Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Es schleicht die Sommernacht auf Katzenpfoten. Des Schlosses Lichter alle sind gelöscht. Der Herr des Hauses schläft in seinem Zimmer, Und atmet regelmäßig, ruhig weiter. Ganz leise, leise, leise geht die Thür, Und seine Frau, im weißen Nachtgewand, Setzt vorsichtig ein Lämpchen auf den Tisch, Und dämpft den Schein durch vorgestellten Schirm. Dann sitzt sie bald am Rande seines Bettes, Und lauscht, und schaut auf die geschlossenen Lider. Im gleichen Tonfall, langsam jedes Wort, Spricht sie zu ihm, dess' Brust sich hebt und senkt, Und hebt und senkt, hebt -- senkt, und hebt und senkt: "Rudolf." Kamilla? "Wie war heut die Jagd?" Und er, als spräch' er wachend, klar und deutlich: Die Jagd, Kamilla? Nun, was soll die Jagd? Ich war am Waldesrand bei meinem Sohn. Schwamm ihr ein breiter Blutstrom vor den Augen? Fiel dann der Schnee so dicht, so dicht herab? Sie preßt die Hand auf's Herz so fest, so fest -- Und wieder fragt im selben Tone sie: "Rudolf." Kamilla? "Und wie heißt dein Sohn?" Ich gab ihm meinen eignen Namen: Rudolf. "Rudolf." Kamilla? "Und wie heißt die Mutter?" Die Mutter starb, als sie den kleinen Kerl In meine Arme selig mir gelegt. Unruhig wird der ruhig Schlafende. Doch sie mit ihren stillen grauen Augen Bannt ihn, daß seine Atemzüge bald In gleichen Zwischenräumen wieder ehren. Es ſchleicht die Sommernacht auf Katzenpfoten. Des Schloſſes Lichter alle ſind gelöſcht. Der Herr des Hauſes ſchläft in ſeinem Zimmer, Und atmet regelmäßig, ruhig weiter. Ganz leiſe, leiſe, leiſe geht die Thür, Und ſeine Frau, im weißen Nachtgewand, Setzt vorſichtig ein Lämpchen auf den Tiſch, Und dämpft den Schein durch vorgeſtellten Schirm. Dann ſitzt ſie bald am Rande ſeines Bettes, Und lauſcht, und ſchaut auf die geſchloſſenen Lider. Im gleichen Tonfall, langſam jedes Wort, Spricht ſie zu ihm, deſſ’ Bruſt ſich hebt und ſenkt, Und hebt und ſenkt, hebt — ſenkt, und hebt und ſenkt: „Rudolf.“ Kamilla? „Wie war heut die Jagd?“ Und er, als ſpräch’ er wachend, klar und deutlich: Die Jagd, Kamilla? Nun, was ſoll die Jagd? Ich war am Waldesrand bei meinem Sohn. Schwamm ihr ein breiter Blutſtrom vor den Augen? Fiel dann der Schnee ſo dicht, ſo dicht herab? Sie preßt die Hand auf’s Herz ſo feſt, ſo feſt — Und wieder fragt im ſelben Tone ſie: „Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt dein Sohn?“ Ich gab ihm meinen eignen Namen: Rudolf. „Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt die Mutter?“ Die Mutter ſtarb, als ſie den kleinen Kerl In meine Arme ſelig mir gelegt. Unruhig wird der ruhig Schlafende. Doch ſie mit ihren ſtillen grauen Augen Bannt ihn, daß ſeine Atemzüge bald In gleichen Zwiſchenräumen wieder ehren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0136" n="128"/> <lg n="12"> <l>Es ſchleicht die Sommernacht auf Katzenpfoten.</l><lb/> <l>Des Schloſſes Lichter alle ſind gelöſcht.</l><lb/> <l>Der Herr des Hauſes ſchläft in ſeinem Zimmer,</l><lb/> <l>Und atmet regelmäßig, ruhig weiter.</l><lb/> <l>Ganz leiſe, leiſe, leiſe geht die Thür,</l><lb/> <l>Und ſeine Frau, im weißen Nachtgewand,</l><lb/> <l>Setzt vorſichtig ein Lämpchen auf den Tiſch,</l><lb/> <l>Und dämpft den Schein durch vorgeſtellten Schirm.</l><lb/> <l>Dann ſitzt ſie bald am Rande ſeines Bettes,</l><lb/> <l>Und lauſcht, und ſchaut auf die geſchloſſenen Lider.</l><lb/> <l>Im gleichen Tonfall, langſam jedes Wort,</l><lb/> <l>Spricht ſie zu ihm, deſſ’ Bruſt ſich hebt und ſenkt,</l><lb/> <l>Und hebt und ſenkt, hebt — ſenkt, und hebt und ſenkt:</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>„Rudolf.“ Kamilla? „Wie war heut die Jagd?“</l><lb/> <l>Und er, als ſpräch’ er wachend, klar und deutlich:</l><lb/> <l>Die Jagd, Kamilla? Nun, was ſoll die Jagd?</l><lb/> <l>Ich war am Waldesrand bei meinem Sohn.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Schwamm ihr ein breiter Blutſtrom vor den Augen?</l><lb/> <l>Fiel dann der Schnee ſo dicht, ſo dicht herab?</l><lb/> <l>Sie preßt die Hand auf’s Herz ſo feſt, ſo feſt —</l><lb/> <l>Und wieder fragt im ſelben Tone ſie:</l> </lg><lb/> <lg n="15"> <l>„Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt dein Sohn?“</l><lb/> <l>Ich gab ihm meinen eignen Namen: Rudolf.</l><lb/> <l>„Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt die Mutter?“</l><lb/> <l>Die Mutter ſtarb, als ſie den kleinen Kerl</l><lb/> <l>In meine Arme ſelig mir gelegt.</l> </lg><lb/> <lg n="16"> <l>Unruhig wird der ruhig Schlafende.</l><lb/> <l>Doch ſie mit ihren ſtillen grauen Augen</l><lb/> <l>Bannt ihn, daß ſeine Atemzüge bald</l><lb/> <l>In gleichen Zwiſchenräumen wieder ehren.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [128/0136]
Es ſchleicht die Sommernacht auf Katzenpfoten.
Des Schloſſes Lichter alle ſind gelöſcht.
Der Herr des Hauſes ſchläft in ſeinem Zimmer,
Und atmet regelmäßig, ruhig weiter.
Ganz leiſe, leiſe, leiſe geht die Thür,
Und ſeine Frau, im weißen Nachtgewand,
Setzt vorſichtig ein Lämpchen auf den Tiſch,
Und dämpft den Schein durch vorgeſtellten Schirm.
Dann ſitzt ſie bald am Rande ſeines Bettes,
Und lauſcht, und ſchaut auf die geſchloſſenen Lider.
Im gleichen Tonfall, langſam jedes Wort,
Spricht ſie zu ihm, deſſ’ Bruſt ſich hebt und ſenkt,
Und hebt und ſenkt, hebt — ſenkt, und hebt und ſenkt:
„Rudolf.“ Kamilla? „Wie war heut die Jagd?“
Und er, als ſpräch’ er wachend, klar und deutlich:
Die Jagd, Kamilla? Nun, was ſoll die Jagd?
Ich war am Waldesrand bei meinem Sohn.
Schwamm ihr ein breiter Blutſtrom vor den Augen?
Fiel dann der Schnee ſo dicht, ſo dicht herab?
Sie preßt die Hand auf’s Herz ſo feſt, ſo feſt —
Und wieder fragt im ſelben Tone ſie:
„Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt dein Sohn?“
Ich gab ihm meinen eignen Namen: Rudolf.
„Rudolf.“ Kamilla? „Und wie heißt die Mutter?“
Die Mutter ſtarb, als ſie den kleinen Kerl
In meine Arme ſelig mir gelegt.
Unruhig wird der ruhig Schlafende.
Doch ſie mit ihren ſtillen grauen Augen
Bannt ihn, daß ſeine Atemzüge bald
In gleichen Zwiſchenräumen wieder ehren.
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