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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Analytische Belege.
nen auch in Wachs zersetzt worden; allein es scheint doch,
daß die Bildung irgend eine Unvollkommenheit erlitten hatte,
indem die reifen Wachsblättchen sich nicht ablös'ten, sondern
an den nächstfolgenden hängen blieben. Zum Wachsaus-
schwitzen bedürfen die Bienen keines Blumenstaubes, sondern
nur Honig. Ich habe schon im October Bienen in ein lee-
res Kästchen gebracht und ihnen Honig untergesetzt, und sie
bauten bald Waben, obschon das Wetter so war, daß sie
gar nicht fliegen konnten. Ich kann deßhalb gar nicht glau-
ben, daß der Blumenstaub eine Nahrung für die Bienen ab-
gebe, sondern ich glaube, daß sie ihn nur verschlucken, um
mit Honig und Wasser vermischt, den Nahrungssaft für die
Maden daraus zu bereiten. Die Bienen verhungern auch
oft noch im April, wenn ihr Honigvorrath aufgezehrt ist,
und sie Blumenstaub in Menge, aber keinen Honig eintra-
gen können. Sie reißen in der Noth die Nymphen aus den
Zellen und zernagen diese, um durch den süßen Saft, den
sie in diesen finden, sich das Leben zu fristen. Werden sie
aber in dieser Lage nicht gefüttert, oder tritt nicht alsbald
Nahrung auf dem Felde ein, so sterben sie in wenigen Ta-
gen. Wäre nun aber der Blumenstaub eine wirkliche Nah-
rung für die Bienen, so müßten sie doch wohl von diesem,
mit Wasser vermischt, sich ihr Leben fristen können.

Die Bienen bauen nie Waben, wenn sie nicht eine Kö-
nigin haben, oder nicht mit Brut versehen sind, aus wel-
cher sie sich eine Königin erziehen können. Sperrt man aber
Bienen ohne Königin in ein Kästchen und füttert sie mit

Analytiſche Belege.
nen auch in Wachs zerſetzt worden; allein es ſcheint doch,
daß die Bildung irgend eine Unvollkommenheit erlitten hatte,
indem die reifen Wachsblättchen ſich nicht ablöſ’ten, ſondern
an den nächſtfolgenden hängen blieben. Zum Wachsaus-
ſchwitzen bedürfen die Bienen keines Blumenſtaubes, ſondern
nur Honig. Ich habe ſchon im October Bienen in ein lee-
res Käſtchen gebracht und ihnen Honig untergeſetzt, und ſie
bauten bald Waben, obſchon das Wetter ſo war, daß ſie
gar nicht fliegen konnten. Ich kann deßhalb gar nicht glau-
ben, daß der Blumenſtaub eine Nahrung für die Bienen ab-
gebe, ſondern ich glaube, daß ſie ihn nur verſchlucken, um
mit Honig und Waſſer vermiſcht, den Nahrungsſaft für die
Maden daraus zu bereiten. Die Bienen verhungern auch
oft noch im April, wenn ihr Honigvorrath aufgezehrt iſt,
und ſie Blumenſtaub in Menge, aber keinen Honig eintra-
gen können. Sie reißen in der Noth die Nymphen aus den
Zellen und zernagen dieſe, um durch den ſüßen Saft, den
ſie in dieſen finden, ſich das Leben zu friſten. Werden ſie
aber in dieſer Lage nicht gefüttert, oder tritt nicht alsbald
Nahrung auf dem Felde ein, ſo ſterben ſie in wenigen Ta-
gen. Wäre nun aber der Blumenſtaub eine wirkliche Nah-
rung für die Bienen, ſo müßten ſie doch wohl von dieſem,
mit Waſſer vermiſcht, ſich ihr Leben friſten können.

Die Bienen bauen nie Waben, wenn ſie nicht eine Kö-
nigin haben, oder nicht mit Brut verſehen ſind, aus wel-
cher ſie ſich eine Königin erziehen können. Sperrt man aber
Bienen ohne Königin in ein Käſtchen und füttert ſie mit

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[309/0333] Analytiſche Belege. nen auch in Wachs zerſetzt worden; allein es ſcheint doch, daß die Bildung irgend eine Unvollkommenheit erlitten hatte, indem die reifen Wachsblättchen ſich nicht ablöſ’ten, ſondern an den nächſtfolgenden hängen blieben. Zum Wachsaus- ſchwitzen bedürfen die Bienen keines Blumenſtaubes, ſondern nur Honig. Ich habe ſchon im October Bienen in ein lee- res Käſtchen gebracht und ihnen Honig untergeſetzt, und ſie bauten bald Waben, obſchon das Wetter ſo war, daß ſie gar nicht fliegen konnten. Ich kann deßhalb gar nicht glau- ben, daß der Blumenſtaub eine Nahrung für die Bienen ab- gebe, ſondern ich glaube, daß ſie ihn nur verſchlucken, um mit Honig und Waſſer vermiſcht, den Nahrungsſaft für die Maden daraus zu bereiten. Die Bienen verhungern auch oft noch im April, wenn ihr Honigvorrath aufgezehrt iſt, und ſie Blumenſtaub in Menge, aber keinen Honig eintra- gen können. Sie reißen in der Noth die Nymphen aus den Zellen und zernagen dieſe, um durch den ſüßen Saft, den ſie in dieſen finden, ſich das Leben zu friſten. Werden ſie aber in dieſer Lage nicht gefüttert, oder tritt nicht alsbald Nahrung auf dem Felde ein, ſo ſterben ſie in wenigen Ta- gen. Wäre nun aber der Blumenſtaub eine wirkliche Nah- rung für die Bienen, ſo müßten ſie doch wohl von dieſem, mit Waſſer vermiſcht, ſich ihr Leben friſten können. Die Bienen bauen nie Waben, wenn ſie nicht eine Kö- nigin haben, oder nicht mit Brut verſehen ſind, aus wel- cher ſie ſich eine Königin erziehen können. Sperrt man aber Bienen ohne Königin in ein Käſtchen und füttert ſie mit

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/333>, abgerufen am 23.11.2024.