Die gleichzeitige Zersetzung der Blausäure und des Wassers geschah hier nicht in Folge einer chemischen Verwandtschaft der Salzsäure zu Ammoniak, denn Blausäure und Wasser enthal- ten kein Ammoniak. Eine Verwandtschaft eines Körpers zu einem zweiten, der gar nicht vorhanden, der erst gebildet wird, ist völlig undenkbar, und leicht wird man hieraus entnehmen, wie sehr diese Zersetzungsweisen (es sind dieß gerade die, welche man Metamorphosen nennt) von den gewöhnlichen chemischen Zersetzungen abweichen.
In Folge der Bildung von Ammoniak sind Kohlenstoff und Wasserstoff, die anderen Elemente der Blausäure, mit dem Sauer- stoff des zersetzten Wassers zu Ameisensäure zusammengetreten; die Elemente und die Fähigkeit, sich zu verbinden, sind vor- handen.
Die Ameisensäure ist also hier das Excrement; das Ammo- niak repräsentirt den durch das Organ assimilirten Stoff.
Das Organ nimmt von den dargebotenen Nahrungsmit- teln, was es zu seiner eigenen Erhaltung, was es zu seiner Reproduction bedarf. Die übrigen Elemente, welche nicht assi- milirt werden, treten zu neuen Verbindungen, zu Excrementen zusammen.
Während ihres Weges durch den Organismus kommen die Excremente des einen Organs in Berührung mit einem an- dern, durch dessen Einwirkung sie eine neue Metamorphose er- fahren; die Excremente des einen Organs enthalten die Ele- mente der Nahrungsmittel für ein zweites und folgendes; zu- letzt werden die, keiner Metamorphose mehr fähigen Stoffe durch die dazu bestimmten Organe aus dem Organismus ent- fernt. Jedes Organ ist für seine ihm eigenthümlichen Func- tionen eingerichtet. Ein Cubiczoll Schwefelwasserstoff in die Lunge gebracht, würde augenblicklichen Tod bewirken, in dem
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Urſprung und Verhalten des Humus.
Die gleichzeitige Zerſetzung der Blauſäure und des Waſſers geſchah hier nicht in Folge einer chemiſchen Verwandtſchaft der Salzſäure zu Ammoniak, denn Blauſäure und Waſſer enthal- ten kein Ammoniak. Eine Verwandtſchaft eines Körpers zu einem zweiten, der gar nicht vorhanden, der erſt gebildet wird, iſt völlig undenkbar, und leicht wird man hieraus entnehmen, wie ſehr dieſe Zerſetzungsweiſen (es ſind dieß gerade die, welche man Metamorphoſen nennt) von den gewöhnlichen chemiſchen Zerſetzungen abweichen.
In Folge der Bildung von Ammoniak ſind Kohlenſtoff und Waſſerſtoff, die anderen Elemente der Blauſäure, mit dem Sauer- ſtoff des zerſetzten Waſſers zu Ameiſenſäure zuſammengetreten; die Elemente und die Fähigkeit, ſich zu verbinden, ſind vor- handen.
Die Ameiſenſäure iſt alſo hier das Excrement; das Ammo- niak repräſentirt den durch das Organ aſſimilirten Stoff.
Das Organ nimmt von den dargebotenen Nahrungsmit- teln, was es zu ſeiner eigenen Erhaltung, was es zu ſeiner Reproduction bedarf. Die übrigen Elemente, welche nicht aſſi- milirt werden, treten zu neuen Verbindungen, zu Excrementen zuſammen.
Während ihres Weges durch den Organismus kommen die Excremente des einen Organs in Berührung mit einem an- dern, durch deſſen Einwirkung ſie eine neue Metamorphoſe er- fahren; die Excremente des einen Organs enthalten die Ele- mente der Nahrungsmittel für ein zweites und folgendes; zu- letzt werden die, keiner Metamorphoſe mehr fähigen Stoffe durch die dazu beſtimmten Organe aus dem Organismus ent- fernt. Jedes Organ iſt für ſeine ihm eigenthümlichen Func- tionen eingerichtet. Ein Cubiczoll Schwefelwaſſerſtoff in die Lunge gebracht, würde augenblicklichen Tod bewirken, in dem
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Urſprung und Verhalten des Humus.
Die gleichzeitige Zerſetzung der Blauſäure und des Waſſers
geſchah hier nicht in Folge einer chemiſchen Verwandtſchaft der
Salzſäure zu Ammoniak, denn Blauſäure und Waſſer enthal-
ten kein Ammoniak. Eine Verwandtſchaft eines Körpers zu
einem zweiten, der gar nicht vorhanden, der erſt gebildet wird,
iſt völlig undenkbar, und leicht wird man hieraus entnehmen,
wie ſehr dieſe Zerſetzungsweiſen (es ſind dieß gerade die, welche
man Metamorphoſen nennt) von den gewöhnlichen chemiſchen
Zerſetzungen abweichen.
In Folge der Bildung von Ammoniak ſind Kohlenſtoff und
Waſſerſtoff, die anderen Elemente der Blauſäure, mit dem Sauer-
ſtoff des zerſetzten Waſſers zu Ameiſenſäure zuſammengetreten;
die Elemente und die Fähigkeit, ſich zu verbinden, ſind vor-
handen.
Die Ameiſenſäure iſt alſo hier das Excrement; das Ammo-
niak repräſentirt den durch das Organ aſſimilirten Stoff.
Das Organ nimmt von den dargebotenen Nahrungsmit-
teln, was es zu ſeiner eigenen Erhaltung, was es zu ſeiner
Reproduction bedarf. Die übrigen Elemente, welche nicht aſſi-
milirt werden, treten zu neuen Verbindungen, zu Excrementen
zuſammen.
Während ihres Weges durch den Organismus kommen die
Excremente des einen Organs in Berührung mit einem an-
dern, durch deſſen Einwirkung ſie eine neue Metamorphoſe er-
fahren; die Excremente des einen Organs enthalten die Ele-
mente der Nahrungsmittel für ein zweites und folgendes; zu-
letzt werden die, keiner Metamorphoſe mehr fähigen Stoffe
durch die dazu beſtimmten Organe aus dem Organismus ent-
fernt. Jedes Organ iſt für ſeine ihm eigenthümlichen Func-
tionen eingerichtet. Ein Cubiczoll Schwefelwaſſerſtoff in die
Lunge gebracht, würde augenblicklichen Tod bewirken, in dem
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/69>, abgerufen am 16.02.2025.
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