tigkeit zu beobachten, von dem sagt man, daß er nicht grund böse ist. Dieses Urtheil würcket nur den untersten Grad der Ehre, der in nichts, als einem Mangel der Schande bestehet, und eigentlich der ehrliche Nahme genennet werden kan. Wer aber weiter gehet, und nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob- achtet, und sich vor Thaten hütet, die äusserst böse sind, sondern noch darüber auch die Re- geln des Wohlstandes und der innerlichen Tu- gend nicht überschreitet, und durch tugend- hafte, und löbliche Verrichtungen andern ei- nen vortheilhaften Begrif von sich beybrin- get, der erlanget dasjenige Lob, welches die eigentliche Ehre ausmachet.
Wodurch sie ver- schertzet werde?
Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch äusserst böse, und wieder die Gerechtigkeit lauf- fende Thaten, mit einem Worte, durch straf- bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen worinn die eigentliche Ehre bestehet, wird durch Laster, die nicht bestrafet werden, und durch allerhand menschliche Fehler und Schwach- heiten verschertzet. Wer demnach einen an- dern strafbarer Verbrechen beschuldiget, oder ihm solche Titel beyleget, die überhaupt einen grundbösen und unehrlichen Menschen aus- drücken, der greift dessen ehrlichen Nahmen an.
Ob man ei- nen an sei- nem ehrli- chen Nah- men an- greifen dürfe, und
Die Frage ist: Ob dieses erlaubt sey? Man muß darauf mit Unterscheid antworten. Da dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß das Böse nicht ungestraft bleibe, so ist es nicht ver- boten, einen, der ein Verbrechen begangen
hat,
(o)
tigkeit zu beobachten, von dem ſagt man, daß er nicht grund boͤſe iſt. Dieſes Urtheil wuͤrcket nur den unterſten Grad der Ehre, der in nichts, als einem Mangel der Schande beſtehet, und eigentlich der ehrliche Nahme genennet werden kan. Wer aber weiter gehet, und nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob- achtet, und ſich vor Thaten huͤtet, die aͤuſſerſt boͤſe ſind, ſondern noch daruͤber auch die Re- geln des Wohlſtandes und der innerlichen Tu- gend nicht uͤberſchreitet, und durch tugend- hafte, und loͤbliche Verrichtungen andern ei- nen vortheilhaften Begrif von ſich beybrin- get, der erlanget dasjenige Lob, welches die eigentliche Ehre ausmachet.
Wodurch ſie ver- ſchertzet werde?
Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch aͤuſſerſt boͤſe, und wieder die Gerechtigkeit lauf- fende Thaten, mit einem Worte, durch ſtraf- bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen worinn die eigentliche Ehre beſtehet, wird durch Laſter, die nicht beſtrafet werden, und durch allerhand menſchliche Fehler und Schwach- heiten verſchertzet. Wer demnach einen an- dern ſtrafbarer Verbrechen beſchuldiget, oder ihm ſolche Titel beyleget, die uͤberhaupt einen grundboͤſen und unehrlichen Menſchen aus- druͤcken, der greift deſſen ehrlichen Nahmen an.
Ob man ei- nen an ſei- nem ehrli- chen Nah- men an- greifen duͤrfe, und
Die Frage iſt: Ob dieſes erlaubt ſey? Man muß darauf mit Unterſcheid antworten. Da dem gemeinen Weſen daran gelegen, daß das Boͤſe nicht ungeſtraft bleibe, ſo iſt es nicht ver- boten, einen, der ein Verbrechen begangen
hat,
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(o)
tigkeit zu beobachten, von dem ſagt man, daß
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als einem Mangel der Schande beſtehet, und
eigentlich der ehrliche Nahme genennet
werden kan. Wer aber weiter gehet, und
nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob-
achtet, und ſich vor Thaten huͤtet, die aͤuſſerſt
boͤſe ſind, ſondern noch daruͤber auch die Re-
geln des Wohlſtandes und der innerlichen Tu-
gend nicht uͤberſchreitet, und durch tugend-
hafte, und loͤbliche Verrichtungen andern ei-
nen vortheilhaften Begrif von ſich beybrin-
get, der erlanget dasjenige Lob, welches die
eigentliche Ehre ausmachet.
Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch
aͤuſſerſt boͤſe, und wieder die Gerechtigkeit lauf-
fende Thaten, mit einem Worte, durch ſtraf-
bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen
worinn die eigentliche Ehre beſtehet, wird durch
Laſter, die nicht beſtrafet werden, und durch
allerhand menſchliche Fehler und Schwach-
heiten verſchertzet. Wer demnach einen an-
dern ſtrafbarer Verbrechen beſchuldiget, oder
ihm ſolche Titel beyleget, die uͤberhaupt einen
grundboͤſen und unehrlichen Menſchen aus-
druͤcken, der greift deſſen ehrlichen Nahmen an.
Die Frage iſt: Ob dieſes erlaubt ſey? Man
muß darauf mit Unterſcheid antworten. Da
dem gemeinen Weſen daran gelegen, daß das
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boten, einen, der ein Verbrechen begangen
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/338>, abgerufen am 24.11.2024.
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