Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
Satyren richte man nichts aus, und erbitte-"
re nur die Gemüther: Mit Glimpf und"
Sanftmuth komme man viel weiter: Die"
satyrische Schreib-Art sey ein Zeichen eines"
bösen Gemüths, und schicke sich nicht vor ei"
nen wetsen Mann." Hier schweigt er, und
giebt mir Raum seine Weisheit zu bewundern
und zu preisen. Jch antworte ihm demnach
mit aller Ernsthaftigkeit und nicht lächelnd:

... Felicia tempora quae te
Moribus opponunt: habeat jam Roma
pudorem,
Tertius e coelo cecidit Cato ...
Fuvenalis Sat. 2.

Allein ich besorge, daß andere nicht so höflich
seyn werden. Es wird Leute geben, die sa-
gen werden: Es sey falsch, daß man allemal"
ernsthaft schreiben müsse: Eine Satyre kön-"
ne auch bescheiden und glimpflich seyn: Eine"
lustige Spötterey richte oft mehr aus, als"
die ernsthafteste Predigt. Es sey falsch, daß"
alle, die Satyren schreiben, Leute von bösem"
Gemüthe, und es sey eben kein untriegliches"
Zeichen einer sonderbaren Weisheit, wenn"
man andern, die sich nicht nach unserm Kopfe"
richten wollen, vor der Faust den Nahmen"
weiser Leute abspreche."

Jch habe mein Tage keine Satyre geschrie-Ein jeder
muß schrei-
ben wie es
sein Natu-
rel mit-
bringet.

ben, und bin es auch noch nicht willens. Aber
ich sehe nicht, womit man diese Leute widerle-
gen könne; denn da sich die ernsthaften, christ-
lichen und sanftmüthigen Personen, welche ei-

nen
S

(o)
Satyren richte man nichts aus, und erbitte-„
re nur die Gemuͤther: Mit Glimpf und„
Sanftmuth komme man viel weiter: Die„
ſatyriſche Schreib-Art ſey ein Zeichen eines„
boͤſen Gemuͤths, und ſchicke ſich nicht vor ei„
nen wetſen Mann.” Hier ſchweigt er, und
giebt mir Raum ſeine Weisheit zu bewundern
und zu preiſen. Jch antworte ihm demnach
mit aller Ernſthaftigkeit und nicht laͤchelnd:

… Felicia tempora quæ te
Moribus opponunt: habeat jam Roma
pudorem,
Tertius è cœlo cecidit Cato …
Fuvenalis Sat. 2.

Allein ich beſorge, daß andere nicht ſo hoͤflich
ſeyn werden. Es wird Leute geben, die ſa-
gen werden: Es ſey falſch, daß man allemal„
ernſthaft ſchreiben muͤſſe: Eine Satyre koͤn-„
ne auch beſcheiden und glimpflich ſeyn: Eine„
luſtige Spoͤtterey richte oft mehr aus, als„
die ernſthafteſte Predigt. Es ſey falſch, daß„
alle, die Satyren ſchreiben, Leute von boͤſem„
Gemuͤthe, und es ſey eben kein untriegliches„
Zeichen einer ſonderbaren Weisheit, wenn„
man andern, die ſich nicht nach unſerm Kopfe„
richten wollen, vor der Fauſt den Nahmen„
weiſer Leute abſpreche.„

Jch habe mein Tage keine Satyre geſchrie-Ein jeder
muß ſchrei-
ben wie es
ſein Natu-
rel mit-
bringet.

ben, und bin es auch noch nicht willens. Aber
ich ſehe nicht, womit man dieſe Leute widerle-
gen koͤnne; denn da ſich die ernſthaften, chriſt-
lichen und ſanftmuͤthigen Perſonen, welche ei-

nen
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="273"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
Satyren richte man nichts aus, und erbitte-&#x201E;<lb/>
re nur die Gemu&#x0364;ther: Mit Glimpf und&#x201E;<lb/>
Sanftmuth komme man viel weiter: Die&#x201E;<lb/>
&#x017F;atyri&#x017F;che Schreib-Art &#x017F;ey ein Zeichen eines&#x201E;<lb/>
bo&#x0364;&#x017F;en Gemu&#x0364;ths, und &#x017F;chicke &#x017F;ich nicht vor ei&#x201E;<lb/>
nen wet&#x017F;en Mann.&#x201D; Hier &#x017F;chweigt er, und<lb/>
giebt mir Raum &#x017F;eine Weisheit zu bewundern<lb/>
und zu prei&#x017F;en. Jch antworte ihm demnach<lb/>
mit aller Ern&#x017F;thaftigkeit und nicht la&#x0364;chelnd:</p><lb/>
        <cit>
          <quote> <hi rendition="#aq">&#x2026; Felicia tempora quæ te<lb/>
Moribus opponunt: habeat jam Roma<lb/><hi rendition="#et">pudorem,</hi><lb/>
Tertius è c&#x0153;lo cecidit Cato &#x2026;<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#i">Fuvenalis Sat. 2.</hi></hi></hi> </quote>
        </cit><lb/>
        <p>Allein ich be&#x017F;orge, daß andere nicht &#x017F;o ho&#x0364;flich<lb/>
&#x017F;eyn werden. Es wird Leute geben, die &#x017F;a-<lb/>
gen werden: Es &#x017F;ey fal&#x017F;ch, daß man allemal&#x201E;<lb/>
ern&#x017F;thaft &#x017F;chreiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e: Eine Satyre ko&#x0364;n-&#x201E;<lb/>
ne auch be&#x017F;cheiden und glimpflich &#x017F;eyn: Eine&#x201E;<lb/>
lu&#x017F;tige Spo&#x0364;tterey richte oft mehr aus, als&#x201E;<lb/>
die ern&#x017F;thafte&#x017F;te Predigt. Es &#x017F;ey fal&#x017F;ch, daß&#x201E;<lb/>
alle, die Satyren &#x017F;chreiben, Leute von bo&#x0364;&#x017F;em&#x201E;<lb/>
Gemu&#x0364;the, und es &#x017F;ey eben kein untriegliches&#x201E;<lb/>
Zeichen einer &#x017F;onderbaren Weisheit, wenn&#x201E;<lb/>
man andern, die &#x017F;ich nicht nach un&#x017F;erm Kopfe&#x201E;<lb/>
richten wollen, vor der Fau&#x017F;t den Nahmen&#x201E;<lb/>
wei&#x017F;er Leute ab&#x017F;preche.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Jch habe mein Tage keine Satyre ge&#x017F;chrie-<note place="right">Ein jeder<lb/>
muß &#x017F;chrei-<lb/>
ben wie es<lb/>
&#x017F;ein Natu-<lb/>
rel mit-<lb/>
bringet.</note><lb/>
ben, und bin es auch noch nicht willens. Aber<lb/>
ich &#x017F;ehe nicht, womit man die&#x017F;e Leute widerle-<lb/>
gen ko&#x0364;nne; denn da &#x017F;ich die ern&#x017F;thaften, chri&#x017F;t-<lb/>
lichen und &#x017F;anftmu&#x0364;thigen Per&#x017F;onen, welche ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0365] (o) Satyren richte man nichts aus, und erbitte-„ re nur die Gemuͤther: Mit Glimpf und„ Sanftmuth komme man viel weiter: Die„ ſatyriſche Schreib-Art ſey ein Zeichen eines„ boͤſen Gemuͤths, und ſchicke ſich nicht vor ei„ nen wetſen Mann.” Hier ſchweigt er, und giebt mir Raum ſeine Weisheit zu bewundern und zu preiſen. Jch antworte ihm demnach mit aller Ernſthaftigkeit und nicht laͤchelnd: … Felicia tempora quæ te Moribus opponunt: habeat jam Roma pudorem, Tertius è cœlo cecidit Cato … Fuvenalis Sat. 2. Allein ich beſorge, daß andere nicht ſo hoͤflich ſeyn werden. Es wird Leute geben, die ſa- gen werden: Es ſey falſch, daß man allemal„ ernſthaft ſchreiben muͤſſe: Eine Satyre koͤn-„ ne auch beſcheiden und glimpflich ſeyn: Eine„ luſtige Spoͤtterey richte oft mehr aus, als„ die ernſthafteſte Predigt. Es ſey falſch, daß„ alle, die Satyren ſchreiben, Leute von boͤſem„ Gemuͤthe, und es ſey eben kein untriegliches„ Zeichen einer ſonderbaren Weisheit, wenn„ man andern, die ſich nicht nach unſerm Kopfe„ richten wollen, vor der Fauſt den Nahmen„ weiſer Leute abſpreche.„ Jch habe mein Tage keine Satyre geſchrie- ben, und bin es auch noch nicht willens. Aber ich ſehe nicht, womit man dieſe Leute widerle- gen koͤnne; denn da ſich die ernſthaften, chriſt- lichen und ſanftmuͤthigen Perſonen, welche ei- nen Ein jeder muß ſchrei- ben wie es ſein Natu- rel mit- bringet. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/365
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/365>, abgerufen am 07.05.2024.