Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Kindel, mein Kutscher schlief draußen aus,
Wir fahren, ich bitt' dich, nun nach Haus.
Lacht sie, die schelmische Tänzerin,
Das wäre gar nicht nach ihrem Sinn.
Ließ ich mich weiter von ihr bestricken,
Mußte den Kutscher zum Kuckuck schicken.
Doch als der Morgen in Saal und Ecken,
Führt' ich am Arm sie durch Schlehdornhecken.
Kurz ist der Frühling.
War so ein süßes, verliebtes Ding,
Noch ohne Schmuck und noch ohne Ring.
Freute sich kindisch über ein Band,
Über ein Kettchen und allerlei Tand.
Tranken zusammen die Chokolade,
Besahen uns dann die Wachtparade,
Kaufte zum Hut ihr eine Feder,
Schenkt' ihr Handschuh von feinstem Leder.
Kurz ist der Frühling.
Wohnten im hübschen Vorstadthaus,
Fern vom Markt und vom Straßengebraus.
Schaut in die Welt ihr Auge braun,
Ging ihre Welt bis zum Gartenzaun.
War so gefällig, war so bescheiden,
Dacht' ich nimmer an Scheiden und Meiden.
Doch als der Sommer kam in die Lande,
Trennten sich unsere Liebesbande.
Kurz ist der Frühling.


Kindel, mein Kutſcher ſchlief draußen aus,
Wir fahren, ich bitt’ dich, nun nach Haus.
Lacht ſie, die ſchelmiſche Tänzerin,
Das wäre gar nicht nach ihrem Sinn.
Ließ ich mich weiter von ihr beſtricken,
Mußte den Kutſcher zum Kuckuck ſchicken.
Doch als der Morgen in Saal und Ecken,
Führt’ ich am Arm ſie durch Schlehdornhecken.
Kurz iſt der Frühling.
War ſo ein ſüßes, verliebtes Ding,
Noch ohne Schmuck und noch ohne Ring.
Freute ſich kindiſch über ein Band,
Über ein Kettchen und allerlei Tand.
Tranken zuſammen die Chokolade,
Beſahen uns dann die Wachtparade,
Kaufte zum Hut ihr eine Feder,
Schenkt’ ihr Handſchuh von feinſtem Leder.
Kurz iſt der Frühling.
Wohnten im hübſchen Vorſtadthaus,
Fern vom Markt und vom Straßengebraus.
Schaut in die Welt ihr Auge braun,
Ging ihre Welt bis zum Gartenzaun.
War ſo gefällig, war ſo beſcheiden,
Dacht’ ich nimmer an Scheiden und Meiden.
Doch als der Sommer kam in die Lande,
Trennten ſich unſere Liebesbande.
Kurz iſt der Frühling.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0072" n="64"/>
          <lg n="3">
            <l>Kindel, mein Kut&#x017F;cher &#x017F;chlief draußen aus,</l><lb/>
            <l>Wir fahren, ich bitt&#x2019; dich, nun nach Haus.</l><lb/>
            <l>Lacht &#x017F;ie, die &#x017F;chelmi&#x017F;che Tänzerin,</l><lb/>
            <l>Das wäre gar nicht nach ihrem Sinn.</l><lb/>
            <l>Ließ ich mich weiter von ihr be&#x017F;tricken,</l><lb/>
            <l>Mußte den Kut&#x017F;cher zum Kuckuck &#x017F;chicken.</l><lb/>
            <l>Doch als der Morgen in Saal und Ecken,</l><lb/>
            <l>Führt&#x2019; ich am Arm &#x017F;ie durch Schlehdornhecken.</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Kurz</hi> i&#x017F;t der Frühling.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>War &#x017F;o ein &#x017F;üßes, verliebtes Ding,</l><lb/>
            <l>Noch ohne Schmuck und noch ohne Ring.</l><lb/>
            <l>Freute &#x017F;ich kindi&#x017F;ch über ein Band,</l><lb/>
            <l>Über ein Kettchen und allerlei Tand.</l><lb/>
            <l>Tranken zu&#x017F;ammen die Chokolade,</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;ahen uns dann die Wachtparade,</l><lb/>
            <l>Kaufte zum Hut ihr eine Feder,</l><lb/>
            <l>Schenkt&#x2019; ihr Hand&#x017F;chuh von fein&#x017F;tem Leder.</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Kurz</hi> i&#x017F;t der Frühling.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Wohnten im hüb&#x017F;chen Vor&#x017F;tadthaus,</l><lb/>
            <l>Fern vom Markt und vom Straßengebraus.</l><lb/>
            <l>Schaut in die Welt ihr Auge braun,</l><lb/>
            <l>Ging ihre Welt bis zum Gartenzaun.</l><lb/>
            <l>War &#x017F;o gefällig, war &#x017F;o be&#x017F;cheiden,</l><lb/>
            <l>Dacht&#x2019; ich nimmer an Scheiden und Meiden.</l><lb/>
            <l>Doch als der Sommer kam in die Lande,</l><lb/>
            <l>Trennten &#x017F;ich un&#x017F;ere Liebesbande.</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Kurz</hi> i&#x017F;t der Frühling.</hi> </l>
          </lg>
        </lg>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0072] Kindel, mein Kutſcher ſchlief draußen aus, Wir fahren, ich bitt’ dich, nun nach Haus. Lacht ſie, die ſchelmiſche Tänzerin, Das wäre gar nicht nach ihrem Sinn. Ließ ich mich weiter von ihr beſtricken, Mußte den Kutſcher zum Kuckuck ſchicken. Doch als der Morgen in Saal und Ecken, Führt’ ich am Arm ſie durch Schlehdornhecken. Kurz iſt der Frühling. War ſo ein ſüßes, verliebtes Ding, Noch ohne Schmuck und noch ohne Ring. Freute ſich kindiſch über ein Band, Über ein Kettchen und allerlei Tand. Tranken zuſammen die Chokolade, Beſahen uns dann die Wachtparade, Kaufte zum Hut ihr eine Feder, Schenkt’ ihr Handſchuh von feinſtem Leder. Kurz iſt der Frühling. Wohnten im hübſchen Vorſtadthaus, Fern vom Markt und vom Straßengebraus. Schaut in die Welt ihr Auge braun, Ging ihre Welt bis zum Gartenzaun. War ſo gefällig, war ſo beſcheiden, Dacht’ ich nimmer an Scheiden und Meiden. Doch als der Sommer kam in die Lande, Trennten ſich unſere Liebesbande. Kurz iſt der Frühling.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/72
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/72>, abgerufen am 26.04.2024.