Gingen wir nackt wie der Indianer, oder wären wir beim Jagen und Fischen denselben Kältegraden ausgesetzt wie der Samojede, so würden wir 10 Pfund Fisch oder Fleisch und noch obendrein ein Dutzend Talglichter bewältigen können, wie uns warmbekleidete Reisende mit Verwunderung erzählt haben; wir würden dieselbe Menge Branntwein oder Thran ohne Nachtheil genießen können, eben weil ihr Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt dazu dient, um ein Gleichgewicht mit der äußeren Temperatur hervorzubringen.
Die Menge der zu genießenden Speisen richtet sich nach den vorhergehenden Auseinandersetzungen, nach der Anzahl der Athemzüge, nach der Temperatur der Luft, die wir ein- athmen und nach dem Wärmequantum, was wir nach außen hin abgeben.
Keine isolirte, entgegenstehende Thatsache kann die Wahr- heit dieses Naturgesetzes ändern. Ohne der Gesundheit einen vorübergehenden oder bleibenden Nachtheil zuzufügen, kann der Neapolitaner nicht mehr Kohlenstoff und Wasserstoff in den Speisen zu sich nehmen, als er ausathmet, und kein Nordländer kann mehr Kohlenstoff und Wasserstoff ausath- men, als er in den Speisen zu sich genommen hat, wenn nicht im Zustand der Krankheit, oder wenn er hungert, Zu- stände, die wir näher beleuchten werden.
Der Engländer sieht mit Bedauern seinen Appetit, der ihm einen häufig wiederkehrenden Genuß darbietet, in Ja- maica schwinden, und es gelingt ihm in der That, durch Cayennepfeffer und die kräftigsten Reizmittel die nämliche
Reſpiration und Ernährung.
Gingen wir nackt wie der Indianer, oder wären wir beim Jagen und Fiſchen denſelben Kältegraden ausgeſetzt wie der Samojede, ſo würden wir 10 Pfund Fiſch oder Fleiſch und noch obendrein ein Dutzend Talglichter bewältigen können, wie uns warmbekleidete Reiſende mit Verwunderung erzählt haben; wir würden dieſelbe Menge Branntwein oder Thran ohne Nachtheil genießen können, eben weil ihr Kohlenſtoff- und Waſſerſtoffgehalt dazu dient, um ein Gleichgewicht mit der äußeren Temperatur hervorzubringen.
Die Menge der zu genießenden Speiſen richtet ſich nach den vorhergehenden Auseinanderſetzungen, nach der Anzahl der Athemzüge, nach der Temperatur der Luft, die wir ein- athmen und nach dem Wärmequantum, was wir nach außen hin abgeben.
Keine iſolirte, entgegenſtehende Thatſache kann die Wahr- heit dieſes Naturgeſetzes ändern. Ohne der Geſundheit einen vorübergehenden oder bleibenden Nachtheil zuzufügen, kann der Neapolitaner nicht mehr Kohlenſtoff und Waſſerſtoff in den Speiſen zu ſich nehmen, als er ausathmet, und kein Nordländer kann mehr Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ausath- men, als er in den Speiſen zu ſich genommen hat, wenn nicht im Zuſtand der Krankheit, oder wenn er hungert, Zu- ſtände, die wir näher beleuchten werden.
Der Engländer ſieht mit Bedauern ſeinen Appetit, der ihm einen häufig wiederkehrenden Genuß darbietet, in Ja- maica ſchwinden, und es gelingt ihm in der That, durch Cayennepfeffer und die kräftigſten Reizmittel die nämliche
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Reſpiration und Ernährung.
Gingen wir nackt wie der Indianer, oder wären wir
beim Jagen und Fiſchen denſelben Kältegraden ausgeſetzt
wie der Samojede, ſo würden wir 10 Pfund Fiſch oder Fleiſch
und noch obendrein ein Dutzend Talglichter bewältigen können,
wie uns warmbekleidete Reiſende mit Verwunderung erzählt
haben; wir würden dieſelbe Menge Branntwein oder Thran
ohne Nachtheil genießen können, eben weil ihr Kohlenſtoff-
und Waſſerſtoffgehalt dazu dient, um ein Gleichgewicht mit
der äußeren Temperatur hervorzubringen.
Die Menge der zu genießenden Speiſen richtet ſich nach
den vorhergehenden Auseinanderſetzungen, nach der Anzahl
der Athemzüge, nach der Temperatur der Luft, die wir ein-
athmen und nach dem Wärmequantum, was wir nach außen
hin abgeben.
Keine iſolirte, entgegenſtehende Thatſache kann die Wahr-
heit dieſes Naturgeſetzes ändern. Ohne der Geſundheit einen
vorübergehenden oder bleibenden Nachtheil zuzufügen, kann
der Neapolitaner nicht mehr Kohlenſtoff und Waſſerſtoff in
den Speiſen zu ſich nehmen, als er ausathmet, und kein
Nordländer kann mehr Kohlenſtoff und Waſſerſtoff ausath-
men, als er in den Speiſen zu ſich genommen hat, wenn
nicht im Zuſtand der Krankheit, oder wenn er hungert, Zu-
ſtände, die wir näher beleuchten werden.
Der Engländer ſieht mit Bedauern ſeinen Appetit, der
ihm einen häufig wiederkehrenden Genuß darbietet, in Ja-
maica ſchwinden, und es gelingt ihm in der That, durch
Cayennepfeffer und die kräftigſten Reizmittel die nämliche
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/47>, abgerufen am 24.11.2024.
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