gen daraus ziehen, die so handgreiflich unge- reimt sind, daß derjenige, mit dem ich zu thun habe, selbst, wo er klug ist, davor erschrecken, sie verwerfen, und also seine eigene Sätze umstos- sen, und seine That mißbilligen muß. Diese letz- te Art der Widerlegung nennet man in den Schulen deductionem ad absurdum, und sie ist zu allen Zeiten nicht nur vor erlaubt, son- dern auch vor die kräftigste gehalten worden. Eine Satyre ist eigentlich nichts an- ders, als einedeductio ad absurdum, und folglich ein erlaubtes und kräftiges Mittel, die Thoren einzutreiben.
Man kan demnach keinen Gelehrten ta- deln, oder ihn einer sonderbaren Bosheit be- schuldigen, wenn er sich eines so nachdrückli- chen und kräftigen Mittels, die Thorheiten sichtbar und scheußlich zu machen, in seinen Schriften bedienet: und dieses um so viel we- niger, weil oft die Jrrenden und Thoren auf keine andere Weise zur Erkänntniß zu bringen und zu bändigen sind.
Alle Jrrthümer und Thorheiten bestehenEinige Thorheiten verdienen nicht, daß man ernst- haft wie- der sie ey- fort. in der Abweichung von gewissen Grund- Wahrheiten. Diese Abweichung ist nicht allemal gleich sichtbar, und daher entstehet un- ter den Jrrthümern und Thorheiten ein mercklicher Unterscheid. Einige, deren Ab- weichung von den Grund-Wahrheiten nicht gar augenscheinlich ist, haben einigen Schein, und diejenigen, welche damit behaf- tet, sind also einiger massen zu entschuldigen.
Man
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gen daraus ziehen, die ſo handgreiflich unge- reimt ſind, daß derjenige, mit dem ich zu thun habe, ſelbſt, wo er klug iſt, davor erſchrecken, ſie verwerfen, und alſo ſeine eigene Saͤtze umſtoſ- ſen, und ſeine That mißbilligen muß. Dieſe letz- te Art der Widerlegung nennet man in den Schulen deductionem ad abſurdum, und ſie iſt zu allen Zeiten nicht nur vor erlaubt, ſon- dern auch vor die kraͤftigſte gehalten worden. Eine Satyre iſt eigentlich nichts an- ders, als einedeductio ad abſurdum, und folglich ein erlaubtes und kraͤftiges Mittel, die Thoren einzutreiben.
Man kan demnach keinen Gelehrten ta- deln, oder ihn einer ſonderbaren Bosheit be- ſchuldigen, wenn er ſich eines ſo nachdruͤckli- chen und kraͤftigen Mittels, die Thorheiten ſichtbar und ſcheußlich zu machen, in ſeinen Schriften bedienet: und dieſes um ſo viel we- niger, weil oft die Jrrenden und Thoren auf keine andere Weiſe zur Erkaͤnntniß zu bringen und zu baͤndigen ſind.
Alle Jrrthuͤmer und Thorheiten beſtehenEinige Thorheitẽ verdienen nicht, daß man ernſt- haft wie- der ſie ey- fort. in der Abweichung von gewiſſen Grund- Wahrheiten. Dieſe Abweichung iſt nicht allemal gleich ſichtbar, und daher entſtehet un- ter den Jrrthuͤmern und Thorheiten ein mercklicher Unterſcheid. Einige, deren Ab- weichung von den Grund-Wahrheiten nicht gar augenſcheinlich iſt, haben einigen Schein, und diejenigen, welche damit behaf- tet, ſind alſo einiger maſſen zu entſchuldigen.
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gen daraus ziehen, die ſo handgreiflich unge-
reimt ſind, daß derjenige, mit dem ich zu thun
habe, ſelbſt, wo er klug iſt, davor erſchrecken, ſie
verwerfen, und alſo ſeine eigene Saͤtze umſtoſ-
ſen, und ſeine That mißbilligen muß. Dieſe letz-
te Art der Widerlegung nennet man in den
Schulen deductionem ad abſurdum, und ſie
iſt zu allen Zeiten nicht nur vor erlaubt, ſon-
dern auch vor die kraͤftigſte gehalten worden.
Eine Satyre iſt eigentlich nichts an-
ders, als eine deductio ad abſurdum, und
folglich ein erlaubtes und kraͤftiges Mittel, die
Thoren einzutreiben.
Man kan demnach keinen Gelehrten ta-
deln, oder ihn einer ſonderbaren Bosheit be-
ſchuldigen, wenn er ſich eines ſo nachdruͤckli-
chen und kraͤftigen Mittels, die Thorheiten
ſichtbar und ſcheußlich zu machen, in ſeinen
Schriften bedienet: und dieſes um ſo viel we-
niger, weil oft die Jrrenden und Thoren auf
keine andere Weiſe zur Erkaͤnntniß zu bringen
und zu baͤndigen ſind.
Alle Jrrthuͤmer und Thorheiten beſtehen
in der Abweichung von gewiſſen Grund-
Wahrheiten. Dieſe Abweichung iſt nicht
allemal gleich ſichtbar, und daher entſtehet un-
ter den Jrrthuͤmern und Thorheiten ein
mercklicher Unterſcheid. Einige, deren Ab-
weichung von den Grund-Wahrheiten
nicht gar augenſcheinlich iſt, haben einigen
Schein, und diejenigen, welche damit behaf-
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/369>, abgerufen am 22.11.2024.
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