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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.
Substanzen über, welche Wasserstoff und Sauerstoff im Ver-
hältniß wie im Wasser, oder noch weniger Sauerstoff enthal-
ten, wie in allen geschmacklosen und bitteren Materien.

Ja man könnte aus den verschiedenen Zeiten, welche die
grünen Blätter der Pflanzen bedürfen, um durch den Einfluß
der atmosphärischen Luft ihre Farbe zu ändern, die absorbirten
Sauerstoffmengen annähernd bestimmen. Diejenigen, welche
sich am längsten grün erhalten, werden in gleichen Zeiten we-
niger Sauerstoff aufnehmen als andere, deren Bestandtheile
eine rasche Veränderung erfahren. Man findet in der That,
daß die Blätter von Ilex aquifolium, ausgezeichnet durch die
Beständigkeit, mit welcher sie ihre Farbe bewahren, 0,86 ihres
Volumens Sauerstoff in derselben Zeit aufnehmen, in welcher
die so leicht und schnell ihre Farbe verändernden Blätter der
Pappel und Buche, die eine das 8fache, die andere das
91/2fache ihres Volumens absorbiren.

Das Verhalten der grünen Blätter der Eiche, Buche und
Stechpalme, welche unter der Luftpumpe bei Abschluß des Lich-
tes getrocknet und nach Befeuchtung mit Wasser unter eine
graduirte Glocke mit Sauerstoffgas gebracht werden, entfernt
jeden Zweifel über diesen chemischen Proceß. Alle vermindern
das Volumen des eingeschlossenen Sauerstoffgases, und zwar
in dem nämlichen Verhältniß, als sie ihre Farbe ändern.
Diese Luftverminderung kann nur auf der Bildung von höhe-
ren Oxiden, oder einer Oxidation des Wasserstoffs der an die-
sem Elemente reichen Bestandtheile der Pflanzen beruhen.

Die Eigenschaft der grünen Blätter, Sauerstoff aufzuneh-
men, gehört aber auch dem frischen Holze an, gleichgültig ob
es von Zweigen oder dem Innern eines Stammes genommen
worden ist. Bringt man es in dem feuchten Zustande, wie es
vom Baume genommen wird, in feinen Spänen unter eine

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
Subſtanzen über, welche Waſſerſtoff und Sauerſtoff im Ver-
hältniß wie im Waſſer, oder noch weniger Sauerſtoff enthal-
ten, wie in allen geſchmackloſen und bitteren Materien.

Ja man könnte aus den verſchiedenen Zeiten, welche die
grünen Blätter der Pflanzen bedürfen, um durch den Einfluß
der atmoſphäriſchen Luft ihre Farbe zu ändern, die abſorbirten
Sauerſtoffmengen annähernd beſtimmen. Diejenigen, welche
ſich am längſten grün erhalten, werden in gleichen Zeiten we-
niger Sauerſtoff aufnehmen als andere, deren Beſtandtheile
eine raſche Veränderung erfahren. Man findet in der That,
daß die Blätter von Ilex aquifolium, ausgezeichnet durch die
Beſtändigkeit, mit welcher ſie ihre Farbe bewahren, 0,86 ihres
Volumens Sauerſtoff in derſelben Zeit aufnehmen, in welcher
die ſo leicht und ſchnell ihre Farbe verändernden Blätter der
Pappel und Buche, die eine das 8fache, die andere das
9½fache ihres Volumens abſorbiren.

Das Verhalten der grünen Blätter der Eiche, Buche und
Stechpalme, welche unter der Luftpumpe bei Abſchluß des Lich-
tes getrocknet und nach Befeuchtung mit Waſſer unter eine
graduirte Glocke mit Sauerſtoffgas gebracht werden, entfernt
jeden Zweifel über dieſen chemiſchen Proceß. Alle vermindern
das Volumen des eingeſchloſſenen Sauerſtoffgaſes, und zwar
in dem nämlichen Verhältniß, als ſie ihre Farbe ändern.
Dieſe Luftverminderung kann nur auf der Bildung von höhe-
ren Oxiden, oder einer Oxidation des Waſſerſtoffs der an die-
ſem Elemente reichen Beſtandtheile der Pflanzen beruhen.

Die Eigenſchaft der grünen Blätter, Sauerſtoff aufzuneh-
men, gehört aber auch dem friſchen Holze an, gleichgültig ob
es von Zweigen oder dem Innern eines Stammes genommen
worden iſt. Bringt man es in dem feuchten Zuſtande, wie es
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[27/0045] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. Subſtanzen über, welche Waſſerſtoff und Sauerſtoff im Ver- hältniß wie im Waſſer, oder noch weniger Sauerſtoff enthal- ten, wie in allen geſchmackloſen und bitteren Materien. Ja man könnte aus den verſchiedenen Zeiten, welche die grünen Blätter der Pflanzen bedürfen, um durch den Einfluß der atmoſphäriſchen Luft ihre Farbe zu ändern, die abſorbirten Sauerſtoffmengen annähernd beſtimmen. Diejenigen, welche ſich am längſten grün erhalten, werden in gleichen Zeiten we- niger Sauerſtoff aufnehmen als andere, deren Beſtandtheile eine raſche Veränderung erfahren. Man findet in der That, daß die Blätter von Ilex aquifolium, ausgezeichnet durch die Beſtändigkeit, mit welcher ſie ihre Farbe bewahren, 0,86 ihres Volumens Sauerſtoff in derſelben Zeit aufnehmen, in welcher die ſo leicht und ſchnell ihre Farbe verändernden Blätter der Pappel und Buche, die eine das 8fache, die andere das 9½fache ihres Volumens abſorbiren. Das Verhalten der grünen Blätter der Eiche, Buche und Stechpalme, welche unter der Luftpumpe bei Abſchluß des Lich- tes getrocknet und nach Befeuchtung mit Waſſer unter eine graduirte Glocke mit Sauerſtoffgas gebracht werden, entfernt jeden Zweifel über dieſen chemiſchen Proceß. Alle vermindern das Volumen des eingeſchloſſenen Sauerſtoffgaſes, und zwar in dem nämlichen Verhältniß, als ſie ihre Farbe ändern. Dieſe Luftverminderung kann nur auf der Bildung von höhe- ren Oxiden, oder einer Oxidation des Waſſerſtoffs der an die- ſem Elemente reichen Beſtandtheile der Pflanzen beruhen. Die Eigenſchaft der grünen Blätter, Sauerſtoff aufzuneh- men, gehört aber auch dem friſchen Holze an, gleichgültig ob es von Zweigen oder dem Innern eines Stammes genommen worden iſt. Bringt man es in dem feuchten Zuſtande, wie es vom Baume genommen wird, in feinen Spänen unter eine

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/45>, abgerufen am 19.04.2024.