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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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Die Bauern schläfrig auf den Pferden hängen,
Still heimwärts kehrend vom gewohnten Pflug.
Aus Waldestiefen tönt es von Gesängen,
Und über ihnen schwimmt ein Kranichzug.
Mein Vaterland, könnt' ich in deinen Feldern
Nur einmal hören noch der Sense Schnitt,
Und durch das welke Laub in deinen Wäldern
Noch einmal rauschen hören meinen Schritt.


Abseits.


In einer Riesenstadt durchschritt ich jüngst
Die volkbelebteste der großen Straßen.
Und eine Stille kam, und, wunderbar,
In all' dem Schreien, Fluchen, Stoßen, Treiben,
Zog klar vorüber mir ein liebes Bild:
Ganz wie versteckt in Wald und Feld und Heide,
Von großen und von kleinen Städten fern,
Liegt unser Haus, vereinsamt und verloren
In eines alten Gartens stiller Welt.
Die Sonne schien auf kiesbedeckte Wege,
Und in den Bäumen war ein Maienleben.
Du gingst zur Seite mir, und Hand in Hand,
So standen endlich wir am lichten Rande
Der kleinen Hölzung. Vor uns schwieg die Landschaft.
Ein Läuten kam aus unsichtbarer Ferne.
Wie schön es war. Es zogen tiefe Schatten
Um uns, und fröhlich küßte deine Augen
Ein frischer Buchenzweig.

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Die Bauern ſchläfrig auf den Pferden hängen,
Still heimwärts kehrend vom gewohnten Pflug.
Aus Waldestiefen tönt es von Geſängen,
Und über ihnen ſchwimmt ein Kranichzug.
Mein Vaterland, könnt’ ich in deinen Feldern
Nur einmal hören noch der Senſe Schnitt,
Und durch das welke Laub in deinen Wäldern
Noch einmal rauſchen hören meinen Schritt.


Abſeits.


In einer Rieſenſtadt durchſchritt ich jüngſt
Die volkbelebteſte der großen Straßen.
Und eine Stille kam, und, wunderbar,
In all’ dem Schreien, Fluchen, Stoßen, Treiben,
Zog klar vorüber mir ein liebes Bild:
Ganz wie verſteckt in Wald und Feld und Heide,
Von großen und von kleinen Städten fern,
Liegt unſer Haus, vereinſamt und verloren
In eines alten Gartens ſtiller Welt.
Die Sonne ſchien auf kiesbedeckte Wege,
Und in den Bäumen war ein Maienleben.
Du gingſt zur Seite mir, und Hand in Hand,
So ſtanden endlich wir am lichten Rande
Der kleinen Hölzung. Vor uns ſchwieg die Landſchaft.
Ein Läuten kam aus unſichtbarer Ferne.
Wie ſchön es war. Es zogen tiefe Schatten
Um uns, und fröhlich küßte deine Augen
Ein friſcher Buchenzweig.

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[81/0089] Die Bauern ſchläfrig auf den Pferden hängen, Still heimwärts kehrend vom gewohnten Pflug. Aus Waldestiefen tönt es von Geſängen, Und über ihnen ſchwimmt ein Kranichzug. Mein Vaterland, könnt’ ich in deinen Feldern Nur einmal hören noch der Senſe Schnitt, Und durch das welke Laub in deinen Wäldern Noch einmal rauſchen hören meinen Schritt. Abſeits. In einer Rieſenſtadt durchſchritt ich jüngſt Die volkbelebteſte der großen Straßen. Und eine Stille kam, und, wunderbar, In all’ dem Schreien, Fluchen, Stoßen, Treiben, Zog klar vorüber mir ein liebes Bild: Ganz wie verſteckt in Wald und Feld und Heide, Von großen und von kleinen Städten fern, Liegt unſer Haus, vereinſamt und verloren In eines alten Gartens ſtiller Welt. Die Sonne ſchien auf kiesbedeckte Wege, Und in den Bäumen war ein Maienleben. Du gingſt zur Seite mir, und Hand in Hand, So ſtanden endlich wir am lichten Rande Der kleinen Hölzung. Vor uns ſchwieg die Landſchaft. Ein Läuten kam aus unſichtbarer Ferne. Wie ſchön es war. Es zogen tiefe Schatten Um uns, und fröhlich küßte deine Augen Ein friſcher Buchenzweig. 6

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/89>, abgerufen am 22.12.2024.