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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
Stachel, und suchte Himmel und Erde wieder meine
eingebildete Verfolger zu bewegen. Jch war gar so
verblendet, daß ich wieder diese ehrliche Leute schrieb:
Aber was half es mir? Niemand wolte mein Ge-
schmier verlegen, und das wenige, das ich selbst davon
drucken ließ, vergrösserte nur meine Schande, und
überführte alle Welt, daß meine Einfalt mit einer
ziemlichen Boßheit vergesellschaftet seyn. Wenn ich
mich bey so gestalten Sachen aus Unmuth erhenckt
hätte, so hätte ich etwas gethan, worüber sich niemand
würde gewundert haben: Allein ich war viel zu wohl
mit mir selbst zu frieden, und geberdete mich so trotzig,
als wenn ich einer der geschicktesten Scribenten mei-
ner Zeit gewesen wäre.

Sagen Sie mir nun, habe ich nicht Ursache mich
in mein Hertze zu schämen, daß ich mich so vorsetzlich
zu einem Liedlein in der gelehrten Weltgemacht? Jst
meine Aufführung nicht närrisch genug, mich zu be-
unruhigen? Und verdienen meine abgeschmackten
Schriften nicht, daß ich sie verfluche? Ja ich verflu-
che sie, und wolte wünschen, daß ich niemahlen die
Feder angesetzet hätte. Keine aber sehe ich mit solchem
Abscheu an, als die letzte, die ich herausgegeben. Die
macht mir den größsten Kummer. Sie werden wissen,
Mein Herr Doctor, daß ich die Maximes de la Mar-
quise de Sable
ins Deutsche übersetzet habe: Da ich
doch wenig oder gar kein Frantzösisch kan. Sie kön-
nen also leicht erachten, was ich vor Schnitzer ge-
macht, und wie meine Feinde lachen werden, wenn
sie sehen, daß ich, dem allen ungeachtet, verwegen
genug gewesen bin, der Frau von Ziegler zu Ehren
selbst frantzösische Verse zu machen, die so voller Feh-

ler

(o)
Stachel, und ſuchte Himmel und Erde wieder meine
eingebildete Verfolger zu bewegen. Jch war gar ſo
verblendet, daß ich wieder dieſe ehrliche Leute ſchrieb:
Aber was half es mir? Niemand wolte mein Ge-
ſchmier verlegen, und das wenige, das ich ſelbſt davon
drucken ließ, vergroͤſſerte nur meine Schande, und
uͤberfuͤhrte alle Welt, daß meine Einfalt mit einer
ziemlichen Boßheit vergeſellſchaftet ſeyn. Wenn ich
mich bey ſo geſtalten Sachen aus Unmuth erhenckt
haͤtte, ſo haͤtte ich etwas gethan, woruͤber ſich niemand
wuͤrde gewundert haben: Allein ich war viel zu wohl
mit mir ſelbſt zu frieden, und geberdete mich ſo trotzig,
als wenn ich einer der geſchickteſten Scribenten mei-
ner Zeit geweſen waͤre.

Sagen Sie mir nun, habe ich nicht Urſache mich
in mein Hertze zu ſchaͤmen, daß ich mich ſo vorſetzlich
zu einem Liedlein in der gelehrten Weltgemacht? Jſt
meine Auffuͤhrung nicht naͤrriſch genug, mich zu be-
unruhigen? Und verdienen meine abgeſchmackten
Schriften nicht, daß ich ſie verfluche? Ja ich verflu-
che ſie, und wolte wuͤnſchen, daß ich niemahlen die
Feder angeſetzet haͤtte. Keine aber ſehe ich mit ſolchem
Abſcheu an, als die letzte, die ich herausgegeben. Die
macht mir den groͤßſten Kummer. Sie werden wiſſen,
Mein Herr Doctor, daß ich die Maximes de la Mar-
quiſe de Sablé
ins Deutſche uͤberſetzet habe: Da ich
doch wenig oder gar kein Frantzoͤſiſch kan. Sie koͤn-
nen alſo leicht erachten, was ich vor Schnitzer ge-
macht, und wie meine Feinde lachen werden, wenn
ſie ſehen, daß ich, dem allen ungeachtet, verwegen
genug geweſen bin, der Frau von Ziegler zu Ehren
ſelbſt frantzoͤſiſche Verſe zu machen, die ſo voller Feh-

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[447/0539] (o) Stachel, und ſuchte Himmel und Erde wieder meine eingebildete Verfolger zu bewegen. Jch war gar ſo verblendet, daß ich wieder dieſe ehrliche Leute ſchrieb: Aber was half es mir? Niemand wolte mein Ge- ſchmier verlegen, und das wenige, das ich ſelbſt davon drucken ließ, vergroͤſſerte nur meine Schande, und uͤberfuͤhrte alle Welt, daß meine Einfalt mit einer ziemlichen Boßheit vergeſellſchaftet ſeyn. Wenn ich mich bey ſo geſtalten Sachen aus Unmuth erhenckt haͤtte, ſo haͤtte ich etwas gethan, woruͤber ſich niemand wuͤrde gewundert haben: Allein ich war viel zu wohl mit mir ſelbſt zu frieden, und geberdete mich ſo trotzig, als wenn ich einer der geſchickteſten Scribenten mei- ner Zeit geweſen waͤre. Sagen Sie mir nun, habe ich nicht Urſache mich in mein Hertze zu ſchaͤmen, daß ich mich ſo vorſetzlich zu einem Liedlein in der gelehrten Weltgemacht? Jſt meine Auffuͤhrung nicht naͤrriſch genug, mich zu be- unruhigen? Und verdienen meine abgeſchmackten Schriften nicht, daß ich ſie verfluche? Ja ich verflu- che ſie, und wolte wuͤnſchen, daß ich niemahlen die Feder angeſetzet haͤtte. Keine aber ſehe ich mit ſolchem Abſcheu an, als die letzte, die ich herausgegeben. Die macht mir den groͤßſten Kummer. Sie werden wiſſen, Mein Herr Doctor, daß ich die Maximes de la Mar- quiſe de Sablé ins Deutſche uͤberſetzet habe: Da ich doch wenig oder gar kein Frantzoͤſiſch kan. Sie koͤn- nen alſo leicht erachten, was ich vor Schnitzer ge- macht, und wie meine Feinde lachen werden, wenn ſie ſehen, daß ich, dem allen ungeachtet, verwegen genug geweſen bin, der Frau von Ziegler zu Ehren ſelbſt frantzoͤſiſche Verſe zu machen, die ſo voller Feh- ler

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/539>, abgerufen am 22.11.2024.