste ihn bey mir behalten; Und da weiß ich, wie mir
zu
(o)
Scribenten verlangen, daß ſie ihren Naͤchſten lie- ben ſollen, da ſie ſich ſelbſt nicht lieben? Sie kennen ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns aus- rotten: Allein wie uͤbel wuͤrden ſie nicht daran ſeyn, wenn ſie ihren boßhaften Zweck erreichen ſolten? Wir machen ihnen durch unſere Schriften ſo man- che froͤliche Stunde; woran wolten ſie ſich dann wohl beluſtigen, wenn wir nicht ſchrieben? Das Vergnuͤgen, deſſen ſie in dieſer Welt genieſſen, ha- ben ſie einzig und allein uns zu dancken. Ja ſie wuͤr- den nicht ſeyn, was ſie ſind, wenn wir nicht waͤren. Man nennet ſie jetzund gute Scribenten: Aber muͤ- ſten ſie dieſen Ehren-Titel nicht fahren laſſen, wenn es keine ſchlechte gaͤbe? Dieſes waͤre ſchon arg ge- nug: Aber der Untergang der elenden und laͤcherli- chen Schreiber wuͤrde noch weit mehr boͤſes nach ſich ziehen.
Unſere Feinde ſind reich an luſtigen und ſinnrei- chen Einfaͤllen. Sie ſpotten gerne, und wir ſind diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Ein- faͤlle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelſucht zu vergnuͤgen. Wie wuͤrde es demnach um ihre Ge- ſundheit ſtehen, wenn ſie uns nicht haͤtten? Wo wolten ſie mit ihren Einfaͤllen hin? Sie duͤrfen nicht dencken, ich ſcherze: Denn es iſt kein Kinderſpiel mit einem verhaltenen Spaß. Er verurſachet vie- le Quaal, und ein verhaltener Wind iſt nicht ſo gefaͤhrlich. Es iſt mir die Zeit meines Lebens nur ein einziges mahl begegnet, daß ich einen Ein- fall hatte, der vor einen Einfall eines boͤſen Scri- benten noch ſo ziemlich ſinnreich war: Aber ich mu- ſte ihn bey mir behalten; Und da weiß ich, wie mir
zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0656"n="564"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Scribenten verlangen, daß ſie ihren Naͤchſten lie-<lb/>
ben ſollen, da ſie ſich ſelbſt nicht lieben? Sie kennen<lb/>
ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns aus-<lb/>
rotten: Allein wie uͤbel wuͤrden ſie nicht daran ſeyn,<lb/>
wenn ſie ihren boßhaften Zweck erreichen ſolten?<lb/>
Wir machen ihnen durch unſere Schriften ſo man-<lb/>
che froͤliche Stunde; woran wolten ſie ſich dann<lb/>
wohl beluſtigen, wenn wir nicht ſchrieben? Das<lb/>
Vergnuͤgen, deſſen ſie in dieſer Welt genieſſen, ha-<lb/>
ben ſie einzig und allein uns zu dancken. Ja ſie wuͤr-<lb/>
den nicht ſeyn, was ſie ſind, wenn wir nicht waͤren.<lb/>
Man nennet ſie jetzund gute Scribenten: Aber muͤ-<lb/>ſten ſie dieſen Ehren-Titel nicht fahren laſſen, wenn<lb/>
es keine ſchlechte gaͤbe? Dieſes waͤre ſchon arg ge-<lb/>
nug: Aber der Untergang der elenden und laͤcherli-<lb/>
chen Schreiber wuͤrde noch weit mehr boͤſes nach<lb/>ſich ziehen.</p><lb/><p>Unſere Feinde ſind reich an luſtigen und ſinnrei-<lb/>
chen Einfaͤllen. Sie ſpotten gerne, und wir ſind<lb/>
diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Ein-<lb/>
faͤlle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelſucht<lb/>
zu vergnuͤgen. Wie wuͤrde es demnach um ihre Ge-<lb/>ſundheit ſtehen, wenn ſie uns nicht haͤtten? Wo<lb/>
wolten ſie mit ihren Einfaͤllen hin? Sie duͤrfen nicht<lb/>
dencken, ich ſcherze: Denn es iſt kein Kinderſpiel<lb/>
mit einem verhaltenen Spaß. Er verurſachet vie-<lb/>
le Quaal, und ein verhaltener Wind iſt nicht ſo<lb/>
gefaͤhrlich. Es iſt mir die Zeit meines Lebens<lb/>
nur ein einziges mahl begegnet, daß ich einen Ein-<lb/>
fall hatte, der vor einen Einfall eines boͤſen Scri-<lb/>
benten noch ſo ziemlich ſinnreich war: Aber ich mu-<lb/>ſte ihn bey mir behalten; Und da weiß ich, wie mir<lb/><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[564/0656]
(o)
Scribenten verlangen, daß ſie ihren Naͤchſten lie-
ben ſollen, da ſie ſich ſelbſt nicht lieben? Sie kennen
ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns aus-
rotten: Allein wie uͤbel wuͤrden ſie nicht daran ſeyn,
wenn ſie ihren boßhaften Zweck erreichen ſolten?
Wir machen ihnen durch unſere Schriften ſo man-
che froͤliche Stunde; woran wolten ſie ſich dann
wohl beluſtigen, wenn wir nicht ſchrieben? Das
Vergnuͤgen, deſſen ſie in dieſer Welt genieſſen, ha-
ben ſie einzig und allein uns zu dancken. Ja ſie wuͤr-
den nicht ſeyn, was ſie ſind, wenn wir nicht waͤren.
Man nennet ſie jetzund gute Scribenten: Aber muͤ-
ſten ſie dieſen Ehren-Titel nicht fahren laſſen, wenn
es keine ſchlechte gaͤbe? Dieſes waͤre ſchon arg ge-
nug: Aber der Untergang der elenden und laͤcherli-
chen Schreiber wuͤrde noch weit mehr boͤſes nach
ſich ziehen.
Unſere Feinde ſind reich an luſtigen und ſinnrei-
chen Einfaͤllen. Sie ſpotten gerne, und wir ſind
diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Ein-
faͤlle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelſucht
zu vergnuͤgen. Wie wuͤrde es demnach um ihre Ge-
ſundheit ſtehen, wenn ſie uns nicht haͤtten? Wo
wolten ſie mit ihren Einfaͤllen hin? Sie duͤrfen nicht
dencken, ich ſcherze: Denn es iſt kein Kinderſpiel
mit einem verhaltenen Spaß. Er verurſachet vie-
le Quaal, und ein verhaltener Wind iſt nicht ſo
gefaͤhrlich. Es iſt mir die Zeit meines Lebens
nur ein einziges mahl begegnet, daß ich einen Ein-
fall hatte, der vor einen Einfall eines boͤſen Scri-
benten noch ſo ziemlich ſinnreich war: Aber ich mu-
ſte ihn bey mir behalten; Und da weiß ich, wie mir
zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/656>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.