sehen, daß viele elende Scribenten in der äussersten Verachtung leben, und ihre Schriften entweder gar nicht abgehen, oder nur von Leuten gekauft werden, die darüber lachen und spotten, werden sie immer dabey bleiben, daß eine Schrift, die ohne Vernunft gemacht ist, ihrem Urheber wenig Ehre bringe. Nun könnte ich zwar dieses mit eben dem Fug leugnen, als meine Brüder leugnen, daß sie elende Scribenten sind: Allein ich mache mir ein Gewissen, dem Augenschein zu widersprechen. Es ist leyder! mehr als zu wahr, daß viele meiner Brü- der von aller Mühe, die sie auf ihre Schriften wen- den, nicht so viel haben, daß auch nur ein einziger ihre Arbeit lobe. Es ist unstreitig, daß eine gute Anzahl elender Schriften nimmer des Tages Licht siehet, und von denen Motten verzehret wird. Vie- le brauchen die Buchhändler zu Maculatur, und einige haben gar das Unglück, daß sie, wenn sie kaum aus der Presse kommen, nach dem Ge- würtz-Laden geschickt werden.
. . . . in vicum vendentem thus & ordores, Et piper, & quicquid chartis amicitur ineptis(39).
Aber dieses widrige Schicksal elender Schriften, an welchem sich unsere Feinde ärgern, kan unmög- lich das, was ich von den Vorzügen, und von der Vortreflichkeit der elenden Scribenten geschrie- ben habe, umstossen, und unwahr machen. Keine Regel ist ohne Ausnahme; Und wenn ich sage, daß
alles,
(39)Horatius Lib. II. Ep. I.
Ll 2
(o)
ſehen, daß viele elende Scribenten in der aͤuſſerſten Verachtung leben, und ihre Schriften entweder gar nicht abgehen, oder nur von Leuten gekauft werden, die daruͤber lachen und ſpotten, werden ſie immer dabey bleiben, daß eine Schrift, die ohne Vernunft gemacht iſt, ihrem Urheber wenig Ehre bringe. Nun koͤnnte ich zwar dieſes mit eben dem Fug leugnen, als meine Bruͤder leugnen, daß ſie elende Scribenten ſind: Allein ich mache mir ein Gewiſſen, dem Augenſchein zu widerſprechen. Es iſt leyder! mehr als zu wahr, daß viele meiner Bruͤ- der von aller Muͤhe, die ſie auf ihre Schriften wen- den, nicht ſo viel haben, daß auch nur ein einziger ihre Arbeit lobe. Es iſt unſtreitig, daß eine gute Anzahl elender Schriften nimmer des Tages Licht ſiehet, und von denen Motten verzehret wird. Vie- le brauchen die Buchhaͤndler zu Maculatur, und einige haben gar das Ungluͤck, daß ſie, wenn ſie kaum aus der Preſſe kommen, nach dem Ge- wuͤrtz-Laden geſchickt werden.
. . . . in vicum vendentem thus & ordores, Et piper, & quicquid chartis amicitur ineptis(39).
Aber dieſes widrige Schickſal elender Schriften, an welchem ſich unſere Feinde aͤrgern, kan unmoͤg- lich das, was ich von den Vorzuͤgen, und von der Vortreflichkeit der elenden Scribenten geſchrie- ben habe, umſtoſſen, und unwahr machen. Keine Regel iſt ohne Ausnahme; Und wenn ich ſage, daß
alles,
(39)Horatius Lib. II. Ep. I.
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(o)
ſehen, daß viele elende Scribenten in der aͤuſſerſten
Verachtung leben, und ihre Schriften entweder
gar nicht abgehen, oder nur von Leuten gekauft
werden, die daruͤber lachen und ſpotten, werden ſie
immer dabey bleiben, daß eine Schrift, die ohne
Vernunft gemacht iſt, ihrem Urheber wenig Ehre
bringe. Nun koͤnnte ich zwar dieſes mit eben dem
Fug leugnen, als meine Bruͤder leugnen, daß ſie
elende Scribenten ſind: Allein ich mache mir ein
Gewiſſen, dem Augenſchein zu widerſprechen. Es
iſt leyder! mehr als zu wahr, daß viele meiner Bruͤ-
der von aller Muͤhe, die ſie auf ihre Schriften wen-
den, nicht ſo viel haben, daß auch nur ein einziger
ihre Arbeit lobe. Es iſt unſtreitig, daß eine gute
Anzahl elender Schriften nimmer des Tages Licht
ſiehet, und von denen Motten verzehret wird. Vie-
le brauchen die Buchhaͤndler zu Maculatur, und
einige haben gar das Ungluͤck, daß ſie, wenn
ſie kaum aus der Preſſe kommen, nach dem Ge-
wuͤrtz-Laden geſchickt werden.
. . . . in vicum vendentem thus &
ordores,
Et piper, & quicquid chartis amicitur
ineptis (39).
Aber dieſes widrige Schickſal elender Schriften,
an welchem ſich unſere Feinde aͤrgern, kan unmoͤg-
lich das, was ich von den Vorzuͤgen, und von der
Vortreflichkeit der elenden Scribenten geſchrie-
ben habe, umſtoſſen, und unwahr machen. Keine
Regel iſt ohne Ausnahme; Und wenn ich ſage, daß
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(39) Horatius Lib. II. Ep. I.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/623>, abgerufen am 22.11.2024.
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