41. Aus dem Verhalten des Chylus und der Lymphe geht mit Zuverlässigkeit hervor, daß die löslichen Bestandtheile der Speisen oder des Chymus die Form von Albumin er- halten. Das gekochte Eiweiß, der gekochte oder geronnene Faserstoff, welche in dem Magen wieder löslich geworden, ihre Gerinnbarkeit an der Luft oder durch die Hitze aber verloren hatten, erhalten diese Eigenschaften nach und nach wieder. In den Chylusgefäßen ist die saure Reaction des Chymus bereits in die schwach alkalische des Blutes über- gegangen, nach seinem Durchgange durch die Drüsen des Mesenteriums, in dem Ductus thoracicus angelangt, enthält er in der Hitze gerinnendes Albumin und scheidet, sich selbst überlassen, Fibrin ab. Alle Proteinverbindungen, welche beim Durchgange des Chymus durch die Eingeweide auf- gesaugt wurden, werden zu Albumin, welches, wie die Er- fahrung beim Bebrüten des Hühnerei's ergiebt, bis auf den Eisengehalt, der von andern Seiten her geliefert wird, die Grundbestandtheile aller übrigen Organe enthält.
Die Frage, was beim Menschen aus den im Ueberschuß zugeführten Proteinverbindungen wird, welche Verwandlung die überreichliche stickstoffhaltige Speise erfährt, hat die practische Medicin längst entschieden. Die Blutgefäße zeigen sich mit Blut, die übrigen mit Säften überfüllt, und wenn die Zufuhr an Speisen fortdauert und das Blut oder die Säfte, die sich zur Blutbildung eignen, keine Verwendung finden, wenn die löslichen Materien von den dazu bestimm- ten Organen nicht aufgenommen werden, so entwickeln
Der chemiſche Proceß der
41. Aus dem Verhalten des Chylus und der Lymphe geht mit Zuverläſſigkeit hervor, daß die löslichen Beſtandtheile der Speiſen oder des Chymus die Form von Albumin er- halten. Das gekochte Eiweiß, der gekochte oder geronnene Faſerſtoff, welche in dem Magen wieder löslich geworden, ihre Gerinnbarkeit an der Luft oder durch die Hitze aber verloren hatten, erhalten dieſe Eigenſchaften nach und nach wieder. In den Chylusgefäßen iſt die ſaure Reaction des Chymus bereits in die ſchwach alkaliſche des Blutes über- gegangen, nach ſeinem Durchgange durch die Drüſen des Meſenteriums, in dem Ductus thoracicus angelangt, enthält er in der Hitze gerinnendes Albumin und ſcheidet, ſich ſelbſt überlaſſen, Fibrin ab. Alle Proteinverbindungen, welche beim Durchgange des Chymus durch die Eingeweide auf- geſaugt wurden, werden zu Albumin, welches, wie die Er- fahrung beim Bebrüten des Hühnerei’s ergiebt, bis auf den Eiſengehalt, der von andern Seiten her geliefert wird, die Grundbeſtandtheile aller übrigen Organe enthält.
Die Frage, was beim Menſchen aus den im Ueberſchuß zugeführten Proteinverbindungen wird, welche Verwandlung die überreichliche ſtickſtoffhaltige Speiſe erfährt, hat die practiſche Medicin längſt entſchieden. Die Blutgefäße zeigen ſich mit Blut, die übrigen mit Säften überfüllt, und wenn die Zufuhr an Speiſen fortdauert und das Blut oder die Säfte, die ſich zur Blutbildung eignen, keine Verwendung finden, wenn die löslichen Materien von den dazu beſtimm- ten Organen nicht aufgenommen werden, ſo entwickeln
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Der chemiſche Proceß der
41. Aus dem Verhalten des Chylus und der Lymphe geht
mit Zuverläſſigkeit hervor, daß die löslichen Beſtandtheile
der Speiſen oder des Chymus die Form von Albumin er-
halten. Das gekochte Eiweiß, der gekochte oder geronnene
Faſerſtoff, welche in dem Magen wieder löslich geworden,
ihre Gerinnbarkeit an der Luft oder durch die Hitze aber
verloren hatten, erhalten dieſe Eigenſchaften nach und nach
wieder. In den Chylusgefäßen iſt die ſaure Reaction des
Chymus bereits in die ſchwach alkaliſche des Blutes über-
gegangen, nach ſeinem Durchgange durch die Drüſen des
Meſenteriums, in dem Ductus thoracicus angelangt, enthält
er in der Hitze gerinnendes Albumin und ſcheidet, ſich ſelbſt
überlaſſen, Fibrin ab. Alle Proteinverbindungen, welche
beim Durchgange des Chymus durch die Eingeweide auf-
geſaugt wurden, werden zu Albumin, welches, wie die Er-
fahrung beim Bebrüten des Hühnerei’s ergiebt, bis auf den
Eiſengehalt, der von andern Seiten her geliefert wird, die
Grundbeſtandtheile aller übrigen Organe enthält.
Die Frage, was beim Menſchen aus den im Ueberſchuß
zugeführten Proteinverbindungen wird, welche Verwandlung
die überreichliche ſtickſtoffhaltige Speiſe erfährt, hat die
practiſche Medicin längſt entſchieden. Die Blutgefäße zeigen
ſich mit Blut, die übrigen mit Säften überfüllt, und wenn
die Zufuhr an Speiſen fortdauert und das Blut oder die
Säfte, die ſich zur Blutbildung eignen, keine Verwendung
finden, wenn die löslichen Materien von den dazu beſtimm-
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/172>, abgerufen am 23.11.2024.
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