Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft- effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her- zen, den Eingeweiden zugeführt werden müssen. Die Blut- bewegung wird in diesem Fall, auf Kosten der zu willkür- lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft beschleunigt erscheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von mechanischer Kraft erzeugt worden ist.
Wir beobachten zuletzt bei den Winterschläfern, daß wäh- rend ihres Winterschlafs die Fähigkeit der Zunahme an Masse (eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus- schluß aller Speise, völlig unterdrückt ist; bei manchen tritt in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab- gestimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be- hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer- stoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf- genommen; wir finden vor dem Winterschlaf alle Theile ih- res Körpers, die in sich selbst keinen Widerstand gegen die Einwirkung des Sauerstoffs zu produciren vermögen, welche wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechsel bestimmt sind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben, welche diesen Widerstand übernimmt.
Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win- terschlafs aufgenommene Sauerstoff nicht in die Zusammen-
Die Bewegungserſcheinungen
Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft- effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her- zen, den Eingeweiden zugeführt werden müſſen. Die Blut- bewegung wird in dieſem Fall, auf Koſten der zu willkür- lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft beſchleunigt erſcheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von mechaniſcher Kraft erzeugt worden iſt.
Wir beobachten zuletzt bei den Winterſchläfern, daß wäh- rend ihres Winterſchlafs die Fähigkeit der Zunahme an Maſſe (eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus- ſchluß aller Speiſe, völlig unterdrückt iſt; bei manchen tritt in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab- geſtimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be- hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer- ſtoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf- genommen; wir finden vor dem Winterſchlaf alle Theile ih- res Körpers, die in ſich ſelbſt keinen Widerſtand gegen die Einwirkung des Sauerſtoffs zu produciren vermögen, welche wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechſel beſtimmt ſind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben, welche dieſen Widerſtand übernimmt.
Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win- terſchlafs aufgenommene Sauerſtoff nicht in die Zuſammen-
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Die Bewegungserſcheinungen
Was die Leiter der willkürlichen Bewegungen an Kraft-
effecten nicht fortzupflanzen vermögen, wird von den Leitern
der unwillkürlichen Bewegungen aufgenommen und dem Her-
zen, den Eingeweiden zugeführt werden müſſen. Die Blut-
bewegung wird in dieſem Fall, auf Koſten der zu willkür-
lichen Bewegungen durch die Glieder verwendbaren Kraft
beſchleunigt erſcheinen, ohne daß aber, wie bemerkt, durch
den Oxydationsproceß des Alkohols ein größers Maaß von
mechaniſcher Kraft erzeugt worden iſt.
Wir beobachten zuletzt bei den Winterſchläfern, daß wäh-
rend ihres Winterſchlafs die Fähigkeit der Zunahme an Maſſe
(eine der Hauptäußerungen der Lebenskraft), durch den Aus-
ſchluß aller Speiſe, völlig unterdrückt iſt; bei manchen tritt
in Folge der niedern Temperatur und der hierdurch herab-
geſtimmten Lebensthätigkeit ein Scheintod ein, bei anderen
dauern die unwillkürlichen Bewegungen fort; das Thier be-
hält eine von der Umgebung unabhängige Temperatur. Die
Athembewegungen dauern fort, nach wie vor wird Sauer-
ſtoff als der Bedinger der Wärme- und Krafterzeugung auf-
genommen; wir finden vor dem Winterſchlaf alle Theile ih-
res Körpers, die in ſich ſelbſt keinen Widerſtand gegen die
Einwirkung des Sauerſtoffs zu produciren vermögen, welche
wie die Eingeweide und Membranen nicht zum Stoffwechſel
beſtimmt ſind, mit Fett bedeckt, mit einer Materie umgeben,
welche dieſen Widerſtand übernimmt.
Wenn wir uns nun denken, daß der während des Win-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/270>, abgerufen am 22.11.2024.
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