Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
mern sich also wenig, wie es den kleinen gehet. Es
ist dahero unmöglich, daß der Jammer unserer Ge
sellschaft
sie rühren solte. Sie glauben, was uns
wiederfähret, das gehe sie nicht an;
Weil sie
nicht einmahl fähig sind zu erkennen, daß sie
zu uns gehören.
Was würde aus unserer Gesell-
schaft werden, wenn sie solche Glieder nicht hätte?
Würde sie nicht in kurtzer Zeit untergehen? Denn
auf diejenigen, die nur einige Vermuthung, ge-
schweige dann eine völlige Uberzeugung haben, daß
sie uns angehören, können wir uns nicht verlassen.
Und, wie groß auch meine Hochachtung gegen alle
meine hier versammelten Brüder ist; so bin ich doch
nicht gut davor, daß sie starck genug sind, die
Versuchungen ihrer verderbten Vernunft, die
noch zuweilen sich in ihnen reget, zu überwinden,
und den listigen Anläufen unserer Feinde zu wider-
stehen. Dazu wird eine mehr, als menschliche,
Standhaftigkeit, und ein Heldenmuth erfor-
dert, den man nur bey denen findet, die sich durch
die Besiegung ihrer Vernunft diejenige Unem-
pfindlichkeit
erworben haben, die wir bey dir in
einem so hohen Grad antreffen.

Wie kanst du uns demnach verdencken, grosser
Philippi, daß wir unser Haupt aus der besten Art
unserer Mitbrüder wehlen, und dich als den Besten
unter den Besten
zu dieser Würde erheben? Je
mehr du dich wegerst, diese Ehre anzunehmen; Je
höher du es empfindest, daß wir dich vor einen kleinen
Geist
ansehen, je mehr bekräftigest du uns in der Mei-
nung, daß wir nicht besser wehlen können. Besorge
nicht, daß die Einbildung, du wärest kein kleiner,

sondern

(o)
mern ſich alſo wenig, wie es den kleinen gehet. Es
iſt dahero unmoͤglich, daß der Jammer unſerer Ge
ſellſchaft
ſie ruͤhren ſolte. Sie glauben, was uns
wiederfaͤhret, das gehe ſie nicht an;
Weil ſie
nicht einmahl faͤhig ſind zu erkennen, daß ſie
zu uns gehoͤren.
Was wuͤrde aus unſerer Geſell-
ſchaft werden, wenn ſie ſolche Glieder nicht haͤtte?
Wuͤrde ſie nicht in kurtzer Zeit untergehen? Denn
auf diejenigen, die nur einige Vermuthung, ge-
ſchweige dann eine voͤllige Uberzeugung haben, daß
ſie uns angehoͤren, koͤnnen wir uns nicht verlaſſen.
Und, wie groß auch meine Hochachtung gegen alle
meine hier verſammelten Bruͤder iſt; ſo bin ich doch
nicht gut davor, daß ſie ſtarck genug ſind, die
Verſuchungen ihrer verderbten Vernunft, die
noch zuweilen ſich in ihnen reget, zu uͤberwinden,
und den liſtigen Anlaͤufen unſerer Feinde zu wider-
ſtehen. Dazu wird eine mehr, als menſchliche,
Standhaftigkeit, und ein Heldenmuth erfor-
dert, den man nur bey denen findet, die ſich durch
die Beſiegung ihrer Vernunft diejenige Unem-
pfindlichkeit
erworben haben, die wir bey dir in
einem ſo hohen Grad antreffen.

Wie kanſt du uns demnach verdencken, groſſer
Philippi, daß wir unſer Haupt aus der beſten Art
unſerer Mitbruͤder wehlen, und dich als den Beſten
unter den Beſten
zu dieſer Wuͤrde erheben? Je
mehr du dich wegerſt, dieſe Ehre anzunehmen; Je
hoͤher du es empfindeſt, daß wir dich voꝛ einen kleinen
Geiſt
anſehen, je mehr bekꝛaͤftigeſt du uns in deꝛ Mei-
nung, daß wir nicht beſſer wehlen koͤnnen. Beſorge
nicht, daß die Einbildung, du waͤreſt kein kleiner,

ſondern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0507" n="415"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
mern &#x017F;ich al&#x017F;o wenig, wie es den <hi rendition="#fr">kleinen</hi> gehet. Es<lb/>
i&#x017F;t dahero unmo&#x0364;glich, daß der <hi rendition="#fr">Jammer un&#x017F;erer Ge<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi> &#x017F;ie ru&#x0364;hren &#x017F;olte. Sie glauben, <hi rendition="#fr">was uns<lb/>
wiederfa&#x0364;hret, das gehe &#x017F;ie nicht an;</hi> Weil &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">nicht einmahl fa&#x0364;hig &#x017F;ind zu erkennen, daß &#x017F;ie<lb/>
zu uns geho&#x0364;ren.</hi> Was wu&#x0364;rde aus un&#x017F;erer Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft werden, wenn &#x017F;ie &#x017F;olche Glieder nicht ha&#x0364;tte?<lb/>
Wu&#x0364;rde &#x017F;ie nicht in kurtzer Zeit untergehen? Denn<lb/>
auf diejenigen, die nur einige V<hi rendition="#fr">ermuthung,</hi> ge-<lb/>
&#x017F;chweige dann eine vo&#x0364;llige <hi rendition="#fr">Uberzeugung</hi> haben, daß<lb/>
&#x017F;ie uns angeho&#x0364;ren, ko&#x0364;nnen wir uns nicht verla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Und, wie groß auch meine Hochachtung gegen alle<lb/>
meine hier ver&#x017F;ammelten Bru&#x0364;der i&#x017F;t; &#x017F;o bin ich doch<lb/>
nicht gut davor, daß &#x017F;ie &#x017F;tarck genug &#x017F;ind, die<lb/>
Ver&#x017F;uchungen ihrer <hi rendition="#fr">verderbten Vernunft,</hi> die<lb/>
noch zuweilen &#x017F;ich in ihnen reget, zu u&#x0364;berwinden,<lb/>
und den <hi rendition="#fr">li&#x017F;tigen Anla&#x0364;ufen</hi> un&#x017F;erer Feinde zu wider-<lb/>
&#x017F;tehen. Dazu wird eine <hi rendition="#fr">mehr, als men&#x017F;chliche,</hi><lb/>
Standhaftigkeit, und ein <hi rendition="#fr">Heldenmuth</hi> erfor-<lb/>
dert, den man nur bey denen findet, die &#x017F;ich durch<lb/>
die <hi rendition="#fr">Be&#x017F;iegung ihrer Vernunft</hi> diejenige <hi rendition="#fr">Unem-<lb/>
pfindlichkeit</hi> erworben haben, die wir bey dir in<lb/>
einem &#x017F;o hohen Grad antreffen.</p><lb/>
            <p>Wie kan&#x017F;t du uns demnach verdencken, gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Philippi, daß wir un&#x017F;er Haupt aus der <hi rendition="#fr">be&#x017F;ten Art</hi><lb/>
un&#x017F;erer Mitbru&#x0364;der wehlen, und dich als den <hi rendition="#fr">Be&#x017F;ten<lb/>
unter den Be&#x017F;ten</hi> zu die&#x017F;er Wu&#x0364;rde erheben? Je<lb/>
mehr du dich weger&#x017F;t, die&#x017F;e Ehre anzunehmen; Je<lb/>
ho&#x0364;her du es empfinde&#x017F;t, daß wir dich vo&#xA75B; einen <hi rendition="#fr">kleinen<lb/>
Gei&#x017F;t</hi> an&#x017F;ehen, je mehr bek&#xA75B;a&#x0364;ftige&#x017F;t du uns in de&#xA75B; Mei-<lb/>
nung, daß wir nicht be&#x017F;&#x017F;er wehlen ko&#x0364;nnen. Be&#x017F;orge<lb/>
nicht, daß die Einbildung, du wa&#x0364;re&#x017F;t <hi rendition="#fr">kein kleiner,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ondern</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[415/0507] (o) mern ſich alſo wenig, wie es den kleinen gehet. Es iſt dahero unmoͤglich, daß der Jammer unſerer Ge ſellſchaft ſie ruͤhren ſolte. Sie glauben, was uns wiederfaͤhret, das gehe ſie nicht an; Weil ſie nicht einmahl faͤhig ſind zu erkennen, daß ſie zu uns gehoͤren. Was wuͤrde aus unſerer Geſell- ſchaft werden, wenn ſie ſolche Glieder nicht haͤtte? Wuͤrde ſie nicht in kurtzer Zeit untergehen? Denn auf diejenigen, die nur einige Vermuthung, ge- ſchweige dann eine voͤllige Uberzeugung haben, daß ſie uns angehoͤren, koͤnnen wir uns nicht verlaſſen. Und, wie groß auch meine Hochachtung gegen alle meine hier verſammelten Bruͤder iſt; ſo bin ich doch nicht gut davor, daß ſie ſtarck genug ſind, die Verſuchungen ihrer verderbten Vernunft, die noch zuweilen ſich in ihnen reget, zu uͤberwinden, und den liſtigen Anlaͤufen unſerer Feinde zu wider- ſtehen. Dazu wird eine mehr, als menſchliche, Standhaftigkeit, und ein Heldenmuth erfor- dert, den man nur bey denen findet, die ſich durch die Beſiegung ihrer Vernunft diejenige Unem- pfindlichkeit erworben haben, die wir bey dir in einem ſo hohen Grad antreffen. Wie kanſt du uns demnach verdencken, groſſer Philippi, daß wir unſer Haupt aus der beſten Art unſerer Mitbruͤder wehlen, und dich als den Beſten unter den Beſten zu dieſer Wuͤrde erheben? Je mehr du dich wegerſt, dieſe Ehre anzunehmen; Je hoͤher du es empfindeſt, daß wir dich voꝛ einen kleinen Geiſt anſehen, je mehr bekꝛaͤftigeſt du uns in deꝛ Mei- nung, daß wir nicht beſſer wehlen koͤnnen. Beſorge nicht, daß die Einbildung, du waͤreſt kein kleiner, ſondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/507
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/507>, abgerufen am 22.11.2024.