gelassene Vernunft des Redners. Jch finde hier deutliche Spuren einer Entzückung, und bin nicht vermögend weder in dem vorhergehenden, noch nach- folgenden etwas zu entdecken, woraus ich schliessen könnte, wie diese köstliche Stelle, natürlicher Wei- se, in diese Rede gekommen ist.
Aber o! wie unglücklich bin ich, daß ich so tiefe Gedancken, und so hohe Worte nicht, wie ich wünschte, völlig verstehen kan! Mein unerleuchte- ter Verstand findet hier nichts, als Dunckel und Finsterniß. Jch begreife nicht, was der Herr Prof. Philippi von der GOttes-Furcht haben will. Die Frage, so Er an dieses Flämmlein aus göttli- cher Flamme ergehen lässet, ist mir so dunckel, als die Antwort, die Er sich selbst ertheilet. Mich überfällt ein heiliger Schauer, wann ich von dem Steigen und Fallen des göttlichen Liebes-Feuers, und von dem beständigen Lauf-Feuer höre, und ich empfinde itzo, mit Verdruß, die Wahrheit eines Satzes, den ich ehedessen bey einem mystischen Scri- benten gelesen habe, daß, nemlich, wer die Sprache der Heiligen verstehen wolle, den Geist der Heiligen ha- ben müsse.
Jndessen, ob gleich meine natürliche Blindheit mir im Wege stehet, so hohe Geheimnisse zu ergrün- den, so zweifele ich doch im geringsten nicht, daß Sie, Meine Herren, dieselbe tiefer einsehen wer- den, als ich. Solten Sie aber, vielleicht, eben wie ich, nichts als Verwirrung und Dunckelheit in den beweglichen und zärtlichen Worten des Herrn Prof. Philippi finden: So hoffe ich doch, Sie werden denn auch darinn mit mir einer Mei-
nung
(o)
gelaſſene Vernunft des Redners. Jch finde hier deutliche Spuren einer Entzuͤckung, und bin nicht vermoͤgend weder in dem vorhergehenden, noch nach- folgenden etwas zu entdecken, woraus ich ſchlieſſen koͤnnte, wie dieſe koͤſtliche Stelle, natuͤrlicher Wei- ſe, in dieſe Rede gekommen iſt.
Aber o! wie ungluͤcklich bin ich, daß ich ſo tiefe Gedancken, und ſo hohe Worte nicht, wie ich wuͤnſchte, voͤllig verſtehen kan! Mein unerleuchte- ter Verſtand findet hier nichts, als Dunckel und Finſterniß. Jch begreife nicht, was der Herr Prof. Philippi von der GOttes-Furcht haben will. Die Frage, ſo Er an dieſes Flaͤmmlein aus goͤttli- cher Flamme ergehen laͤſſet, iſt mir ſo dunckel, als die Antwort, die Er ſich ſelbſt ertheilet. Mich uͤberfaͤllt ein heiliger Schauer, wann ich von dem Steigen und Fallen des goͤttlichen Liebes-Feuers, und von dem beſtaͤndigen Lauf-Feuer hoͤre, und ich empfinde itzo, mit Verdruß, die Wahrheit eines Satzes, den ich ehedeſſen bey einem myſtiſchen Scri- benten geleſen habe, daß, nemlich, wer die Sprache der Heiligen verſtehen wolle, den Geiſt der Heiligen ha- ben muͤſſe.
Jndeſſen, ob gleich meine natuͤrliche Blindheit mir im Wege ſtehet, ſo hohe Geheimniſſe zu ergruͤn- den, ſo zweifele ich doch im geringſten nicht, daß Sie, Meine Herren, dieſelbe tiefer einſehen wer- den, als ich. Solten Sie aber, vielleicht, eben wie ich, nichts als Verwirrung und Dunckelheit in den beweglichen und zaͤrtlichen Worten des Herrn Prof. Philippi finden: So hoffe ich doch, Sie werden denn auch darinn mit mir einer Mei-
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(o)
gelaſſene Vernunft des Redners. Jch finde hier
deutliche Spuren einer Entzuͤckung, und bin nicht
vermoͤgend weder in dem vorhergehenden, noch nach-
folgenden etwas zu entdecken, woraus ich ſchlieſſen
koͤnnte, wie dieſe koͤſtliche Stelle, natuͤrlicher Wei-
ſe, in dieſe Rede gekommen iſt.
Aber o! wie ungluͤcklich bin ich, daß ich ſo tiefe
Gedancken, und ſo hohe Worte nicht, wie ich
wuͤnſchte, voͤllig verſtehen kan! Mein unerleuchte-
ter Verſtand findet hier nichts, als Dunckel und
Finſterniß. Jch begreife nicht, was der Herr
Prof. Philippi von der GOttes-Furcht haben will.
Die Frage, ſo Er an dieſes Flaͤmmlein aus goͤttli-
cher Flamme ergehen laͤſſet, iſt mir ſo dunckel, als
die Antwort, die Er ſich ſelbſt ertheilet. Mich
uͤberfaͤllt ein heiliger Schauer, wann ich von dem
Steigen und Fallen des goͤttlichen Liebes-Feuers,
und von dem beſtaͤndigen Lauf-Feuer hoͤre, und ich
empfinde itzo, mit Verdruß, die Wahrheit eines
Satzes, den ich ehedeſſen bey einem myſtiſchen Scri-
benten geleſen habe, daß, nemlich, wer die Sprache der
Heiligen verſtehen wolle, den Geiſt der Heiligen ha-
ben muͤſſe.
Jndeſſen, ob gleich meine natuͤrliche Blindheit
mir im Wege ſtehet, ſo hohe Geheimniſſe zu ergruͤn-
den, ſo zweifele ich doch im geringſten nicht, daß
Sie, Meine Herren, dieſelbe tiefer einſehen wer-
den, als ich. Solten Sie aber, vielleicht, eben
wie ich, nichts als Verwirrung und Dunckelheit
in den beweglichen und zaͤrtlichen Worten des
Herrn Prof. Philippi finden: So hoffe ich doch,
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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/254>, abgerufen am 24.11.2024.
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