Kann man die Gesetze des Lebens erforschen an einem Or- ganismus, der sich in einem dauernden Zustande des Krank- seins und beständigen Sterbens befindet?
Die bloße Beobachtung einer Wiese, eines Waldes ist un- endlich mehr geeignet, über so einfache Fragen zu entscheiden, als alle diese kleinlichen Versuche unter Glasglocken; anstatt einer Pflanze haben wir Tausende von Pflanzen, dieß ist der einzige Unterschied; wenn wir die Beschaffenheit eines einzigen Cubiczolls ihres Bodens, wenn wir die der Luft und des Re- genwassers kennen, so haben wir damit alle Bedingungen ihres Lebens in der Hand.
Wenn wir die Formen kennen, in welchen die Pflanze ihre Nah- rung aufnimmt, wenn wir die Zusammensetzung der Nahrung mit den Bestandtheilen der Pflanze vergleichen, so kann uns ohne Zweifel der Ursprung aller ihrer Elemente nicht entgehen.
Diese Fragen sollen in dem Folgenden einer Untersuchung, einer Discussion unterworfen werden.
In dem Vorhergehenden ist der Beweis niedergelegt, daß der Kohlenstoff der Pflanzen aus der Atmosphäre stammt; es sind nun die Wirkungen des Humus und der anorganischen Be- standtheile der Pflanzen, so wie der Antheil, den beide an der Entwickelung der Vegetation nehmen, und die Quellen des Stickstoffs zu beleuchten.
Ursprung und Verhalten des Humus.
Es ist in dem zweiten Theile auseinandergesetzt, daß alle Pflanzen und Pflanzentheile mit dem Aufhören des Lebens zwei Zersetzungsprocesse erleiden, von denen man den einen Gährung oder Fäulniß, den andern Verwesung nennt.
Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
Kann man die Geſetze des Lebens erforſchen an einem Or- ganismus, der ſich in einem dauernden Zuſtande des Krank- ſeins und beſtändigen Sterbens befindet?
Die bloße Beobachtung einer Wieſe, eines Waldes iſt un- endlich mehr geeignet, über ſo einfache Fragen zu entſcheiden, als alle dieſe kleinlichen Verſuche unter Glasglocken; anſtatt einer Pflanze haben wir Tauſende von Pflanzen, dieß iſt der einzige Unterſchied; wenn wir die Beſchaffenheit eines einzigen Cubiczolls ihres Bodens, wenn wir die der Luft und des Re- genwaſſers kennen, ſo haben wir damit alle Bedingungen ihres Lebens in der Hand.
Wenn wir die Formen kennen, in welchen die Pflanze ihre Nah- rung aufnimmt, wenn wir die Zuſammenſetzung der Nahrung mit den Beſtandtheilen der Pflanze vergleichen, ſo kann uns ohne Zweifel der Urſprung aller ihrer Elemente nicht entgehen.
Dieſe Fragen ſollen in dem Folgenden einer Unterſuchung, einer Discuſſion unterworfen werden.
In dem Vorhergehenden iſt der Beweis niedergelegt, daß der Kohlenſtoff der Pflanzen aus der Atmoſphäre ſtammt; es ſind nun die Wirkungen des Humus und der anorganiſchen Be- ſtandtheile der Pflanzen, ſo wie der Antheil, den beide an der Entwickelung der Vegetation nehmen, und die Quellen des Stickſtoffs zu beleuchten.
Urſprung und Verhalten des Humus.
Es iſt in dem zweiten Theile auseinandergeſetzt, daß alle Pflanzen und Pflanzentheile mit dem Aufhören des Lebens zwei Zerſetzungsproceſſe erleiden, von denen man den einen Gährung oder Fäulniß, den andern Verweſung nennt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0061"n="43"/><fwplace="top"type="header">Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.</fw><lb/><p>Kann man die Geſetze des Lebens erforſchen an einem Or-<lb/>
ganismus, der ſich in einem dauernden Zuſtande des Krank-<lb/>ſeins und beſtändigen Sterbens befindet?</p><lb/><p>Die bloße Beobachtung einer Wieſe, eines Waldes iſt un-<lb/>
endlich mehr geeignet, über ſo einfache Fragen zu entſcheiden,<lb/>
als alle dieſe kleinlichen Verſuche unter Glasglocken; anſtatt<lb/>
einer Pflanze haben wir Tauſende von Pflanzen, dieß iſt der<lb/>
einzige Unterſchied; wenn wir die Beſchaffenheit eines einzigen<lb/>
Cubiczolls ihres Bodens, wenn wir die der Luft und des Re-<lb/>
genwaſſers kennen, ſo haben wir damit alle Bedingungen ihres<lb/>
Lebens in der Hand.</p><lb/><p>Wenn wir die Formen kennen, in welchen die Pflanze ihre Nah-<lb/>
rung aufnimmt, wenn wir die Zuſammenſetzung der Nahrung mit<lb/>
den Beſtandtheilen der Pflanze vergleichen, ſo kann uns ohne<lb/>
Zweifel der Urſprung aller ihrer Elemente nicht entgehen.</p><lb/><p>Dieſe Fragen ſollen in dem Folgenden einer Unterſuchung,<lb/>
einer Discuſſion unterworfen werden.</p><lb/><p>In dem Vorhergehenden iſt der Beweis niedergelegt, daß<lb/>
der Kohlenſtoff der Pflanzen aus der Atmoſphäre ſtammt; es<lb/>ſind nun die Wirkungen des Humus und der anorganiſchen Be-<lb/>ſtandtheile der Pflanzen, ſo wie der Antheil, den beide an der<lb/>
Entwickelung der Vegetation nehmen, und die Quellen des<lb/>
Stickſtoffs zu beleuchten.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Urſprung und Verhalten des Humus.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es iſt in dem zweiten Theile auseinandergeſetzt, daß alle<lb/>
Pflanzen und Pflanzentheile mit dem Aufhören des Lebens<lb/>
zwei Zerſetzungsproceſſe erleiden, von denen man den einen<lb/><hirendition="#g">Gährung</hi> oder <hirendition="#g">Fäulniß</hi>, den andern <hirendition="#g">Verweſung</hi> nennt.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[43/0061]
Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
Kann man die Geſetze des Lebens erforſchen an einem Or-
ganismus, der ſich in einem dauernden Zuſtande des Krank-
ſeins und beſtändigen Sterbens befindet?
Die bloße Beobachtung einer Wieſe, eines Waldes iſt un-
endlich mehr geeignet, über ſo einfache Fragen zu entſcheiden,
als alle dieſe kleinlichen Verſuche unter Glasglocken; anſtatt
einer Pflanze haben wir Tauſende von Pflanzen, dieß iſt der
einzige Unterſchied; wenn wir die Beſchaffenheit eines einzigen
Cubiczolls ihres Bodens, wenn wir die der Luft und des Re-
genwaſſers kennen, ſo haben wir damit alle Bedingungen ihres
Lebens in der Hand.
Wenn wir die Formen kennen, in welchen die Pflanze ihre Nah-
rung aufnimmt, wenn wir die Zuſammenſetzung der Nahrung mit
den Beſtandtheilen der Pflanze vergleichen, ſo kann uns ohne
Zweifel der Urſprung aller ihrer Elemente nicht entgehen.
Dieſe Fragen ſollen in dem Folgenden einer Unterſuchung,
einer Discuſſion unterworfen werden.
In dem Vorhergehenden iſt der Beweis niedergelegt, daß
der Kohlenſtoff der Pflanzen aus der Atmoſphäre ſtammt; es
ſind nun die Wirkungen des Humus und der anorganiſchen Be-
ſtandtheile der Pflanzen, ſo wie der Antheil, den beide an der
Entwickelung der Vegetation nehmen, und die Quellen des
Stickſtoffs zu beleuchten.
Urſprung und Verhalten des Humus.
Es iſt in dem zweiten Theile auseinandergeſetzt, daß alle
Pflanzen und Pflanzentheile mit dem Aufhören des Lebens
zwei Zerſetzungsproceſſe erleiden, von denen man den einen
Gährung oder Fäulniß, den andern Verweſung nennt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/61>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.