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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)

Billig erstaune ich auch, daß, da die Namen von
Rechts-Gelehrten, Rähten, Beysitzern, Ad-
vocaten, Aertzten und Weltweisen
unter so vie-
len grossen Geistern angetrofen werden, es euch doch
größten theils beliebet hat, Masquen davon anzu-
nehmen, und ich erkenne euch darinne vor Leute von
weit einsehendern Verstande, als mich selbst, weil
ich nicht zu begreifen vermag, wie diese eure an-
genommene Larven mit eurem wahren Ge-
mühts-Caracter
in einiger Gleichheit stehen.

Noch mehr bewundere ich die Gesetze eurer Rede-
Kunst,
nach welcher es erlaubet ist, alles heraus zu
sagen,
was man denckt, auch eine so natürliche und
ungezwungene Leibes-Stellung dabey anzuneh-
men, darinne ich es euch gar nicht gleich zu thun ver-
mag.

Jch sehe hier welche so erbar sitzen, die ich an an-
dern Orten
habe in äuserster Leibes-Bewegung zu
einem grossen Volck reden hören. Ein groß Geschrey,
ein Geklatsche mit den Händen, ein öfteres Räuspern
stehet einigen von euch recht angenehm. An andern
sehe eine so grosse Lebhaftigkeit mit ihren Zuhörern zu
schertzen, daß sie denen Haupt-Personen in einem
Lust-Spiel
gleichen, und reden dabey so leise, daß
man ihnen sehr aufmercksame Ohren geben muß, um
sie nur zu verstehen, und daß man schwören sollte, es
wären Statuen, wenn man nicht noch eine kleine
Bewegung an ihren Lippen wahrnähme.

Wie soll ich mich aber anietzo gegen die verhalten,
die hinter mir theils stehen, theils sitzen? Doch weil in
eurer Gesellschaft einem nichts vor übel genom-
men wird,
so werdet ihr mir wohl erlauben, euch eine
Weile den Rücken zuzukehren, um solche zu beschauen.

O
(o)

Billig erſtaune ich auch, daß, da die Namen von
Rechts-Gelehrten, Raͤhten, Beyſitzern, Ad-
vocaten, Aertzten und Weltweiſen
unter ſo vie-
len groſſen Geiſtern angetrofen werden, es euch doch
groͤßten theils beliebet hat, Maſquen davon anzu-
nehmen, und ich erkenne euch darinne vor Leute von
weit einſehendern Verſtande, als mich ſelbſt, weil
ich nicht zu begreifen vermag, wie dieſe eure an-
genommene Larven mit eurem wahren Ge-
muͤhts-Caracter
in einiger Gleichheit ſtehen.

Noch mehr bewundere ich die Geſetze eurer Rede-
Kunſt,
nach welcher es eꝛlaubet iſt, alles heraus zu
ſagen,
was man denckt, auch eine ſo natuͤrliche und
ungezwungene Leibes-Stellung dabey anzuneh-
men, darinne ich es euch gar nicht gleich zu thun ver-
mag.

Jch ſehe hier welche ſo erbar ſitzen, die ich an an-
dern Orten
habe in aͤuſerſter Leibes-Bewegung zu
einem groſſen Volck reden hoͤren. Ein groß Geſchrey,
ein Geklatſche mit den Haͤnden, ein oͤfteres Raͤuſpern
ſtehet einigen von euch recht angenehm. An andern
ſehe eine ſo groſſe Lebhaftigkeit mit ihren Zuhoͤrern zu
ſchertzen, daß ſie denen Haupt-Perſonen in einem
Luſt-Spiel
gleichen, und reden dabey ſo leiſe, daß
man ihnen ſehr aufmerckſame Ohren geben muß, um
ſie nur zu verſtehen, und daß man ſchwoͤren ſollte, es
waͤren Statuen, wenn man nicht noch eine kleine
Bewegung an ihren Lippen wahrnaͤhme.

Wie ſoll ich mich aber anietzo gegen die verhalten,
die hinter mir theils ſtehen, theils ſitzen? Doch weil in
eurer Geſellſchaft einem nichts vor uͤbel genom-
men wird,
ſo werdet ihr mir wohl erlauben, euch eine
Weile den Ruͤcken zuzukehꝛen, um ſolche zu beſchauen.

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[336[346]/0438] (o) Billig erſtaune ich auch, daß, da die Namen von Rechts-Gelehrten, Raͤhten, Beyſitzern, Ad- vocaten, Aertzten und Weltweiſen unter ſo vie- len groſſen Geiſtern angetrofen werden, es euch doch groͤßten theils beliebet hat, Maſquen davon anzu- nehmen, und ich erkenne euch darinne vor Leute von weit einſehendern Verſtande, als mich ſelbſt, weil ich nicht zu begreifen vermag, wie dieſe eure an- genommene Larven mit eurem wahren Ge- muͤhts-Caracter in einiger Gleichheit ſtehen. Noch mehr bewundere ich die Geſetze eurer Rede- Kunſt, nach welcher es eꝛlaubet iſt, alles heraus zu ſagen, was man denckt, auch eine ſo natuͤrliche und ungezwungene Leibes-Stellung dabey anzuneh- men, darinne ich es euch gar nicht gleich zu thun ver- mag. Jch ſehe hier welche ſo erbar ſitzen, die ich an an- dern Orten habe in aͤuſerſter Leibes-Bewegung zu einem groſſen Volck reden hoͤren. Ein groß Geſchrey, ein Geklatſche mit den Haͤnden, ein oͤfteres Raͤuſpern ſtehet einigen von euch recht angenehm. An andern ſehe eine ſo groſſe Lebhaftigkeit mit ihren Zuhoͤrern zu ſchertzen, daß ſie denen Haupt-Perſonen in einem Luſt-Spiel gleichen, und reden dabey ſo leiſe, daß man ihnen ſehr aufmerckſame Ohren geben muß, um ſie nur zu verſtehen, und daß man ſchwoͤren ſollte, es waͤren Statuen, wenn man nicht noch eine kleine Bewegung an ihren Lippen wahrnaͤhme. Wie ſoll ich mich aber anietzo gegen die verhalten, die hinter mir theils ſtehen, theils ſitzen? Doch weil in eurer Geſellſchaft einem nichts vor uͤbel genom- men wird, ſo werdet ihr mir wohl erlauben, euch eine Weile den Ruͤcken zuzukehꝛen, um ſolche zu beſchauen. O

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 336[346]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/438>, abgerufen am 05.05.2024.