ihnen nicht, man mag sie ihnen vortragen auf welche Art man will. Wollen demnach die gravitätischen Feinde einer Satyre diese Leute nicht erzürnen, so müssen sie ihnen auch nicht einmahl die Wahrheit im Ernst und ohne La- chen sagen. Sie müssen nicht eyfern, nicht poltern. Dieses muß die Thoren natürlicher weise ja so sehr erbittern, als wenn man ihnen durch höfliche Umwege ihre Fehler zeiget, und die Wahrheit auf eine angenehme Art beybrin- get. Alle gute Satyren sind nichts als Schrif- ten, in welchen den Thoren ihre Fehler auf ei- ne höfliche Weise, ohne alle herbe Ausdrückun- gen, die bey einer ernsthaften Wiederlegung kaum zu vermeiden sind, vor Augen geleget wer- den. Wie kan man ihnen dann den Mangel der Bescheidenheit vorwerfen? Jst es nicht beschei- dener, den Leuten die Wahrheit mit Lachen, und auf eine verdeckte Art sagen, als wenn man mit der Thür ins Hauß fällt? Und wie können denn die Spötter mit den bösen Scribenten säuberlicher verfahren? Sie überzuckern ja die Wahrheit, und machen es nicht anders als wenn sie einem Kinde Wurm-Saamen ein- gäben.
. . . . veluti pueris absinthia tetra me- dentes Cum dare conantur, prius oras pocula circum Contingunt mellis dulci flavoque li- quore,
Ut
(o)
ihnen nicht, man mag ſie ihnen vortragen auf welche Art man will. Wollen demnach die gravitaͤtiſchen Feinde einer Satyre dieſe Leute nicht erzuͤrnen, ſo muͤſſen ſie ihnen auch nicht einmahl die Wahrheit im Ernſt und ohne La- chen ſagen. Sie muͤſſen nicht eyfern, nicht poltern. Dieſes muß die Thoren natuͤrlicher weiſe ja ſo ſehr erbittern, als wenn man ihnen durch hoͤfliche Umwege ihre Fehler zeiget, und die Wahrheit auf eine angenehme Art beybrin- get. Alle gute Satyren ſind nichts als Schrif- ten, in welchen den Thoren ihre Fehler auf ei- ne hoͤfliche Weiſe, ohne alle herbe Ausdruͤckun- gen, die bey einer ernſthaften Wiederlegung kaum zu vermeiden ſind, vor Augen geleget wer- den. Wie kan man ihnen dann den Mangel der Beſcheidenheit vorwerfen? Jſt es nicht beſchei- dener, den Leuten die Wahrheit mit Lachen, und auf eine verdeckte Art ſagen, als wenn man mit der Thuͤr ins Hauß faͤllt? Und wie koͤnnen denn die Spoͤtter mit den boͤſen Scribenten ſaͤuberlicher verfahren? Sie uͤberzuckern ja die Wahrheit, und machen es nicht anders als wenn ſie einem Kinde Wurm-Saamen ein- gaͤben.
. . . . veluti pueris abſinthia tetra me- dentes Cum dare conantur, prius oras pocula circum Contingunt mellis dulci flavoque li- quore,
Ut
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(o)
ihnen nicht, man mag ſie ihnen vortragen auf
welche Art man will. Wollen demnach die
gravitaͤtiſchen Feinde einer Satyre dieſe Leute
nicht erzuͤrnen, ſo muͤſſen ſie ihnen auch nicht
einmahl die Wahrheit im Ernſt und ohne La-
chen ſagen. Sie muͤſſen nicht eyfern, nicht
poltern. Dieſes muß die Thoren natuͤrlicher
weiſe ja ſo ſehr erbittern, als wenn man ihnen
durch hoͤfliche Umwege ihre Fehler zeiget, und
die Wahrheit auf eine angenehme Art beybrin-
get. Alle gute Satyren ſind nichts als Schrif-
ten, in welchen den Thoren ihre Fehler auf ei-
ne hoͤfliche Weiſe, ohne alle herbe Ausdruͤckun-
gen, die bey einer ernſthaften Wiederlegung
kaum zu vermeiden ſind, vor Augen geleget wer-
den. Wie kan man ihnen dann den Mangel der
Beſcheidenheit vorwerfen? Jſt es nicht beſchei-
dener, den Leuten die Wahrheit mit Lachen,
und auf eine verdeckte Art ſagen, als wenn man
mit der Thuͤr ins Hauß faͤllt? Und wie koͤnnen
denn die Spoͤtter mit den boͤſen Scribenten
ſaͤuberlicher verfahren? Sie uͤberzuckern ja
die Wahrheit, und machen es nicht anders als
wenn ſie einem Kinde Wurm-Saamen ein-
gaͤben.
. . . . veluti pueris abſinthia tetra me-
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Cum dare conantur, prius oras pocula
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/374>, abgerufen am 06.05.2024.
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