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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.

Niemanden wird es in den Sinn kommen, den Einfluß
des Düngers auf die Entwickelung der Culturgewächse zu
läugnen, allein mit positiver Gewißheit kann man behaupten,
daß er zur Hervorbringung des Kohlenstoffs in den Pflanzen
nicht gedient, daß er keinen directen Einfluß darauf gehabt
hat, denn wir finden ja, daß der Kohlenstoff, vom gedüngten
Lande hervorgebracht, nicht mehr beträgt, als der Kohlenstoff
des ungedüngten. Die Frage nach der Wirkungsweise des
Düngers hat mit der nach dem Ursprung des Kohlenstoffs
nicht das Geringste zu thun. Der Kohlenstoff der Vegetabilien
muß nothwendigerweise aus einer andern Quelle stammen,
und da es der Boden nicht ist, der ihn liefert, so kann diese
nur die Atmosphäre sein.

Bei der Lösung des Problems über den Ursprung des
Kohlenstoffs in den Pflanzen hat man durchaus unberücksichtigt
gelassen, daß diese Frage gleichzeitig den Ursprung des Humus
umfaßt.

Der Humus entsteht nach aller Ansicht durch Fäulniß und
Verwesung von Pflanzen und Pflanzentheilen; eine Urdammerde,
einen Urhumus kann es also nicht geben, denn es waren vor
dem Humus Pflanzen vorhanden. Wo nahmen nun diese ih-
ren Kohlenstoff her, und in welcher Form ist der Kohlenstoff
in der Atmosphäre enthalten?

Diese beiden Fragen umfassen zwei der merkwürdigsten
Naturerscheinungen, welche, gegenseitig ununterbrochen in Thä-
tigkeit, das Leben und Fortbestehen der Thiere und Vegetabilien
auf unendliche Zeiten hinaus auf die bewunderungswürdigste
Weise bedingen und vermitteln.

Die eine dieser Fragen bezieht sich auf den unveränder-
lichen Gehalt der Luft an Sauerstoff: zu jeder Jahreszeit und
in allen Klimaten hat man darin in 100 Volum-Theilen 21

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.

Niemanden wird es in den Sinn kommen, den Einfluß
des Düngers auf die Entwickelung der Culturgewächſe zu
läugnen, allein mit poſitiver Gewißheit kann man behaupten,
daß er zur Hervorbringung des Kohlenſtoffs in den Pflanzen
nicht gedient, daß er keinen directen Einfluß darauf gehabt
hat, denn wir finden ja, daß der Kohlenſtoff, vom gedüngten
Lande hervorgebracht, nicht mehr beträgt, als der Kohlenſtoff
des ungedüngten. Die Frage nach der Wirkungsweiſe des
Düngers hat mit der nach dem Urſprung des Kohlenſtoffs
nicht das Geringſte zu thun. Der Kohlenſtoff der Vegetabilien
muß nothwendigerweiſe aus einer andern Quelle ſtammen,
und da es der Boden nicht iſt, der ihn liefert, ſo kann dieſe
nur die Atmoſphäre ſein.

Bei der Löſung des Problems über den Urſprung des
Kohlenſtoffs in den Pflanzen hat man durchaus unberückſichtigt
gelaſſen, daß dieſe Frage gleichzeitig den Urſprung des Humus
umfaßt.

Der Humus entſteht nach aller Anſicht durch Fäulniß und
Verweſung von Pflanzen und Pflanzentheilen; eine Urdammerde,
einen Urhumus kann es alſo nicht geben, denn es waren vor
dem Humus Pflanzen vorhanden. Wo nahmen nun dieſe ih-
ren Kohlenſtoff her, und in welcher Form iſt der Kohlenſtoff
in der Atmoſphäre enthalten?

Dieſe beiden Fragen umfaſſen zwei der merkwürdigſten
Naturerſcheinungen, welche, gegenſeitig ununterbrochen in Thä-
tigkeit, das Leben und Fortbeſtehen der Thiere und Vegetabilien
auf unendliche Zeiten hinaus auf die bewunderungswürdigſte
Weiſe bedingen und vermitteln.

Die eine dieſer Fragen bezieht ſich auf den unveränder-
lichen Gehalt der Luft an Sauerſtoff: zu jeder Jahreszeit und
in allen Klimaten hat man darin in 100 Volum-Theilen 21

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[15/0033] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. Niemanden wird es in den Sinn kommen, den Einfluß des Düngers auf die Entwickelung der Culturgewächſe zu läugnen, allein mit poſitiver Gewißheit kann man behaupten, daß er zur Hervorbringung des Kohlenſtoffs in den Pflanzen nicht gedient, daß er keinen directen Einfluß darauf gehabt hat, denn wir finden ja, daß der Kohlenſtoff, vom gedüngten Lande hervorgebracht, nicht mehr beträgt, als der Kohlenſtoff des ungedüngten. Die Frage nach der Wirkungsweiſe des Düngers hat mit der nach dem Urſprung des Kohlenſtoffs nicht das Geringſte zu thun. Der Kohlenſtoff der Vegetabilien muß nothwendigerweiſe aus einer andern Quelle ſtammen, und da es der Boden nicht iſt, der ihn liefert, ſo kann dieſe nur die Atmoſphäre ſein. Bei der Löſung des Problems über den Urſprung des Kohlenſtoffs in den Pflanzen hat man durchaus unberückſichtigt gelaſſen, daß dieſe Frage gleichzeitig den Urſprung des Humus umfaßt. Der Humus entſteht nach aller Anſicht durch Fäulniß und Verweſung von Pflanzen und Pflanzentheilen; eine Urdammerde, einen Urhumus kann es alſo nicht geben, denn es waren vor dem Humus Pflanzen vorhanden. Wo nahmen nun dieſe ih- ren Kohlenſtoff her, und in welcher Form iſt der Kohlenſtoff in der Atmoſphäre enthalten? Dieſe beiden Fragen umfaſſen zwei der merkwürdigſten Naturerſcheinungen, welche, gegenſeitig ununterbrochen in Thä- tigkeit, das Leben und Fortbeſtehen der Thiere und Vegetabilien auf unendliche Zeiten hinaus auf die bewunderungswürdigſte Weiſe bedingen und vermitteln. Die eine dieſer Fragen bezieht ſich auf den unveränder- lichen Gehalt der Luft an Sauerſtoff: zu jeder Jahreszeit und in allen Klimaten hat man darin in 100 Volum-Theilen 21

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/33>, abgerufen am 18.04.2024.