schuldetem Haß der Mächtigen, ausstehet, mehr edie Seelen betroffen habe (31). Wir sind nimmer Delinquenten und Missethäter, sondern Staats- Gefangene und Königliche Arrestanten(32), und unser Kercker ist uns ein Pathmus.
Sey demnach unsertwegen unbesorget, werther Philippi. Unsere Kühnheit wird uns so wenig scha- den, als dir die deinige: Und haben wir desfals An- fechtung, so haben wir auch von dir gelernet, solche Fatalitäten zu überstehen, und uns, nach deinem Beyspiel, zu trösten. Beseufze vielmehr unser Ver- hängniß, daß wir selten Gelegenheit haben unsere Standhaftigkeit in solchen Fällen zu beweisen. Wir gäben öfters viel darum, daß unsere Schriften ver- boten, und wir zur Verantwortung gezogen würden. Denn jenes würde den Abgang unserer Wercke, der ordentlicher Weise sehr schlecht ist, befördern, und die- ses ein Zeichen seyn, daß man unsere Stiche gefühlet. Allein es wird uns so gut nicht. Man achtet uns nicht einmahl so viel, daß man sich um uns, und unsere Schriften bekümmert. Du wirst aus eigener Er- fahtung wissen, grosser Philippi, daß ich die Wahr- heit sage. Hat man deiner Thüringischen Histo- rie, einer Schrift, die so viel bedenckliches in sich fas- set, in Sachsen wohl die Ehre gethan, daß man sie confisciret? Man hat sich gestellet, als wäre sie nicht in der Welt, und dieses unvergleichliche Werck würde unstreitig schon guten Theils von den Motten verzehret, oder wohl gar den Weg aller, nach dem
Ge-
(31) S. die Thüringische Historie. p. 166. n. 198.
(32) S. die S. deutsche Reden. p. 76. not. (*)
B b
(o)
ſchuldetem Haß der Maͤchtigen, ausſtehet, mehr edie Seelen betroffen habe (31). Wir ſind nimmer Delinquenten und Miſſethaͤter, ſondern Staats- Gefangene und Koͤnigliche Arreſtanten(32), und unſer Kercker iſt uns ein Pathmus.
Sey demnach unſertwegen unbeſorget, werther Philippi. Unſere Kuͤhnheit wird uns ſo wenig ſcha- den, als dir die deinige: Und haben wir desfals An- fechtung, ſo haben wir auch von dir gelernet, ſolche Fatalitaͤten zu uͤberſtehen, und uns, nach deinem Beyſpiel, zu troͤſten. Beſeufze vielmehr unſer Ver- haͤngniß, daß wir ſelten Gelegenheit haben unſere Standhaftigkeit in ſolchen Faͤllen zu beweiſen. Wir gaͤben oͤfters viel darum, daß unſere Schriften ver- boten, und wir zur Verantwortung gezogen wuͤrden. Denn jenes wuͤrde den Abgang unſerer Wercke, der ordentlicher Weiſe ſehr ſchlecht iſt, befoͤrdern, und die- ſes ein Zeichen ſeyn, daß man unſere Stiche gefuͤhlet. Allein es wird uns ſo gut nicht. Man achtet uns nicht einmahl ſo viel, daß man ſich um uns, und unſere Schriften bekuͤmmert. Du wirſt aus eigener Er- fahtung wiſſen, groſſer Philippi, daß ich die Wahr- heit ſage. Hat man deiner Thuͤringiſchen Hiſto- rie, einer Schrift, die ſo viel bedenckliches in ſich faſ- ſet, in Sachſen wohl die Ehre gethan, daß man ſie confiſciret? Man hat ſich geſtellet, als waͤre ſie nicht in der Welt, und dieſes unvergleichliche Werck wuͤrde unſtreitig ſchon guten Theils von den Motten verzehret, oder wohl gar den Weg aller, nach dem
Ge-
(31) S. die Thuͤringiſche Hiſtorie. p. 166. n. 198.
(32) S. die S. deutſche Reden. p. 76. not. (*)
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ſchuldetem Haß der Maͤchtigen, ausſtehet, mehr edie
Seelen betroffen habe (31). Wir ſind nimmer
Delinquenten und Miſſethaͤter, ſondern Staats-
Gefangene und Koͤnigliche Arreſtanten (32),
und unſer Kercker iſt uns ein Pathmus.
Sey demnach unſertwegen unbeſorget, werther
Philippi. Unſere Kuͤhnheit wird uns ſo wenig ſcha-
den, als dir die deinige: Und haben wir desfals An-
fechtung, ſo haben wir auch von dir gelernet, ſolche
Fatalitaͤten zu uͤberſtehen, und uns, nach deinem
Beyſpiel, zu troͤſten. Beſeufze vielmehr unſer Ver-
haͤngniß, daß wir ſelten Gelegenheit haben unſere
Standhaftigkeit in ſolchen Faͤllen zu beweiſen. Wir
gaͤben oͤfters viel darum, daß unſere Schriften ver-
boten, und wir zur Verantwortung gezogen wuͤrden.
Denn jenes wuͤrde den Abgang unſerer Wercke, der
ordentlicher Weiſe ſehr ſchlecht iſt, befoͤrdern, und die-
ſes ein Zeichen ſeyn, daß man unſere Stiche gefuͤhlet.
Allein es wird uns ſo gut nicht. Man achtet uns nicht
einmahl ſo viel, daß man ſich um uns, und unſere
Schriften bekuͤmmert. Du wirſt aus eigener Er-
fahtung wiſſen, groſſer Philippi, daß ich die Wahr-
heit ſage. Hat man deiner Thuͤringiſchen Hiſto-
rie, einer Schrift, die ſo viel bedenckliches in ſich faſ-
ſet, in Sachſen wohl die Ehre gethan, daß man ſie
confiſciret? Man hat ſich geſtellet, als waͤre ſie nicht
in der Welt, und dieſes unvergleichliche Werck
wuͤrde unſtreitig ſchon guten Theils von den Motten
verzehret, oder wohl gar den Weg aller, nach dem
Ge-
(31) S. die Thuͤringiſche Hiſtorie. p. 166. n. 198.
(32) S. die S. deutſche Reden. p. 76. not. (*)
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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