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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
die Verführung derer zu bewahren, die
ihn vieleicht durch die schmeichelnde Ein-
bildung daß ihm in dem Briontes sehr
zu nahe geschehen, und diese Satyre, ich
weiß nicht wie ehrenrührig, gottloß und
strafbar sey, von Vollführung des wich-
tigen Wercks seiner Bekehrung, in wel-
chem er begrifen ist, abhalten, und durch
ihr loses, und dem Fleische angenehmes
Geschwätz auf die unvernünftigen Gedan-
cken bringen möchten, es sey nicht nur nöthig,
sondern auch möglich, daß er seine Feh-
ler gegen den Verfasser des Briontes
biß auf den letzten Bluts-Tropfen ver-
theidige.

Gute Erinnerungen sind dem äussern Men-
schen allemahl verdrießlich. Er will nicht ge-
meistert seyn. Unsere verderbte Natur wie-
derstrebet dem Guten, und die uns allen ange-
bohrne Selbst-Liebe blendet uns so sehr, daß
wir dasjenige, welches andere an uns tadeln
und verabscheuen, oft vor unsere beste Eigen-
schaft halten. Es ist also gar natürlich, daß eine
Schrift, wie der Briontes, dem Herrn Pro-
fessor Philippi, der sich, ich weiß nicht warum,
eine gute Zeit eingebildet hat, er sey ein heroi-
scher Redner, und ein vortreflicher Dichter,
nicht sonderlich gefallen müsse, weil sie ihm
diese süsse Einbildung, wieder seinen Willen
raubet, und zu allerhand verdrießlichen Be-
trachtungen Anlaß giebt. Die Gelassenheit,
die der Herr Professer bißhero bezeiget, lässet

uns

(o)
die Verfuͤhrung derer zu bewahren, die
ihn vieleicht durch die ſchmeichelnde Ein-
bildung daß ihm in dem Briontes ſehr
zu nahe geſchehen, und dieſe Satyre, ich
weiß nicht wie ehrenruͤhrig, gottloß und
ſtrafbar ſey, von Vollfuͤhrung des wich-
tigen Wercks ſeiner Bekehrung, in wel-
chem er begrifen iſt, abhalten, und durch
ihr loſes, und dem Fleiſche angenehmes
Geſchwaͤtz auf die unvernuͤnftigen Gedan-
cken bringen moͤchten, es ſey nicht nur noͤthig,
ſondern auch moͤglich, daß er ſeine Feh-
ler gegen den Verfaſſer des Briontes
biß auf den letzten Bluts-Tropfen ver-
theidige.

Gute Erinnerungen ſind dem aͤuſſern Men-
ſchen allemahl verdrießlich. Er will nicht ge-
meiſtert ſeyn. Unſere verderbte Natur wie-
derſtrebet dem Guten, und die uns allen ange-
bohrne Selbſt-Liebe blendet uns ſo ſehr, daß
wir dasjenige, welches andere an uns tadeln
und verabſcheuen, oft vor unſere beſte Eigen-
ſchaft halten. Es iſt alſo gar natuͤrlich, daß eine
Schrift, wie der Briontes, dem Herrn Pro-
feſſor Philippi, der ſich, ich weiß nicht warum,
eine gute Zeit eingebildet hat, er ſey ein heroi-
ſcher Redner, und ein vortreflicher Dichter,
nicht ſonderlich gefallen muͤſſe, weil ſie ihm
dieſe ſuͤſſe Einbildung, wieder ſeinen Willen
raubet, und zu allerhand verdrießlichen Be-
trachtungen Anlaß giebt. Die Gelaſſenheit,
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[232[332]/0424] (o) die Verfuͤhrung derer zu bewahren, die ihn vieleicht durch die ſchmeichelnde Ein- bildung daß ihm in dem Briontes ſehr zu nahe geſchehen, und dieſe Satyre, ich weiß nicht wie ehrenruͤhrig, gottloß und ſtrafbar ſey, von Vollfuͤhrung des wich- tigen Wercks ſeiner Bekehrung, in wel- chem er begrifen iſt, abhalten, und durch ihr loſes, und dem Fleiſche angenehmes Geſchwaͤtz auf die unvernuͤnftigen Gedan- cken bringen moͤchten, es ſey nicht nur noͤthig, ſondern auch moͤglich, daß er ſeine Feh- ler gegen den Verfaſſer des Briontes biß auf den letzten Bluts-Tropfen ver- theidige. Gute Erinnerungen ſind dem aͤuſſern Men- ſchen allemahl verdrießlich. Er will nicht ge- meiſtert ſeyn. Unſere verderbte Natur wie- derſtrebet dem Guten, und die uns allen ange- bohrne Selbſt-Liebe blendet uns ſo ſehr, daß wir dasjenige, welches andere an uns tadeln und verabſcheuen, oft vor unſere beſte Eigen- ſchaft halten. Es iſt alſo gar natuͤrlich, daß eine Schrift, wie der Briontes, dem Herrn Pro- feſſor Philippi, der ſich, ich weiß nicht warum, eine gute Zeit eingebildet hat, er ſey ein heroi- ſcher Redner, und ein vortreflicher Dichter, nicht ſonderlich gefallen muͤſſe, weil ſie ihm dieſe ſuͤſſe Einbildung, wieder ſeinen Willen raubet, und zu allerhand verdrießlichen Be- trachtungen Anlaß giebt. Die Gelaſſenheit, die der Herr Profeſſer bißhero bezeiget, laͤſſet uns

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 232[332]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/424>, abgerufen am 22.11.2024.