Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
der Wollust, und dem thörigten Hochmuth ande-
rer nähren? Alle diese ehrlichen Leute würden aber
an den Bettelstab kommen, wenn das menschli-
che Geschlecht klug werden, und der Vernunft zu
folgen anfangen solte.

Mich deucht, es erhellet hieraus deutlich, daß
keine Republick bey dem Gebrauch der Vernunft
bestehen könne, und daß eine gäntzliche Dämpfung
der Affecten und Ablegung der Thorheit den Un-
terscheid zwischen Obrigkeit und Unterthanen auf-
hebe, und alle Stände der bürgerlichen Gesellschaft
zu Grunde richte. Was soll man also von solchen
Leuten dencken, die so sehr auf den Gebrauch der
Vernunft dringen? Läst es doch nicht anders als
wenn ihnen alle Ordnung, und alle gute Verfassun-
gen zuwider sind. Wolte man ihnen Gehör geben,
und sie rathen lassen, so würden sie uns in kurtzen
zu vollständigen Hottentotten machen.

Jch sage dieses nicht um unsere Feinde, die gu-
ten Scribenten, in übeln Ruf zu bringen, und sie
als gefährliche und dem gemeinen Wesen schädliche
Leute vorzustellen. Was sie mir auch vor Blösse
geben, so sey es doch ferne von mir, daß ich das
Unrecht, welches sie uns elenden Scribenten zufü-
gen, auf eine so grausame Art rächen solte. Jch
bin gewiß von ihnen versichert, daß sie so böse Ab-
sichten nicht haben, und glaube, daß sie vor den
entsetzlichen Folgen ihrer Lehre selbst erschrecken.
Sie würden am allerwenigsten ihre Rechnung da-
bey finden, wenn wir uns entschliessen solten, un-
sere Thorheiten abzulegen, und Hottentotten zu
werden. Denn die Hottentotten schreiben nicht, und

lesen

(o)
der Wolluſt, und dem thoͤrigten Hochmuth ande-
rer naͤhren? Alle dieſe ehrlichen Leute wuͤrden aber
an den Bettelſtab kommen, wenn das menſchli-
che Geſchlecht klug werden, und der Vernunft zu
folgen anfangen ſolte.

Mich deucht, es erhellet hieraus deutlich, daß
keine Republick bey dem Gebrauch der Vernunft
beſtehen koͤnne, und daß eine gaͤntzliche Daͤmpfung
der Affecten und Ablegung der Thorheit den Un-
terſcheid zwiſchen Obrigkeit und Unterthanen auf-
hebe, und alle Staͤnde der buͤrgerlichen Geſellſchaft
zu Grunde richte. Was ſoll man alſo von ſolchen
Leuten dencken, die ſo ſehr auf den Gebrauch der
Vernunft dringen? Laͤſt es doch nicht anders als
wenn ihnen alle Ordnung, und alle gute Verfaſſun-
gen zuwider ſind. Wolte man ihnen Gehoͤr geben,
und ſie rathen laſſen, ſo wuͤrden ſie uns in kurtzen
zu vollſtaͤndigen Hottentotten machen.

Jch ſage dieſes nicht um unſere Feinde, die gu-
ten Scribenten, in uͤbeln Ruf zu bringen, und ſie
als gefaͤhrliche und dem gemeinen Weſen ſchaͤdliche
Leute vorzuſtellen. Was ſie mir auch vor Bloͤſſe
geben, ſo ſey es doch ferne von mir, daß ich das
Unrecht, welches ſie uns elenden Scribenten zufuͤ-
gen, auf eine ſo grauſame Art raͤchen ſolte. Jch
bin gewiß von ihnen verſichert, daß ſie ſo boͤſe Ab-
ſichten nicht haben, und glaube, daß ſie vor den
entſetzlichen Folgen ihrer Lehre ſelbſt erſchrecken.
Sie wuͤrden am allerwenigſten ihre Rechnung da-
bey finden, wenn wir uns entſchlieſſen ſolten, un-
ſere Thorheiten abzulegen, und Hottentotten zu
werden. Denn die Hottentotten ſchreiben nicht, und

leſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0588" n="496"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
der Wollu&#x017F;t, und dem tho&#x0364;rigten Hochmuth ande-<lb/>
rer na&#x0364;hren? Alle die&#x017F;e ehrlichen Leute wu&#x0364;rden aber<lb/>
an den Bettel&#x017F;tab kommen, wenn das men&#x017F;chli-<lb/>
che Ge&#x017F;chlecht klug werden, und der Vernunft zu<lb/>
folgen anfangen &#x017F;olte.</p><lb/>
          <p>Mich deucht, es erhellet hieraus deutlich, daß<lb/>
keine Republick bey dem Gebrauch der Vernunft<lb/>
be&#x017F;tehen ko&#x0364;nne, und daß eine ga&#x0364;ntzliche Da&#x0364;mpfung<lb/>
der Affecten und Ablegung der Thorheit den Un-<lb/>
ter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen Obrigkeit und Unterthanen auf-<lb/>
hebe, und alle Sta&#x0364;nde der bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zu Grunde richte. Was &#x017F;oll man al&#x017F;o von &#x017F;olchen<lb/>
Leuten dencken, die &#x017F;o &#x017F;ehr auf den Gebrauch der<lb/>
Vernunft dringen? La&#x0364;&#x017F;t es doch nicht anders als<lb/>
wenn ihnen alle Ordnung, und alle gute Verfa&#x017F;&#x017F;un-<lb/>
gen zuwider &#x017F;ind. Wolte man ihnen Geho&#x0364;r geben,<lb/>
und &#x017F;ie rathen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie uns in kurtzen<lb/>
zu voll&#x017F;ta&#x0364;ndigen Hottentotten machen.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;age die&#x017F;es nicht um un&#x017F;ere Feinde, die gu-<lb/>
ten Scribenten, in u&#x0364;beln Ruf zu bringen, und &#x017F;ie<lb/>
als gefa&#x0364;hrliche und dem gemeinen We&#x017F;en &#x017F;cha&#x0364;dliche<lb/>
Leute vorzu&#x017F;tellen. Was &#x017F;ie mir auch vor Blo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
geben, &#x017F;o &#x017F;ey es doch ferne von mir, daß ich das<lb/>
Unrecht, welches &#x017F;ie uns elenden Scribenten zufu&#x0364;-<lb/>
gen, auf eine &#x017F;o grau&#x017F;ame Art ra&#x0364;chen &#x017F;olte. Jch<lb/>
bin gewiß von ihnen ver&#x017F;ichert, daß &#x017F;ie &#x017F;o bo&#x0364;&#x017F;e Ab-<lb/>
&#x017F;ichten nicht haben, und glaube, daß &#x017F;ie vor den<lb/>
ent&#x017F;etzlichen Folgen ihrer Lehre &#x017F;elb&#x017F;t er&#x017F;chrecken.<lb/>
Sie wu&#x0364;rden am allerwenig&#x017F;ten ihre Rechnung da-<lb/>
bey finden, wenn wir uns ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olten, un-<lb/>
&#x017F;ere Thorheiten abzulegen, und Hottentotten zu<lb/>
werden. Denn die Hottentotten &#x017F;chreiben nicht, und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">le&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0588] (o) der Wolluſt, und dem thoͤrigten Hochmuth ande- rer naͤhren? Alle dieſe ehrlichen Leute wuͤrden aber an den Bettelſtab kommen, wenn das menſchli- che Geſchlecht klug werden, und der Vernunft zu folgen anfangen ſolte. Mich deucht, es erhellet hieraus deutlich, daß keine Republick bey dem Gebrauch der Vernunft beſtehen koͤnne, und daß eine gaͤntzliche Daͤmpfung der Affecten und Ablegung der Thorheit den Un- terſcheid zwiſchen Obrigkeit und Unterthanen auf- hebe, und alle Staͤnde der buͤrgerlichen Geſellſchaft zu Grunde richte. Was ſoll man alſo von ſolchen Leuten dencken, die ſo ſehr auf den Gebrauch der Vernunft dringen? Laͤſt es doch nicht anders als wenn ihnen alle Ordnung, und alle gute Verfaſſun- gen zuwider ſind. Wolte man ihnen Gehoͤr geben, und ſie rathen laſſen, ſo wuͤrden ſie uns in kurtzen zu vollſtaͤndigen Hottentotten machen. Jch ſage dieſes nicht um unſere Feinde, die gu- ten Scribenten, in uͤbeln Ruf zu bringen, und ſie als gefaͤhrliche und dem gemeinen Weſen ſchaͤdliche Leute vorzuſtellen. Was ſie mir auch vor Bloͤſſe geben, ſo ſey es doch ferne von mir, daß ich das Unrecht, welches ſie uns elenden Scribenten zufuͤ- gen, auf eine ſo grauſame Art raͤchen ſolte. Jch bin gewiß von ihnen verſichert, daß ſie ſo boͤſe Ab- ſichten nicht haben, und glaube, daß ſie vor den entſetzlichen Folgen ihrer Lehre ſelbſt erſchrecken. Sie wuͤrden am allerwenigſten ihre Rechnung da- bey finden, wenn wir uns entſchlieſſen ſolten, un- ſere Thorheiten abzulegen, und Hottentotten zu werden. Denn die Hottentotten ſchreiben nicht, und leſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/588
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/588>, abgerufen am 24.05.2024.