der taugt zu beyden nicht. "Gens qui jugent, "sagt Montaigne (19), & contre rollent leurs "juges, ne s'y soaumettent jamais deuement. "Combien & aux loix de la Religion, & aux loix "politiques, se trouvent plus dociles, & aises a "mener, les esprits simples & incurieux, que "ces esprits surveillans, & pedagogues des cau- "ses divines & humaines? Wie viel böses kan also die Vernunft in dem Staat, und der Kirche nicht stiften? Wer über die Befehle der Obrigkeit grübelt, und sie vor dem Richter-Stuhl seiner Vernunft stellet, muß sie nothwendig schlecht beobachten, wenn sie ihm unvernünftig scheinen. Daher entstehet dann ein Ungehorsam, und eine Wi- derspenstigkeit gegen die Obrigkeit, die endlich zu einer ofenbaren Rebellion ausschlagen, und einen gantzen Staat umkehren kan. Man kan also sa- gen, daß die Vernunft die eintzige Quelle aller Re- bellionen sey, und noch ist kein Rebelle gewesen, der nicht seinen Aufstand dadurch zu beschönigen gesuchet hätte, daß die Befehle seiner Obern unge- recht, und folglich unvernünftig wären.
Wer sich zu klug düncket, seinen geistlichen Füh- rern einfältiglich und blindlings zu folgen, der ist nicht geschickt zum Reiche GOttes, geräth auf Jrr- Wege, und verfällt endlich in das abscheuliche La- ster der Ketzerey: Und gesetzt, er verfällt so weit nicht, so ist doch auch der geringste Widerspruch einem Geistlichen verdrießlich: denn da diese ehr- würdigen Personen von der Wahrheit ihrer Leh-
ren,
(19)l. c. pag. 313. 314.
(o)
der taugt zu beyden nicht. “Gens qui jugent, „ſagt Montaigne (19), & contre rollent leurs „juges, ne s’y ſoûmettent jamais deuëment. „Combien & aux loix de la Religion, & aux loix „politiques, ſe trouvent plus dociles, & aiſés à „mener, les eſprits ſimples & incurieux, que „ces eſprits ſurveillans, & pedagogues des cau- „ſes divines & humaines? Wie viel boͤſes kan alſo die Vernunft in dem Staat, und der Kirche nicht ſtiften? Wer uͤber die Befehle der Obrigkeit gruͤbelt, und ſie vor dem Richter-Stuhl ſeiner Vernunft ſtellet, muß ſie nothwendig ſchlecht beobachten, wenn ſie ihm unvernuͤnftig ſcheinen. Daher entſtehet dann ein Ungehorſam, und eine Wi- derſpenſtigkeit gegen die Obrigkeit, die endlich zu einer ofenbaren Rebellion ausſchlagen, und einen gantzen Staat umkehren kan. Man kan alſo ſa- gen, daß die Vernunft die eintzige Quelle aller Re- bellionen ſey, und noch iſt kein Rebelle geweſen, der nicht ſeinen Aufſtand dadurch zu beſchoͤnigen geſuchet haͤtte, daß die Befehle ſeiner Obern unge- recht, und folglich unvernuͤnftig waͤren.
Wer ſich zu klug duͤncket, ſeinen geiſtlichen Fuͤh- rern einfaͤltiglich und blindlings zu folgen, der iſt nicht geſchickt zum Reiche GOttes, geraͤth auf Jrr- Wege, und verfaͤllt endlich in das abſcheuliche La- ſter der Ketzerey: Und geſetzt, er verfaͤllt ſo weit nicht, ſo iſt doch auch der geringſte Widerſpruch einem Geiſtlichen verdrießlich: denn da dieſe ehr- wuͤrdigen Perſonen von der Wahrheit ihrer Leh-
ren,
(19)l. c. pag. 313. 314.
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der taugt zu beyden nicht. “Gens qui jugent,
„ſagt Montaigne (19), & contre rollent leurs
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„Combien & aux loix de la Religion, & aux loix
„politiques, ſe trouvent plus dociles, & aiſés à
„mener, les eſprits ſimples & incurieux, que
„ces eſprits ſurveillans, & pedagogues des cau-
„ſes divines & humaines? Wie viel boͤſes kan
alſo die Vernunft in dem Staat, und der Kirche
nicht ſtiften? Wer uͤber die Befehle der Obrigkeit
gruͤbelt, und ſie vor dem Richter-Stuhl ſeiner
Vernunft ſtellet, muß ſie nothwendig ſchlecht
beobachten, wenn ſie ihm unvernuͤnftig ſcheinen.
Daher entſtehet dann ein Ungehorſam, und eine Wi-
derſpenſtigkeit gegen die Obrigkeit, die endlich zu
einer ofenbaren Rebellion ausſchlagen, und einen
gantzen Staat umkehren kan. Man kan alſo ſa-
gen, daß die Vernunft die eintzige Quelle aller Re-
bellionen ſey, und noch iſt kein Rebelle geweſen,
der nicht ſeinen Aufſtand dadurch zu beſchoͤnigen
geſuchet haͤtte, daß die Befehle ſeiner Obern unge-
recht, und folglich unvernuͤnftig waͤren.
Wer ſich zu klug duͤncket, ſeinen geiſtlichen Fuͤh-
rern einfaͤltiglich und blindlings zu folgen, der iſt
nicht geſchickt zum Reiche GOttes, geraͤth auf Jrr-
Wege, und verfaͤllt endlich in das abſcheuliche La-
ſter der Ketzerey: Und geſetzt, er verfaͤllt ſo weit
nicht, ſo iſt doch auch der geringſte Widerſpruch
einem Geiſtlichen verdrießlich: denn da dieſe ehr-
wuͤrdigen Perſonen von der Wahrheit ihrer Leh-
ren,
(19) l. c. pag. 313. 314.
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/590>, abgerufen am 22.11.2024.
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