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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Der chemische Proceß der
unlöslichen Zustande darin löslich gemacht (verdaut), aber
nicht zerstört, denn in letzterem Fall würden sie keine Wir-
kung ausüben können.

76. Das Blut besitzt im normalen Zustande der Gesundheit
zwei Qualitäten, welche mit einander in engem Zusammen-
hange stehen, obwohl eine von der andern als ganz unab-
hängig gedacht werden kann.

In den Blutkörperchen enthält das Blut die Träger des
zur Neubildung gewisser Theile des Thierkörpers, sowie zur
Hervorbringung der animalischen Wärme dienenden Sauer-
stoffs; durch die Fähigkeit dieser Blutkörperchen, den in der
Lunge aufgenommenen Sauerstoff wieder abzugeben, ohne
daß sie damit ihren Character verlieren, bedingen sie im All-
gemeinen den Stoffwechsel.

Die zweite Qualität des Blutes, seine Fähigkeit, zu Be-
standtheilen von Organen zu werden, sich für die Zunahme
an Masse und Neubildung der Organe, sowie zum Ersatz
von verbrauchtem Stoff zu eignen, verdankt es vorzugsweise
dem in Auflösung vorhandenen Fibrin und Albumin. Diese
beiden Hauptbestandtheile, welche zur Nutrition und Repro-
duction dienen, sättigen sich bei ihrem Durchgang durch die
Lunge mit Sauerstoff, sie nehmen jedenfalls soviel davon
aus der Atmosphäre auf, daß sie die Fähigkeit völlig verlie-
ren, den anderen Materien, die sich im Blute befinden, Sauer-
stoff zu entziehen.

Mit Bestimmtheit wissen wir, daß die Blutkörperchen
des venösen Blutes in der Lunge, bei ihrer Berührung mit

Der chemiſche Proceß der
unlöslichen Zuſtande darin löslich gemacht (verdaut), aber
nicht zerſtört, denn in letzterem Fall würden ſie keine Wir-
kung ausüben können.

76. Das Blut beſitzt im normalen Zuſtande der Geſundheit
zwei Qualitäten, welche mit einander in engem Zuſammen-
hange ſtehen, obwohl eine von der andern als ganz unab-
hängig gedacht werden kann.

In den Blutkörperchen enthält das Blut die Träger des
zur Neubildung gewiſſer Theile des Thierkörpers, ſowie zur
Hervorbringung der animaliſchen Wärme dienenden Sauer-
ſtoffs; durch die Fähigkeit dieſer Blutkörperchen, den in der
Lunge aufgenommenen Sauerſtoff wieder abzugeben, ohne
daß ſie damit ihren Character verlieren, bedingen ſie im All-
gemeinen den Stoffwechſel.

Die zweite Qualität des Blutes, ſeine Fähigkeit, zu Be-
ſtandtheilen von Organen zu werden, ſich für die Zunahme
an Maſſe und Neubildung der Organe, ſowie zum Erſatz
von verbrauchtem Stoff zu eignen, verdankt es vorzugsweiſe
dem in Auflöſung vorhandenen Fibrin und Albumin. Dieſe
beiden Hauptbeſtandtheile, welche zur Nutrition und Repro-
duction dienen, ſättigen ſich bei ihrem Durchgang durch die
Lunge mit Sauerſtoff, ſie nehmen jedenfalls ſoviel davon
aus der Atmoſphäre auf, daß ſie die Fähigkeit völlig verlie-
ren, den anderen Materien, die ſich im Blute befinden, Sauer-
ſtoff zu entziehen.

Mit Beſtimmtheit wiſſen wir, daß die Blutkörperchen
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[176/0200] Der chemiſche Proceß der unlöslichen Zuſtande darin löslich gemacht (verdaut), aber nicht zerſtört, denn in letzterem Fall würden ſie keine Wir- kung ausüben können. 76. Das Blut beſitzt im normalen Zuſtande der Geſundheit zwei Qualitäten, welche mit einander in engem Zuſammen- hange ſtehen, obwohl eine von der andern als ganz unab- hängig gedacht werden kann. In den Blutkörperchen enthält das Blut die Träger des zur Neubildung gewiſſer Theile des Thierkörpers, ſowie zur Hervorbringung der animaliſchen Wärme dienenden Sauer- ſtoffs; durch die Fähigkeit dieſer Blutkörperchen, den in der Lunge aufgenommenen Sauerſtoff wieder abzugeben, ohne daß ſie damit ihren Character verlieren, bedingen ſie im All- gemeinen den Stoffwechſel. Die zweite Qualität des Blutes, ſeine Fähigkeit, zu Be- ſtandtheilen von Organen zu werden, ſich für die Zunahme an Maſſe und Neubildung der Organe, ſowie zum Erſatz von verbrauchtem Stoff zu eignen, verdankt es vorzugsweiſe dem in Auflöſung vorhandenen Fibrin und Albumin. Dieſe beiden Hauptbeſtandtheile, welche zur Nutrition und Repro- duction dienen, ſättigen ſich bei ihrem Durchgang durch die Lunge mit Sauerſtoff, ſie nehmen jedenfalls ſoviel davon aus der Atmoſphäre auf, daß ſie die Fähigkeit völlig verlie- ren, den anderen Materien, die ſich im Blute befinden, Sauer- ſtoff zu entziehen. Mit Beſtimmtheit wiſſen wir, daß die Blutkörperchen des venöſen Blutes in der Lunge, bei ihrer Berührung mit

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/200>, abgerufen am 25.11.2024.