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Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

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Ein Jeder sucht von Dissonanzen,
Die selbst den hellsten Tag verschnein,
Bei Tagesschluß sich zu befrein.
In Spanien durch Fandangotanzen,
Wir sitzen hinter Flaschenschanzen.
Auch ist's behaglich, wenn Lakaien
Recht warme Schüsseln vor uns setzen,
Und wir den Braten dann zerfetzen,
In Honolulu mit den Nägeln,
Wir nach bekannten Anstandsregeln.
Ich lobe mir die Tafelfreuden,
Wenn nicht zuviel wir d'ran vergeuden,
Als angenehmste Zeit am Tage,
Vergessen Schema F und Plage.
Doch mehr Genüsse giebt es noch
Nach Lebenslast und Tagesjoch.
Zum Beispiel der Natur sich freuen,
Und sich im Wandern zu zerstreuen.
So fand ich heut, ich weiß nicht wie,
Vielleicht auf meiner Baronie,
Auf einer Wiese weit und breit
Die stille Blume Einsamkeit.
Zwei braune Kühe rupften dort,
Ein Flüßchen schwatzte fort und fort,
Und aus den Buchen an der Heide,
Zwar Walter von der Vogelweide
Sagt Linden, sang die Nachtigall
Tandaradei!
Und stiller ward es rings umher.
Ich streckte mich ins junge Gras,
Und dachte dieses, dachte das.
Die Kühe lagen, wiederkäuend,
Sich schon auf neue Kräuter freuend.

Ein Jeder ſucht von Diſſonanzen,
Die ſelbſt den hellſten Tag verſchnein,
Bei Tagesſchluß ſich zu befrein.
In Spanien durch Fandangotanzen,
Wir ſitzen hinter Flaſchenſchanzen.
Auch iſt’s behaglich, wenn Lakaien
Recht warme Schüſſeln vor uns ſetzen,
Und wir den Braten dann zerfetzen,
In Honolulu mit den Nägeln,
Wir nach bekannten Anſtandsregeln.
Ich lobe mir die Tafelfreuden,
Wenn nicht zuviel wir d’ran vergeuden,
Als angenehmſte Zeit am Tage,
Vergeſſen Schema F und Plage.
Doch mehr Genüſſe giebt es noch
Nach Lebenslaſt und Tagesjoch.
Zum Beiſpiel der Natur ſich freuen,
Und ſich im Wandern zu zerſtreuen.
So fand ich heut, ich weiß nicht wie,
Vielleicht auf meiner Baronie,
Auf einer Wieſe weit und breit
Die ſtille Blume Einſamkeit.
Zwei braune Kühe rupften dort,
Ein Flüßchen ſchwatzte fort und fort,
Und aus den Buchen an der Heide,
Zwar Walter von der Vogelweide
Sagt Linden, ſang die Nachtigall
Tandaradei!
Und ſtiller ward es rings umher.
Ich ſtreckte mich ins junge Gras,
Und dachte dieſes, dachte das.
Die Kühe lagen, wiederkäuend,
Sich ſchon auf neue Kräuter freuend.

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[56/0064] Ein Jeder ſucht von Diſſonanzen, Die ſelbſt den hellſten Tag verſchnein, Bei Tagesſchluß ſich zu befrein. In Spanien durch Fandangotanzen, Wir ſitzen hinter Flaſchenſchanzen. Auch iſt’s behaglich, wenn Lakaien Recht warme Schüſſeln vor uns ſetzen, Und wir den Braten dann zerfetzen, In Honolulu mit den Nägeln, Wir nach bekannten Anſtandsregeln. Ich lobe mir die Tafelfreuden, Wenn nicht zuviel wir d’ran vergeuden, Als angenehmſte Zeit am Tage, Vergeſſen Schema F und Plage. Doch mehr Genüſſe giebt es noch Nach Lebenslaſt und Tagesjoch. Zum Beiſpiel der Natur ſich freuen, Und ſich im Wandern zu zerſtreuen. So fand ich heut, ich weiß nicht wie, Vielleicht auf meiner Baronie, Auf einer Wieſe weit und breit Die ſtille Blume Einſamkeit. Zwei braune Kühe rupften dort, Ein Flüßchen ſchwatzte fort und fort, Und aus den Buchen an der Heide, Zwar Walter von der Vogelweide Sagt Linden, ſang die Nachtigall Tandaradei! Und ſtiller ward es rings umher. Ich ſtreckte mich ins junge Gras, Und dachte dieſes, dachte das. Die Kühe lagen, wiederkäuend, Sich ſchon auf neue Kräuter freuend.

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Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/64>, abgerufen am 28.03.2024.