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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.

Die Physiologen verwerfen in der Erforschung der Geheim-
nisse des Lebens die Chemie, und dennoch kann sie es allein
nur sein, welche den richtigen Weg zum Ziele führt, sie ver-
werfen die Chemie, weil sie zerstört, indem sie Erkenntniß
sucht, weil sie nicht wissen, daß sie dem Messer des Anatomen
gleicht, welcher den Körper, das Organ, als solche vernichten
muß, wenn er Rechenschaft über Bau, Structur und über

2. Das Licht offenbart sich in der Natur als das unendlich Schaffende,
so daß es (nach Steffens) das für die Natur ist, was das Be-
wußtsein für das geistige Leben. Durch Licht ist daher alles Leben
erst möglich und jede Pflanze verlangt ihrem Wesen nach eine be-
stimmte Einwirkung des Lichtes, so daß bei zu viel Licht die Pflanze
an Ueberreiz, und bei zu wenig Licht aus Mangel an Ueberreiz stirbt.

3. Kälte und Wärme sind begleitende Erscheinungen der Dinge beim
Uebergange zum formlosen, theils zum besonderen mit innerem Ge-
gensatze, und sie zeigen überhaupt nur Zustände der Dinge an. Da
nun im Zustande der Kälte Alles erstarrt und nur in dem der Wärme
etwas thätig oder flüssig sein kann, so können auch Pflanzen nur
im Zustande der Wärme thätig sein, also entstehen und wachsen, und
jede besondere Pflanze wird einen besonderen Zustand der Wärme
verlangen.

4. Das Erdige, zusammengesetzt aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasser-
stoff, ist ein Hauptbestandtheil der Pflanze. Weil jedoch der Koh-
lenstoff
als die Grundlage der Erde, als Element erscheint, so ist
dieser die unentbehrliche Nahrung für die Pflanzen; darum sind
auch alle Pflanzen verbrennlich und verwandeln sich durch das Ver-
brennen in Kohle. Im luftförmigen Zustande (als Gas) ist der
Kohlenstoff nicht rein, sondern mit dem Sauerstoffgas als kohlen-
saures Gas
(Kohlensäure, Ursäure, wie Schwere die Urkraft
ist) verbunden, und diese Kohlensäure ist ja so ungemein günstig zum
Gedeihen der Pflanzen.

5. Das Wasser ist der sichtbarste Bestandtheil (oft 2/3 ) der Pflanzen, so
daß ohne dasselbe ebenfalls keine Pflanze möglich ist. Da mithin
das Wasser hauptsächlich aus Sauerstoff, etwas vom sogenannten
Wasserstoff und einem Minimum des Kohlenstoffs besteht, so stellt der
Sauerstoff die Grundlage des Wasserelements dar. Ohne den Sauer-
stoff keimt nicht einmal ein Saamen, geschweige daß eine Pflanze ohne
ihn wachsen könnte.
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Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.

Die Phyſiologen verwerfen in der Erforſchung der Geheim-
niſſe des Lebens die Chemie, und dennoch kann ſie es allein
nur ſein, welche den richtigen Weg zum Ziele führt, ſie ver-
werfen die Chemie, weil ſie zerſtört, indem ſie Erkenntniß
ſucht, weil ſie nicht wiſſen, daß ſie dem Meſſer des Anatomen
gleicht, welcher den Körper, das Organ, als ſolche vernichten
muß, wenn er Rechenſchaft über Bau, Structur und über

2. Das Licht offenbart ſich in der Natur als das unendlich Schaffende,
ſo daß es (nach Steffens) das für die Natur iſt, was das Be-
wußtſein für das geiſtige Leben. Durch Licht iſt daher alles Leben
erſt möglich und jede Pflanze verlangt ihrem Weſen nach eine be-
ſtimmte Einwirkung des Lichtes, ſo daß bei zu viel Licht die Pflanze
an Ueberreiz, und bei zu wenig Licht aus Mangel an Ueberreiz ſtirbt.

3. Kälte und Wärme ſind begleitende Erſcheinungen der Dinge beim
Uebergange zum formloſen, theils zum beſonderen mit innerem Ge-
genſatze, und ſie zeigen überhaupt nur Zuſtände der Dinge an. Da
nun im Zuſtande der Kälte Alles erſtarrt und nur in dem der Wärme
etwas thätig oder flüſſig ſein kann, ſo können auch Pflanzen nur
im Zuſtande der Wärme thätig ſein, alſo entſtehen und wachſen, und
jede beſondere Pflanze wird einen beſonderen Zuſtand der Wärme
verlangen.

4. Das Erdige, zuſammengeſetzt aus Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſer-
ſtoff, iſt ein Hauptbeſtandtheil der Pflanze. Weil jedoch der Koh-
lenſtoff
als die Grundlage der Erde, als Element erſcheint, ſo iſt
dieſer die unentbehrliche Nahrung für die Pflanzen; darum ſind
auch alle Pflanzen verbrennlich und verwandeln ſich durch das Ver-
brennen in Kohle. Im luftförmigen Zuſtande (als Gas) iſt der
Kohlenſtoff nicht rein, ſondern mit dem Sauerſtoffgas als kohlen-
ſaures Gas
(Kohlenſäure, Urſäure, wie Schwere die Urkraft
iſt) verbunden, und dieſe Kohlenſäure iſt ja ſo ungemein günſtig zum
Gedeihen der Pflanzen.

5. Das Waſſer iſt der ſichtbarſte Beſtandtheil (oft ⅔) der Pflanzen, ſo
daß ohne daſſelbe ebenfalls keine Pflanze möglich iſt. Da mithin
das Waſſer hauptſächlich aus Sauerſtoff, etwas vom ſogenannten
Waſſerſtoff und einem Minimum des Kohlenſtoffs beſteht, ſo ſtellt der
Sauerſtoff die Grundlage des Waſſerelements dar. Ohne den Sauer-
ſtoff keimt nicht einmal ein Saamen, geſchweige daß eine Pflanze ohne
ihn wachſen könnte.
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[33/0051] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. Die Phyſiologen verwerfen in der Erforſchung der Geheim- niſſe des Lebens die Chemie, und dennoch kann ſie es allein nur ſein, welche den richtigen Weg zum Ziele führt, ſie ver- werfen die Chemie, weil ſie zerſtört, indem ſie Erkenntniß ſucht, weil ſie nicht wiſſen, daß ſie dem Meſſer des Anatomen gleicht, welcher den Körper, das Organ, als ſolche vernichten muß, wenn er Rechenſchaft über Bau, Structur und über *) *) 2. Das Licht offenbart ſich in der Natur als das unendlich Schaffende, ſo daß es (nach Steffens) das für die Natur iſt, was das Be- wußtſein für das geiſtige Leben. Durch Licht iſt daher alles Leben erſt möglich und jede Pflanze verlangt ihrem Weſen nach eine be- ſtimmte Einwirkung des Lichtes, ſo daß bei zu viel Licht die Pflanze an Ueberreiz, und bei zu wenig Licht aus Mangel an Ueberreiz ſtirbt. 3. Kälte und Wärme ſind begleitende Erſcheinungen der Dinge beim Uebergange zum formloſen, theils zum beſonderen mit innerem Ge- genſatze, und ſie zeigen überhaupt nur Zuſtände der Dinge an. Da nun im Zuſtande der Kälte Alles erſtarrt und nur in dem der Wärme etwas thätig oder flüſſig ſein kann, ſo können auch Pflanzen nur im Zuſtande der Wärme thätig ſein, alſo entſtehen und wachſen, und jede beſondere Pflanze wird einen beſonderen Zuſtand der Wärme verlangen. 4. Das Erdige, zuſammengeſetzt aus Kohlenſtoff, Sauerſtoff und Waſſer- ſtoff, iſt ein Hauptbeſtandtheil der Pflanze. Weil jedoch der Koh- lenſtoff als die Grundlage der Erde, als Element erſcheint, ſo iſt dieſer die unentbehrliche Nahrung für die Pflanzen; darum ſind auch alle Pflanzen verbrennlich und verwandeln ſich durch das Ver- brennen in Kohle. Im luftförmigen Zuſtande (als Gas) iſt der Kohlenſtoff nicht rein, ſondern mit dem Sauerſtoffgas als kohlen- ſaures Gas (Kohlenſäure, Urſäure, wie Schwere die Urkraft iſt) verbunden, und dieſe Kohlenſäure iſt ja ſo ungemein günſtig zum Gedeihen der Pflanzen. 5. Das Waſſer iſt der ſichtbarſte Beſtandtheil (oft ⅔) der Pflanzen, ſo daß ohne daſſelbe ebenfalls keine Pflanze möglich iſt. Da mithin das Waſſer hauptſächlich aus Sauerſtoff, etwas vom ſogenannten Waſſerſtoff und einem Minimum des Kohlenſtoffs beſteht, ſo ſtellt der Sauerſtoff die Grundlage des Waſſerelements dar. Ohne den Sauer- ſtoff keimt nicht einmal ein Saamen, geſchweige daß eine Pflanze ohne ihn wachſen könnte. 3

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/51>, abgerufen am 22.11.2024.