"Per juga chrysolithi, positaeque ex ordine gemmae "Clara repercusso reddebant lumina Phoe- bo(57).
Und wer sie mit gläubigen Augen ansiehet, der findet darinn einen Vorschmack des neuen Jerusa- lems. Aber, dem allen ungeachtet, kommen sie unsern Feinden eben so lächerlich vor, als die Pre- cieuses ridicules beym Moliere. Und so hönisch diese wunderliche Leute denenjenigen meiner Brü- der, die, wie ich, in ungebundener Rede schreiben, ihre unzierliche Schreib-Art vorwerfen, so übel sind sie mit der Zierlichkeit meiner lieben Brüder, der bösen Poeten, zu frieden. Es ist ein Elend anzu- sehen, wie sie mit diesen armen Leuten, die gewiß keine Kosten sparen, ihre Leser zu vergnügen, hauß- halten. Sie lassen ihnen nicht vor einen Heller Ehre, und haben diese prächtige Schreiber so weit herunter gebracht, daß man kaum glauben sollte, sie stammten in gerader Linie von dem Könige Mi- das, glorwürdigsten Andenckens, her, wenn nicht ihre hohe Abkunft dadurch ausser allen Streit gesetzt würde, daß alles, was sie anrühren, Gold wird.
Da sich nun unsere Feinde so ofenbahr in ihren Urtheilen widersprechen, so verdienen sie nicht, daß man sich groß an sie kehre. Sie wissen nicht was sie haben wollen. Bald schreiben wir ihnen zu zier- lich; bald nicht zierlich genug. Es ist uns also nicht zu verdencken, wenn wir sie immerhin schwa- tzen lassen, und feste dabey bleiben, daß es eine
Thor-
(57)Ovid. Metam. Lib. II.
(o)
“Per juga chryſolithi, poſitæque ex ordine gemmæ “Clara repercuſſo reddebant lumina Phœ- bo(57).
Und wer ſie mit glaͤubigen Augen anſiehet, der findet darinn einen Vorſchmack des neuen Jeruſa- lems. Aber, dem allen ungeachtet, kommen ſie unſern Feinden eben ſo laͤcherlich vor, als die Pre- cieuſes ridicules beym Moliere. Und ſo hoͤniſch dieſe wunderliche Leute denenjenigen meiner Bruͤ- der, die, wie ich, in ungebundener Rede ſchreiben, ihre unzierliche Schreib-Art vorwerfen, ſo uͤbel ſind ſie mit der Zierlichkeit meiner lieben Bruͤder, der boͤſen Poeten, zu frieden. Es iſt ein Elend anzu- ſehen, wie ſie mit dieſen armen Leuten, die gewiß keine Koſten ſparen, ihre Leſer zu vergnuͤgen, hauß- halten. Sie laſſen ihnen nicht vor einen Heller Ehre, und haben dieſe praͤchtige Schreiber ſo weit herunter gebracht, daß man kaum glauben ſollte, ſie ſtammten in gerader Linie von dem Koͤnige Mi- das, glorwuͤrdigſten Andenckens, her, wenn nicht ihre hohe Abkunft dadurch auſſer allen Streit geſetzt wuͤrde, daß alles, was ſie anruͤhren, Gold wird.
Da ſich nun unſere Feinde ſo ofenbahr in ihren Urtheilen widerſprechen, ſo verdienen ſie nicht, daß man ſich groß an ſie kehre. Sie wiſſen nicht was ſie haben wollen. Bald ſchreiben wir ihnen zu zier- lich; bald nicht zierlich genug. Es iſt uns alſo nicht zu verdencken, wenn wir ſie immerhin ſchwa- tzen laſſen, und feſte dabey bleiben, daß es eine
Thor-
(57)Ovid. Metam. Lib. II.
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(o)
“Per juga chryſolithi, poſitæque ex ordine
gemmæ
“Clara repercuſſo reddebant lumina Phœ-
bo (57).
Und wer ſie mit glaͤubigen Augen anſiehet, der
findet darinn einen Vorſchmack des neuen Jeruſa-
lems. Aber, dem allen ungeachtet, kommen ſie
unſern Feinden eben ſo laͤcherlich vor, als die Pre-
cieuſes ridicules beym Moliere. Und ſo hoͤniſch
dieſe wunderliche Leute denenjenigen meiner Bruͤ-
der, die, wie ich, in ungebundener Rede ſchreiben,
ihre unzierliche Schreib-Art vorwerfen, ſo uͤbel ſind
ſie mit der Zierlichkeit meiner lieben Bruͤder, der
boͤſen Poeten, zu frieden. Es iſt ein Elend anzu-
ſehen, wie ſie mit dieſen armen Leuten, die gewiß
keine Koſten ſparen, ihre Leſer zu vergnuͤgen, hauß-
halten. Sie laſſen ihnen nicht vor einen Heller
Ehre, und haben dieſe praͤchtige Schreiber ſo weit
herunter gebracht, daß man kaum glauben ſollte,
ſie ſtammten in gerader Linie von dem Koͤnige Mi-
das, glorwuͤrdigſten Andenckens, her, wenn nicht
ihre hohe Abkunft dadurch auſſer allen Streit geſetzt
wuͤrde, daß alles, was ſie anruͤhren, Gold wird.
Da ſich nun unſere Feinde ſo ofenbahr in ihren
Urtheilen widerſprechen, ſo verdienen ſie nicht, daß
man ſich groß an ſie kehre. Sie wiſſen nicht was
ſie haben wollen. Bald ſchreiben wir ihnen zu zier-
lich; bald nicht zierlich genug. Es iſt uns alſo
nicht zu verdencken, wenn wir ſie immerhin ſchwa-
tzen laſſen, und feſte dabey bleiben, daß es eine
Thor-
(57) Ovid. Metam. Lib. II.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/652>, abgerufen am 26.11.2024.
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