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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
er der Obrigkeit ins Amt. Denn da es al-
lein der Obrigkeit zustehet die Verbrechen zu
bestrafen, und diejenigen, welche sie begangen,
mit Schande zu belegen, so kömmt ihr auch
einseitig die Macht zu, zu urtheilen, ob dieser
oder jener die auf die Missethaten gesetzte Stra-
fe und Schande verdiene. Derjenige, der sich
dieser Macht ungebührlich anmasset, beleidi-
get demnach seine Obrigkeit so wohl, als sei-
nen Nächsten. Jene, weil er ihr Eingrif
thut: Diesen, weil er demselben an Ehre, Gut,
ja oft an Leib und Leben zu schaden suchet. Die-
ses ist nun eine Bosheit, die in den Gesetzen
verboten ist, und wer sie in Schriften begehet,
der ist ein Pasqvillant, und der schärfsten Stra-
fe würdig.

Die Obrig-
keit sorget
vor den
ehrlichen
Nahmen
ihrer Un-
terthanen,
nicht aber
vor einen
höhern
Grad der
Ehre.

Aus dem, was ich gesagt habe, ersieht man
nun, was ein Pasquillant sey, und daß die O-
brigkeit vor den ehrlichen Nahmen ihrer Unter-
thanen sorge. Weiter bekümmert sie sich um die
Ehre derselben nicht. Dasjenige, was man
eigentlich Lob, Ehre und Ruhm nennet, ent-
springet, wie ich oben erwehnet, aus der Be-
obachtung der Regeln des Wohlstandes, und
der innerlichen Tugend, und also aus Thaten,
dazu uns die Obrigkeit durch die Gesetze nicht
verbindet. Denn die Obrigkeit wünschet
zwar, daß alle ihre Unterthanen so tugendhaft
seyn möchten, als es immer möglich ist: Allein
da sie durch ihre Macht diesen Wünschen kei-
nen Nachdruck geben kan, weil die Tugend
keinen Zwang leidet, so begnügt sie sich, durch

die

(o)
er der Obrigkeit ins Amt. Denn da es al-
lein der Obrigkeit zuſtehet die Verbrechen zu
beſtrafen, und diejenigen, welche ſie begangen,
mit Schande zu belegen, ſo koͤmmt ihr auch
einſeitig die Macht zu, zu urtheilen, ob dieſer
oder jener die auf die Miſſethaten geſetzte Stra-
fe und Schande verdiene. Derjenige, der ſich
dieſer Macht ungebuͤhrlich anmaſſet, beleidi-
get demnach ſeine Obrigkeit ſo wohl, als ſei-
nen Naͤchſten. Jene, weil er ihr Eingrif
thut: Dieſen, weil er demſelben an Ehre, Gut,
ja oft an Leib und Leben zu ſchaden ſuchet. Die-
ſes iſt nun eine Bosheit, die in den Geſetzen
verboten iſt, und wer ſie in Schriften begehet,
der iſt ein Pasqvillant, und der ſchaͤrfſten Stra-
fe wuͤrdig.

Die Obꝛig-
keit ſorget
vor den
ehrlichen
Nahmen
ihrer Un-
teꝛthanen,
nicht aber
vor einen
hoͤhern
Grad der
Ehre.

Aus dem, was ich geſagt habe, erſieht man
nun, was ein Pasquillant ſey, und daß die O-
brigkeit vor den ehrlichen Nahmen ihrer Unter-
thanen ſorge. Weiter bekuͤmmert ſie ſich um die
Ehre derſelben nicht. Dasjenige, was man
eigentlich Lob, Ehre und Ruhm nennet, ent-
ſpringet, wie ich oben erwehnet, aus der Be-
obachtung der Regeln des Wohlſtandes, und
der innerlichen Tugend, und alſo aus Thaten,
dazu uns die Obrigkeit durch die Geſetze nicht
verbindet. Denn die Obrigkeit wuͤnſchet
zwar, daß alle ihre Unterthanen ſo tugendhaft
ſeyn moͤchten, als es immer moͤglich iſt: Allein
da ſie durch ihre Macht dieſen Wuͤnſchen kei-
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[248/0340] (o) er der Obrigkeit ins Amt. Denn da es al- lein der Obrigkeit zuſtehet die Verbrechen zu beſtrafen, und diejenigen, welche ſie begangen, mit Schande zu belegen, ſo koͤmmt ihr auch einſeitig die Macht zu, zu urtheilen, ob dieſer oder jener die auf die Miſſethaten geſetzte Stra- fe und Schande verdiene. Derjenige, der ſich dieſer Macht ungebuͤhrlich anmaſſet, beleidi- get demnach ſeine Obrigkeit ſo wohl, als ſei- nen Naͤchſten. Jene, weil er ihr Eingrif thut: Dieſen, weil er demſelben an Ehre, Gut, ja oft an Leib und Leben zu ſchaden ſuchet. Die- ſes iſt nun eine Bosheit, die in den Geſetzen verboten iſt, und wer ſie in Schriften begehet, der iſt ein Pasqvillant, und der ſchaͤrfſten Stra- fe wuͤrdig. Aus dem, was ich geſagt habe, erſieht man nun, was ein Pasquillant ſey, und daß die O- brigkeit vor den ehrlichen Nahmen ihrer Unter- thanen ſorge. Weiter bekuͤmmert ſie ſich um die Ehre derſelben nicht. Dasjenige, was man eigentlich Lob, Ehre und Ruhm nennet, ent- ſpringet, wie ich oben erwehnet, aus der Be- obachtung der Regeln des Wohlſtandes, und der innerlichen Tugend, und alſo aus Thaten, dazu uns die Obrigkeit durch die Geſetze nicht verbindet. Denn die Obrigkeit wuͤnſchet zwar, daß alle ihre Unterthanen ſo tugendhaft ſeyn moͤchten, als es immer moͤglich iſt: Allein da ſie durch ihre Macht dieſen Wuͤnſchen kei- nen Nachdruck geben kan, weil die Tugend keinen Zwang leidet, ſo begnuͤgt ſie ſich, durch die

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/340>, abgerufen am 03.05.2024.