Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

Bild:
<< vorherige Seite

Der chemische Proceß der
einem und demselben Thiere die Menge der zu genießen-
den Nahrung wechselt, je nach der Stärke und Anzahl der
Athemzüge.

Ein Kind, dessen Respirationswerkzeuge sich in größerer
Thätigkeit befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr
Nahrung zu sich nehmen, als ein Erwachsener, es kann den
Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel stirbt bei Man-
gel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in
einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum so viel
Sauerstoff verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlensäure wahr-
nehmbar ist, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung.

Im Zustand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge
weniger als im Zustand der Bewegung und Arbeit. Die
Menge der in beiden Zuständen nothwendigen Nahrung muß
in dem nämlichen Verhältniß stehen.

Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeath-
metem Sauerstoff (an Bewegung), so wie starke Bewe-
gung (die zu einem größeren Maaß von Nahrung zwingt)
und schwache Verdauungsorgane sind unverträglich mit
einander.

Die Menge des Sauerstoffs, welche ein Thier durch die
Lunge aufnimmt, ist aber nicht allein abhängig von der An-
zahl der Athemzüge, sondern auch von der Temperatur und
der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft.

Die Brusthöhle eines Thieres hat eine unveränderliche
Größe, mit jedem Athemzuge tritt eine gewisse Menge Luft
ein, die in Beziehung auf ihr Volumen als gleichbleibend

Der chemiſche Proceß der
einem und demſelben Thiere die Menge der zu genießen-
den Nahrung wechſelt, je nach der Stärke und Anzahl der
Athemzüge.

Ein Kind, deſſen Reſpirationswerkzeuge ſich in größerer
Thätigkeit befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr
Nahrung zu ſich nehmen, als ein Erwachſener, es kann den
Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel ſtirbt bei Man-
gel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in
einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum ſo viel
Sauerſtoff verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlenſäure wahr-
nehmbar iſt, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung.

Im Zuſtand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge
weniger als im Zuſtand der Bewegung und Arbeit. Die
Menge der in beiden Zuſtänden nothwendigen Nahrung muß
in dem nämlichen Verhältniß ſtehen.

Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeath-
metem Sauerſtoff (an Bewegung), ſo wie ſtarke Bewe-
gung (die zu einem größeren Maaß von Nahrung zwingt)
und ſchwache Verdauungsorgane ſind unverträglich mit
einander.

Die Menge des Sauerſtoffs, welche ein Thier durch die
Lunge aufnimmt, iſt aber nicht allein abhängig von der An-
zahl der Athemzüge, ſondern auch von der Temperatur und
der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft.

Die Bruſthöhle eines Thieres hat eine unveränderliche
Größe, mit jedem Athemzuge tritt eine gewiſſe Menge Luft
ein, die in Beziehung auf ihr Volumen als gleichbleibend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0040" n="16"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der chemi&#x017F;che Proceß der</hi></fw><lb/>
einem und dem&#x017F;elben Thiere die Menge der zu genießen-<lb/>
den Nahrung wech&#x017F;elt, je nach der Stärke und Anzahl der<lb/>
Athemzüge.</p><lb/>
          <p>Ein Kind, de&#x017F;&#x017F;en Re&#x017F;pirationswerkzeuge &#x017F;ich in größerer<lb/>
Thätigkeit befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr<lb/>
Nahrung zu &#x017F;ich nehmen, als ein Erwach&#x017F;ener, es kann den<lb/>
Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel &#x017F;tirbt bei Man-<lb/>
gel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in<lb/>
einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum &#x017F;o viel<lb/>
Sauer&#x017F;toff verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlen&#x017F;äure wahr-<lb/>
nehmbar i&#x017F;t, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung.</p><lb/>
          <p>Im Zu&#x017F;tand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge<lb/>
weniger als im Zu&#x017F;tand der Bewegung und Arbeit. Die<lb/>
Menge der in beiden Zu&#x017F;tänden nothwendigen Nahrung muß<lb/>
in dem nämlichen Verhältniß &#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeath-<lb/>
metem Sauer&#x017F;toff (an Bewegung), &#x017F;o wie &#x017F;tarke Bewe-<lb/>
gung (die zu einem größeren Maaß von Nahrung zwingt)<lb/>
und &#x017F;chwache Verdauungsorgane &#x017F;ind unverträglich mit<lb/>
einander.</p><lb/>
          <p>Die Menge des Sauer&#x017F;toffs, welche ein Thier durch die<lb/>
Lunge aufnimmt, i&#x017F;t aber nicht allein abhängig von der An-<lb/>
zahl der Athemzüge, &#x017F;ondern auch von der Temperatur und<lb/>
der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft.</p><lb/>
          <p>Die Bru&#x017F;thöhle eines Thieres hat eine unveränderliche<lb/>
Größe, mit jedem Athemzuge tritt eine gewi&#x017F;&#x017F;e Menge Luft<lb/>
ein, die in Beziehung auf ihr Volumen als gleichbleibend<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0040] Der chemiſche Proceß der einem und demſelben Thiere die Menge der zu genießen- den Nahrung wechſelt, je nach der Stärke und Anzahl der Athemzüge. Ein Kind, deſſen Reſpirationswerkzeuge ſich in größerer Thätigkeit befinden, muß häufiger und verhältnißmäßig mehr Nahrung zu ſich nehmen, als ein Erwachſener, es kann den Hunger weniger leicht ertragen. Ein Vogel ſtirbt bei Man- gel an Nahrung den dritten Tag; eine Schlange, die in einer Stunde, unter einer Glasglocke athmend, kaum ſo viel Sauerſtoff verzehrt, daß die davon erzeugte Kohlenſäure wahr- nehmbar iſt, lebt drei Monate und länger ohne Nahrung. Im Zuſtand der Ruhe beträgt die Anzahl der Athemzüge weniger als im Zuſtand der Bewegung und Arbeit. Die Menge der in beiden Zuſtänden nothwendigen Nahrung muß in dem nämlichen Verhältniß ſtehen. Ein Ueberfluß von Nahrung und Mangel an eingeath- metem Sauerſtoff (an Bewegung), ſo wie ſtarke Bewe- gung (die zu einem größeren Maaß von Nahrung zwingt) und ſchwache Verdauungsorgane ſind unverträglich mit einander. Die Menge des Sauerſtoffs, welche ein Thier durch die Lunge aufnimmt, iſt aber nicht allein abhängig von der An- zahl der Athemzüge, ſondern auch von der Temperatur und der Dichtigkeit der eingeathmeten Luft. Die Bruſthöhle eines Thieres hat eine unveränderliche Größe, mit jedem Athemzuge tritt eine gewiſſe Menge Luft ein, die in Beziehung auf ihr Volumen als gleichbleibend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/40
Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/40>, abgerufen am 23.11.2024.