senkäuffer, aus dem Hintertheil eines Verses, von dessen Güte zu urtheilen wissen.
Was ich bisher gesagt, betrift nur die äusserliche Gestalt dieses wunderbaren Heldengedichts. Sieht man nun dasselbe nach seiner innerlichen Beschaffen- heit an, so muß man nothwendig in die äusserste Verwunderung gerathen.
Es ist eine gemeine Sage, Meine Herren, daß die Poeten nicht gemacht, sondern gebohren werden. Jch kan nicht leugnen, die Gedichte unterschiedener Poeten haben mir diese so gemeine Einbildung ver- dächtig gemacht: Aber durch das Heldengedicht des Herrn Prof. Philippi bin ich von dem Ungrund derselben völlig überführet worden. Man kan mit Händen greifen, Meine Herren, daß der Herr Prof. kein gebohrner Poete sey. Ein jeder Vers seines Heldengedichts zeiget von der grossen Gewalt, die Er seiner Natur anthun müssen, um diese Probe sei- ner Geschicklichkeit, und diesen Vorwurf unserer Bewunderung hervor zubringen Diese Erkännt- niß, Meine Herren, erhöhet die Begrife unendlich die wir schon von dem Herrn Philippi, und seinem ausserordentlichen Geiste haben. Wer muß nicht über den Fleiß, die Mühe, und das Nachsinnen erstaunen, die es dem Herrn Prof. Philippi geko- stet hat, sich eine Geschicklichkeit zu erwerben, wel- che die Natur, die sonst gegen Jhn so verschwende- risch gewesen, aus einem Eigensinn, den ich nicht begreifen kan, Jhm versaget hatte?
Auf diese Art ein Poete werden, ist weit rühmli- cher, als wenn man diese Eigenschaft einem natür-
lichen
(o)
ſenkaͤuffer, aus dem Hintertheil eines Verſes, von deſſen Guͤte zu urtheilen wiſſen.
Was ich bisher geſagt, betrift nur die aͤuſſerliche Geſtalt dieſes wunderbaren Heldengedichts. Sieht man nun daſſelbe nach ſeiner innerlichen Beſchaffen- heit an, ſo muß man nothwendig in die aͤuſſerſte Verwunderung gerathen.
Es iſt eine gemeine Sage, Meine Herren, daß die Poeten nicht gemacht, ſondern gebohren werden. Jch kan nicht leugnen, die Gedichte unterſchiedener Poeten haben mir dieſe ſo gemeine Einbildung ver- daͤchtig gemacht: Aber durch das Heldengedicht des Herrn Prof. Philippi bin ich von dem Ungrund derſelben voͤllig uͤberfuͤhret worden. Man kan mit Haͤnden greifen, Meine Herren, daß der Herr Prof. kein gebohrner Poete ſey. Ein jeder Vers ſeines Heldengedichts zeiget von der groſſen Gewalt, die Er ſeiner Natur anthun muͤſſen, um dieſe Probe ſei- ner Geſchicklichkeit, und dieſen Vorwurf unſerer Bewunderung hervor zubringen Dieſe Erkaͤnnt- niß, Meine Herren, erhoͤhet die Begrife unendlich die wir ſchon von dem Herrn Philippi, und ſeinem auſſerordentlichen Geiſte haben. Wer muß nicht uͤber den Fleiß, die Muͤhe, und das Nachſinnen erſtaunen, die es dem Herrn Prof. Philippi geko- ſtet hat, ſich eine Geſchicklichkeit zu erwerben, wel- che die Natur, die ſonſt gegen Jhn ſo verſchwende- riſch geweſen, aus einem Eigenſinn, den ich nicht begreifen kan, Jhm verſaget hatte?
Auf dieſe Art ein Poete werden, iſt weit ruͤhmli- cher, als wenn man dieſe Eigenſchaft einem natuͤr-
lichen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0283"n="191"/><fwplace="top"type="header">(<hirendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>ſenkaͤuffer, aus dem Hintertheil eines Verſes, von<lb/>
deſſen Guͤte zu urtheilen wiſſen.</p><lb/><p>Was ich bisher geſagt, betrift nur die aͤuſſerliche<lb/>
Geſtalt dieſes wunderbaren Heldengedichts. Sieht<lb/>
man nun daſſelbe nach ſeiner innerlichen Beſchaffen-<lb/>
heit an, ſo muß man nothwendig in die aͤuſſerſte<lb/>
Verwunderung gerathen.</p><lb/><p>Es iſt eine gemeine Sage, Meine Herren, daß<lb/>
die Poeten nicht gemacht, ſondern gebohren werden.<lb/>
Jch kan nicht leugnen, die Gedichte unterſchiedener<lb/>
Poeten haben mir dieſe ſo gemeine Einbildung ver-<lb/>
daͤchtig gemacht: Aber durch das Heldengedicht<lb/>
des Herrn Prof. Philippi bin ich von dem Ungrund<lb/>
derſelben voͤllig uͤberfuͤhret worden. Man kan mit<lb/>
Haͤnden greifen, Meine Herren, daß der Herr Prof.<lb/>
kein gebohrner Poete ſey. Ein jeder Vers ſeines<lb/>
Heldengedichts zeiget von der groſſen Gewalt, die<lb/>
Er ſeiner Natur anthun muͤſſen, um dieſe Probe ſei-<lb/>
ner Geſchicklichkeit, und dieſen Vorwurf unſerer<lb/>
Bewunderung hervor zubringen Dieſe Erkaͤnnt-<lb/>
niß, Meine Herren, erhoͤhet die Begrife unendlich<lb/>
die wir ſchon von dem Herrn Philippi, und ſeinem<lb/>
auſſerordentlichen Geiſte haben. Wer muß nicht<lb/>
uͤber den Fleiß, die Muͤhe, und das Nachſinnen<lb/>
erſtaunen, die es dem Herrn Prof. Philippi geko-<lb/>ſtet hat, ſich eine Geſchicklichkeit zu erwerben, wel-<lb/>
che die Natur, die ſonſt gegen Jhn ſo verſchwende-<lb/>
riſch geweſen, aus einem Eigenſinn, den ich nicht<lb/>
begreifen kan, Jhm verſaget hatte?</p><lb/><p>Auf dieſe Art ein Poete werden, iſt weit ruͤhmli-<lb/>
cher, als wenn man dieſe Eigenſchaft einem natuͤr-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lichen</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[191/0283]
(o)
ſenkaͤuffer, aus dem Hintertheil eines Verſes, von
deſſen Guͤte zu urtheilen wiſſen.
Was ich bisher geſagt, betrift nur die aͤuſſerliche
Geſtalt dieſes wunderbaren Heldengedichts. Sieht
man nun daſſelbe nach ſeiner innerlichen Beſchaffen-
heit an, ſo muß man nothwendig in die aͤuſſerſte
Verwunderung gerathen.
Es iſt eine gemeine Sage, Meine Herren, daß
die Poeten nicht gemacht, ſondern gebohren werden.
Jch kan nicht leugnen, die Gedichte unterſchiedener
Poeten haben mir dieſe ſo gemeine Einbildung ver-
daͤchtig gemacht: Aber durch das Heldengedicht
des Herrn Prof. Philippi bin ich von dem Ungrund
derſelben voͤllig uͤberfuͤhret worden. Man kan mit
Haͤnden greifen, Meine Herren, daß der Herr Prof.
kein gebohrner Poete ſey. Ein jeder Vers ſeines
Heldengedichts zeiget von der groſſen Gewalt, die
Er ſeiner Natur anthun muͤſſen, um dieſe Probe ſei-
ner Geſchicklichkeit, und dieſen Vorwurf unſerer
Bewunderung hervor zubringen Dieſe Erkaͤnnt-
niß, Meine Herren, erhoͤhet die Begrife unendlich
die wir ſchon von dem Herrn Philippi, und ſeinem
auſſerordentlichen Geiſte haben. Wer muß nicht
uͤber den Fleiß, die Muͤhe, und das Nachſinnen
erſtaunen, die es dem Herrn Prof. Philippi geko-
ſtet hat, ſich eine Geſchicklichkeit zu erwerben, wel-
che die Natur, die ſonſt gegen Jhn ſo verſchwende-
riſch geweſen, aus einem Eigenſinn, den ich nicht
begreifen kan, Jhm verſaget hatte?
Auf dieſe Art ein Poete werden, iſt weit ruͤhmli-
cher, als wenn man dieſe Eigenſchaft einem natuͤr-
lichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/283>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.