Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878.geschäfte eingreifen kann, so hat sie doch mittelbar großen Einfluß Ein die eventuelle Aktion Englands sehr erleichterndes Ereigniß Was endlich Oesterreich angeht, so besitzt es freilich nicht die Genug, indem die Türkei ihr Vermittlungsgesuch an Europa Die politische Lage. ("Socialdemokratische Correspondenz" vom 24. Dezember 1877.) Die politische Lage ist eine so kritische geworden, daß man uns geſchäfte eingreifen kann, ſo hat ſie doch mittelbar großen Einfluß Ein die eventuelle Aktion Englands ſehr erleichterndes Ereigniß Was endlich Oeſterreich angeht, ſo beſitzt es freilich nicht die Genug, indem die Türkei ihr Vermittlungsgeſuch an Europa Die politiſche Lage. („Socialdemokratiſche Correſpondenz‟ vom 24. Dezember 1877.) Die politiſche Lage iſt eine ſo kritiſche geworden, daß man uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="31"/> geſchäfte eingreifen kann, ſo hat ſie doch mittelbar großen Einfluß<lb/> und ihr unzweifelhafter Wunſch, als Teſtamentsvollſtreckerin ihres ver-<lb/> ſtorbenen Mannes Rußlands Eroberungspläne um jeden Preis zu durch-<lb/> kreuzen, gewinnt praktiſche Wichtigkeit durch die gleichfalls unzweifelhafte<lb/> Thatſache, daß der Chef des engliſchen Miniſteriums — Disraeli —<lb/> dieſen ihren Wunſch theilt, und je eher je lieber zu den Waffen greifen<lb/> würde. Außerdem iſt es notoriſch, daß in England unter der Hand<lb/> ſtark gerüſtet wird, und daß man ſich auch namentlich mit Vorberei-<lb/> tungen zum Transport einer Armee beſchäftigt.</p><lb/> <p>Ein die eventuelle Aktion Englands ſehr erleichterndes Ereigniß<lb/> iſt der in Frankreich getroffene Kompromiß zwiſchen dem Präſidenten<lb/> und der Linken. Durch den 16. Mai war Frankreich für die aus-<lb/> wärtige Politik vollſtändig gelähmt — <hi rendition="#g">jetzt</hi> hat es den Gebrauch ſeiner<lb/> Glieder zurückgewonnen und eine eklatante Aktion nach Außen, die bis-<lb/> her einfach unmöglich war, iſt nun möglich und würde <hi rendition="#g">im Jntereſſe</hi><lb/> der franzöſiſchen Regierung ſein.</p><lb/> <p>Was endlich Oeſterreich angeht, ſo beſitzt es freilich nicht die<lb/> Fähigkeit der Jnitiative, aber <hi rendition="#g">wenn</hi> von anderer Seite der Bann<lb/> des Dreikaiſerbündniſſes gebrochen iſt, dann wird der Selbſterhaltungs-<lb/> trieb in ſein Recht eintreten und Oeſterreich zur Theilnahme an der<lb/> Aktion zwingen.</p><lb/> <p>Genug, indem die Türkei ihr Vermittlungsgeſuch an Europa<lb/> ſtellte, hat ſie die orientaliſche Frage zu einer <hi rendition="#g">europäiſchen</hi> Frage<lb/> gemacht, und die Weſtmächte nebſt Oeſterreich in die Alternative ver-<lb/> ſetzt, <hi rendition="#g">entweder als Großmächte abzudanken, oder Rußland<lb/> mit gezücktem Schwert Halt! zuzurufen</hi>.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head><hi rendition="#b">Die politiſche Lage.</hi><lb/> („Socialdemokratiſche Correſpondenz‟ vom 24. Dezember 1877.)</head><lb/> <p>Die politiſche Lage iſt eine ſo kritiſche geworden, daß man uns<lb/> gewiß erlauben wird, dieſelbe nochmals kurz zu beſprechen. Was wir<lb/> in unſerem letzten Artikel über die Bedeutung des türkiſchen Media-<lb/> tionsgeſuches und über die engliſche Politik ſagten, hat inzwiſchen durch<lb/> die Ereigniſſe und Thatſachen ſeine vollſte Beſtätigung gefunden. Die<lb/><hi rendition="#g">amtliche</hi> „Provinzial-Korreſpondenz‟, welche bezüglich jenes Geſuchs<lb/> meinte, „der Türkei ſchiene kein Verſtändniß ihrer Lage beizuwohnen‟,<lb/> hat durch ihre impertinente Bemerkung bloß den Nachweis geliefert,<lb/> daß <hi rendition="#g">ſie ſelbſt</hi> nicht das mindeſte „Verſtändniß‟ der allgemeinen politi-<lb/> ſchen Situation hat, und an — Kenntniß der orientaliſchen Frage ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [31/0035]
geſchäfte eingreifen kann, ſo hat ſie doch mittelbar großen Einfluß
und ihr unzweifelhafter Wunſch, als Teſtamentsvollſtreckerin ihres ver-
ſtorbenen Mannes Rußlands Eroberungspläne um jeden Preis zu durch-
kreuzen, gewinnt praktiſche Wichtigkeit durch die gleichfalls unzweifelhafte
Thatſache, daß der Chef des engliſchen Miniſteriums — Disraeli —
dieſen ihren Wunſch theilt, und je eher je lieber zu den Waffen greifen
würde. Außerdem iſt es notoriſch, daß in England unter der Hand
ſtark gerüſtet wird, und daß man ſich auch namentlich mit Vorberei-
tungen zum Transport einer Armee beſchäftigt.
Ein die eventuelle Aktion Englands ſehr erleichterndes Ereigniß
iſt der in Frankreich getroffene Kompromiß zwiſchen dem Präſidenten
und der Linken. Durch den 16. Mai war Frankreich für die aus-
wärtige Politik vollſtändig gelähmt — jetzt hat es den Gebrauch ſeiner
Glieder zurückgewonnen und eine eklatante Aktion nach Außen, die bis-
her einfach unmöglich war, iſt nun möglich und würde im Jntereſſe
der franzöſiſchen Regierung ſein.
Was endlich Oeſterreich angeht, ſo beſitzt es freilich nicht die
Fähigkeit der Jnitiative, aber wenn von anderer Seite der Bann
des Dreikaiſerbündniſſes gebrochen iſt, dann wird der Selbſterhaltungs-
trieb in ſein Recht eintreten und Oeſterreich zur Theilnahme an der
Aktion zwingen.
Genug, indem die Türkei ihr Vermittlungsgeſuch an Europa
ſtellte, hat ſie die orientaliſche Frage zu einer europäiſchen Frage
gemacht, und die Weſtmächte nebſt Oeſterreich in die Alternative ver-
ſetzt, entweder als Großmächte abzudanken, oder Rußland
mit gezücktem Schwert Halt! zuzurufen.
Die politiſche Lage.
(„Socialdemokratiſche Correſpondenz‟ vom 24. Dezember 1877.)
Die politiſche Lage iſt eine ſo kritiſche geworden, daß man uns
gewiß erlauben wird, dieſelbe nochmals kurz zu beſprechen. Was wir
in unſerem letzten Artikel über die Bedeutung des türkiſchen Media-
tionsgeſuches und über die engliſche Politik ſagten, hat inzwiſchen durch
die Ereigniſſe und Thatſachen ſeine vollſte Beſtätigung gefunden. Die
amtliche „Provinzial-Korreſpondenz‟, welche bezüglich jenes Geſuchs
meinte, „der Türkei ſchiene kein Verſtändniß ihrer Lage beizuwohnen‟,
hat durch ihre impertinente Bemerkung bloß den Nachweis geliefert,
daß ſie ſelbſt nicht das mindeſte „Verſtändniß‟ der allgemeinen politi-
ſchen Situation hat, und an — Kenntniß der orientaliſchen Frage ge-
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Zitationshilfe: | Liebknecht, Wilhelm: Zur orientalischen Frage oder Soll Europa kosakisch werden? 2. Aufl. Leipzig, 1878, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebknecht_frage_1878/35>, abgerufen am 08.07.2024. |