Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].Die Thür des Schlosses öffnet ihre Flügel. Und tiefgebeugter Dienerschaft vorüber Betritt, des linken Handschuh Knöpfe schließend, Ein großer Mann mit kurzem, braunem Vollbart, Die Marmortreppe, steht, und steigt hinunter. Die Haare deckt ein alter grauer Filz, Geschmückt mit unscheinbarer Sperberfeder. Gewehr und Tasche liegen schon im Sitz. Der Hühnerhund springt bellend auf die Polster. Und fort, als gält' es eine Siegesbotschaft, Entstürmt dem Halt in Hast der Viererzug. Dem Jäger schaut vom hohen Fenster nach Ein stolzes, blasses, üppig großes Weib: "Wenn ich nur wüßte, was ihn immer drängt, Auf jener magern Heidewelt zu jagen. Wenn einmal nur er fragte: Willst du mit?" Und traurig läßt sie sich im Sessel nieder, Die stillen Augen mit den Händen deckend. Doch keine Thräne tropft ihr von der Wimper. Indessen rollt der Wagen seinen Weg, Und rollt und rollt drei Stunden durch die Felder Im immer gleichen, schlanken, schnellen Trab. Und Nord und Süd, so weit das Auge reicht, Und West und Ost in unbegrenzter Ferne, Gehört dem Jäger, der im Wagen sitzt, Und freundlich rechts und links den Bauern dankt, Wenn ehrerbietig sie die Mützen rücken. Vor einem Heidkrug hält das Viergespann. Die Büchse umgehangen, schlendert nun Allein der Jäger durch das braune Kraut. Feldmann hat Hühner in der Nase, steht. Doch hinter ihm blitzt kein Gewehr heran. Die Thür des Schloſſes öffnet ihre Flügel. Und tiefgebeugter Dienerſchaft vorüber Betritt, des linken Handſchuh Knöpfe ſchließend, Ein großer Mann mit kurzem, braunem Vollbart, Die Marmortreppe, ſteht, und ſteigt hinunter. Die Haare deckt ein alter grauer Filz, Geſchmückt mit unſcheinbarer Sperberfeder. Gewehr und Taſche liegen ſchon im Sitz. Der Hühnerhund ſpringt bellend auf die Polſter. Und fort, als gält’ es eine Siegesbotſchaft, Entſtürmt dem Halt in Haſt der Viererzug. Dem Jäger ſchaut vom hohen Fenſter nach Ein ſtolzes, blaſſes, üppig großes Weib: „Wenn ich nur wüßte, was ihn immer drängt, Auf jener magern Heidewelt zu jagen. Wenn einmal nur er fragte: Willſt du mit?“ Und traurig läßt ſie ſich im Seſſel nieder, Die ſtillen Augen mit den Händen deckend. Doch keine Thräne tropft ihr von der Wimper. Indeſſen rollt der Wagen ſeinen Weg, Und rollt und rollt drei Stunden durch die Felder Im immer gleichen, ſchlanken, ſchnellen Trab. Und Nord und Süd, ſo weit das Auge reicht, Und Weſt und Oſt in unbegrenzter Ferne, Gehört dem Jäger, der im Wagen ſitzt, Und freundlich rechts und links den Bauern dankt, Wenn ehrerbietig ſie die Mützen rücken. Vor einem Heidkrug hält das Viergeſpann. Die Büchſe umgehangen, ſchlendert nun Allein der Jäger durch das braune Kraut. Feldmann hat Hühner in der Naſe, ſteht. Doch hinter ihm blitzt kein Gewehr heran. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0134" n="126"/> <lg n="2"> <l>Die Thür des Schloſſes öffnet ihre Flügel.</l><lb/> <l>Und tiefgebeugter Dienerſchaft vorüber</l><lb/> <l>Betritt, des linken Handſchuh Knöpfe ſchließend,</l><lb/> <l>Ein großer Mann mit kurzem, braunem Vollbart,</l><lb/> <l>Die Marmortreppe, ſteht, und ſteigt hinunter.</l><lb/> <l>Die Haare deckt ein alter grauer Filz,</l><lb/> <l>Geſchmückt mit unſcheinbarer Sperberfeder.</l><lb/> <l>Gewehr und Taſche liegen ſchon im Sitz.</l><lb/> <l>Der Hühnerhund ſpringt bellend auf die Polſter.</l><lb/> <l>Und fort, als gält’ es eine Siegesbotſchaft,</l><lb/> <l>Entſtürmt dem Halt in Haſt der Viererzug.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Dem Jäger ſchaut vom hohen Fenſter nach</l><lb/> <l>Ein ſtolzes, blaſſes, üppig großes Weib:</l><lb/> <l>„Wenn ich nur wüßte, was ihn immer drängt,</l><lb/> <l>Auf jener magern Heidewelt zu jagen.</l><lb/> <l>Wenn einmal nur er fragte: Willſt du mit?“</l><lb/> <l>Und traurig läßt ſie ſich im Seſſel nieder,</l><lb/> <l>Die ſtillen Augen mit den Händen deckend.</l><lb/> <l>Doch keine Thräne tropft ihr von der Wimper.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Indeſſen rollt der Wagen ſeinen Weg,</l><lb/> <l>Und rollt und rollt drei Stunden durch die Felder</l><lb/> <l>Im immer gleichen, ſchlanken, ſchnellen Trab.</l><lb/> <l>Und Nord und Süd, ſo weit das Auge reicht,</l><lb/> <l>Und Weſt und Oſt in unbegrenzter Ferne,</l><lb/> <l>Gehört dem Jäger, der im Wagen ſitzt,</l><lb/> <l>Und freundlich rechts und links den Bauern dankt,</l><lb/> <l>Wenn ehrerbietig ſie die Mützen rücken.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Vor einem Heidkrug hält das Viergeſpann.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Die Büchſe umgehangen, ſchlendert nun</l><lb/> <l>Allein der Jäger durch das braune Kraut.</l><lb/> <l>Feldmann hat Hühner in der Naſe, ſteht.</l><lb/> <l>Doch hinter ihm blitzt kein Gewehr heran.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [126/0134]
Die Thür des Schloſſes öffnet ihre Flügel.
Und tiefgebeugter Dienerſchaft vorüber
Betritt, des linken Handſchuh Knöpfe ſchließend,
Ein großer Mann mit kurzem, braunem Vollbart,
Die Marmortreppe, ſteht, und ſteigt hinunter.
Die Haare deckt ein alter grauer Filz,
Geſchmückt mit unſcheinbarer Sperberfeder.
Gewehr und Taſche liegen ſchon im Sitz.
Der Hühnerhund ſpringt bellend auf die Polſter.
Und fort, als gält’ es eine Siegesbotſchaft,
Entſtürmt dem Halt in Haſt der Viererzug.
Dem Jäger ſchaut vom hohen Fenſter nach
Ein ſtolzes, blaſſes, üppig großes Weib:
„Wenn ich nur wüßte, was ihn immer drängt,
Auf jener magern Heidewelt zu jagen.
Wenn einmal nur er fragte: Willſt du mit?“
Und traurig läßt ſie ſich im Seſſel nieder,
Die ſtillen Augen mit den Händen deckend.
Doch keine Thräne tropft ihr von der Wimper.
Indeſſen rollt der Wagen ſeinen Weg,
Und rollt und rollt drei Stunden durch die Felder
Im immer gleichen, ſchlanken, ſchnellen Trab.
Und Nord und Süd, ſo weit das Auge reicht,
Und Weſt und Oſt in unbegrenzter Ferne,
Gehört dem Jäger, der im Wagen ſitzt,
Und freundlich rechts und links den Bauern dankt,
Wenn ehrerbietig ſie die Mützen rücken.
Vor einem Heidkrug hält das Viergeſpann.
Die Büchſe umgehangen, ſchlendert nun
Allein der Jäger durch das braune Kraut.
Feldmann hat Hühner in der Naſe, ſteht.
Doch hinter ihm blitzt kein Gewehr heran.
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