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Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.

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jener Staatsstümper entschlüpft, die sich "Staatsmänner" zu
tituliren lieben, und das scheinbar unbedeutendste untoward event
(unvorhergesehener Zwischenfall) genügt, sämmtliche Zirkel der ban-
krouten Diplomatie zu zerstören und die Welt in das Chaos zu
schleudern.

Möglich, daß die Katastrophe vertagt wird. Möglich, daß sie in
nächster Zeit hereinbricht.

Ob früher, ob später -- sie ist unabwendbar, und mit einem
europäischen Krieg wird es schwerlich gethan sein.

Aus dem Schooße des Choas aber ringt sich der Kosmos, die
harmonische Ordnung hervor.

Die Shampowers -- um einen Carlyle'schen Ausdruck zu
gebrauchen, -- welche sich auf den Trümmern des alten Europa breit
machen, die falschen Scheinmächte, gegründet auf Eisen -- nicht dem
Eisen der Pflugschaar, sondern dem des menschenmordenden Schwerts --
zusammengeleimt mit Blut, mit Menschenblut, lebend von der
Lüge, aus der Hand in den Mund -- sie werden an ihrer Lüge,
an ihrem "Blut und Eisen" zu Grunde gehn; und auf dem Fundament
der Gerechtigkeit wird ein neues, internationales Staaten-
system
erstehen.

Das wiederhergestellte Polen ist ein Glied in diesem
System, ein unentbehrlicher Theil des Europa der Zukunft.

Heiße Kämpfe wird's kosten.

Wer kennt nicht das herrliche Gedicht Freiligrath's: "Die
Schlacht am Birkenbaum?" Dichter sind Seher, und ein Seher
ist's, der "am Waldbrand auf der Haar" das "Gesicht" hatte:

Jch sah hinab und ich sah genau --
Da schwammen die Aecker in Blut,
Da hing's an den Aehren wie rother Thau,
Und der Himmel war Eine Gluth!
Um die Höfe sah ich die Flamme wehen,
Und die Dörfer brannten wie dürres Gras;
Es war, als hätt' ich die Welt gesehen
Durch Höhrauch oder durch farbig Glas:
Und zwei Heere, zahllos wie Blätter im Busch,
Hieben wild auf einander ein;
Das eine, mit hellem Trompetentusch,
Zog heran in der Richtung vom Rhein.
Das waren die Völker des Westens, die Freien!
Bis zum Haarweg scholl ihrer Pferde Gewieh'r,
Und voraus flog ihren unendlichen Reihen
Jm Rauche des Pulvers ein roth Panier!

jener Staatsſtümper entſchlüpft, die ſich „Staatsmänner‟ zu
tituliren lieben, und das ſcheinbar unbedeutendſte untoward event
(unvorhergeſehener Zwiſchenfall) genügt, ſämmtliche Zirkel der ban-
krouten Diplomatie zu zerſtören und die Welt in das Chaos zu
ſchleudern.

Möglich, daß die Kataſtrophe vertagt wird. Möglich, daß ſie in
nächſter Zeit hereinbricht.

Ob früher, ob ſpäter — ſie iſt unabwendbar, und mit einem
europäiſchen Krieg wird es ſchwerlich gethan ſein.

Aus dem Schooße des Choas aber ringt ſich der Kosmos, die
harmoniſche Ordnung hervor.

Die Shampowers — um einen Carlyle’ſchen Ausdruck zu
gebrauchen, — welche ſich auf den Trümmern des alten Europa breit
machen, die falſchen Scheinmächte, gegründet auf Eiſen — nicht dem
Eiſen der Pflugſchaar, ſondern dem des menſchenmordenden Schwerts —
zuſammengeleimt mit Blut, mit Menſchenblut, lebend von der
Lüge, aus der Hand in den Mund — ſie werden an ihrer Lüge,
an ihrem „Blut und Eiſen‟ zu Grunde gehn; und auf dem Fundament
der Gerechtigkeit wird ein neues, internationales Staaten-
ſyſtem
erſtehen.

Das wiederhergeſtellte Polen iſt ein Glied in dieſem
Syſtem, ein unentbehrlicher Theil des Europa der Zukunft.

Heiße Kämpfe wird’s koſten.

Wer kennt nicht das herrliche Gedicht Freiligrath’s: „Die
Schlacht am Birkenbaum?‟ Dichter ſind Seher, und ein Seher
iſt’s, der „am Waldbrand auf der Haar‟ das „Geſicht‟ hatte:

Jch ſah hinab und ich ſah genau —
Da ſchwammen die Aecker in Blut,
Da hing’s an den Aehren wie rother Thau,
Und der Himmel war Eine Gluth!
Um die Höfe ſah ich die Flamme wehen,
Und die Dörfer brannten wie dürres Gras;
Es war, als hätt’ ich die Welt geſehen
Durch Höhrauch oder durch farbig Glas:
Und zwei Heere, zahllos wie Blätter im Buſch,
Hieben wild auf einander ein;
Das eine, mit hellem Trompetentuſch,
Zog heran in der Richtung vom Rhein.
Das waren die Völker des Weſtens, die Freien!
Bis zum Haarweg ſcholl ihrer Pferde Gewieh’r,
Und voraus flog ihren unendlichen Reihen
Jm Rauche des Pulvers ein roth Panier!
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[55/0059] jener Staatsſtümper entſchlüpft, die ſich „Staatsmänner‟ zu tituliren lieben, und das ſcheinbar unbedeutendſte untoward event (unvorhergeſehener Zwiſchenfall) genügt, ſämmtliche Zirkel der ban- krouten Diplomatie zu zerſtören und die Welt in das Chaos zu ſchleudern. Möglich, daß die Kataſtrophe vertagt wird. Möglich, daß ſie in nächſter Zeit hereinbricht. Ob früher, ob ſpäter — ſie iſt unabwendbar, und mit einem europäiſchen Krieg wird es ſchwerlich gethan ſein. Aus dem Schooße des Choas aber ringt ſich der Kosmos, die harmoniſche Ordnung hervor. Die Shampowers — um einen Carlyle’ſchen Ausdruck zu gebrauchen, — welche ſich auf den Trümmern des alten Europa breit machen, die falſchen Scheinmächte, gegründet auf Eiſen — nicht dem Eiſen der Pflugſchaar, ſondern dem des menſchenmordenden Schwerts — zuſammengeleimt mit Blut, mit Menſchenblut, lebend von der Lüge, aus der Hand in den Mund — ſie werden an ihrer Lüge, an ihrem „Blut und Eiſen‟ zu Grunde gehn; und auf dem Fundament der Gerechtigkeit wird ein neues, internationales Staaten- ſyſtem erſtehen. Das wiederhergeſtellte Polen iſt ein Glied in dieſem Syſtem, ein unentbehrlicher Theil des Europa der Zukunft. Heiße Kämpfe wird’s koſten. Wer kennt nicht das herrliche Gedicht Freiligrath’s: „Die Schlacht am Birkenbaum?‟ Dichter ſind Seher, und ein Seher iſt’s, der „am Waldbrand auf der Haar‟ das „Geſicht‟ hatte: Jch ſah hinab und ich ſah genau — Da ſchwammen die Aecker in Blut, Da hing’s an den Aehren wie rother Thau, Und der Himmel war Eine Gluth! Um die Höfe ſah ich die Flamme wehen, Und die Dörfer brannten wie dürres Gras; Es war, als hätt’ ich die Welt geſehen Durch Höhrauch oder durch farbig Glas: Und zwei Heere, zahllos wie Blätter im Buſch, Hieben wild auf einander ein; Das eine, mit hellem Trompetentuſch, Zog heran in der Richtung vom Rhein. Das waren die Völker des Weſtens, die Freien! Bis zum Haarweg ſcholl ihrer Pferde Gewieh’r, Und voraus flog ihren unendlichen Reihen Jm Rauche des Pulvers ein roth Panier!

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Zitationshilfe: Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebknecht_frage_1878/59>, abgerufen am 23.11.2024.