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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Gift, Contagien, Miasmen.
kennen wir keine Thatsachen, welche geeignet wären, zu einer
bestimmten Ansicht zu führen; allein es läßt sich mit positiver
Gewißheit voraussehen, daß Versuche über ihr chemisches Ver-
halten zu thierischen Substanzen sehr bald die genügendsten
Aufschlüsse über die Ursache ihrer Wirksamkeit geben werden.

Eine ganz besondere Art von Stoffen, welche durch Zer-
setzungsprocesse eigenthümlicher Art erzeugbar sind, wirken auf
den lebenden Organismus als tödtliche Gifte, nicht durch ihre
Fähigkeit, eine Verbindung einzugehen, eben so wenig weil sie
einen giftigen Stoff enthalten, sondern durch den Zustand, in
dem sie sich befinden.

Um eine klare Vorstellung über die Wirkungsweise dieser
Körper zu haben, ist es nöthig, sich an die Ursache zu erin-
nern, welche die Erscheinungen der Gährung, Fäulniß und
Verwesung bedingt.

In der einfachsten Form läßt sich diese Ursache durch fol-
genden Grundsatz ausdrücken, welcher von La Place und
Berthollet seit Langem aufgestellt, für chemische Erscheinun-
gen aber erst in der neueren Zeit bewiesen wurde. ""Ein
durch irgend eine Kraft in Bewegung gesetztes Atom
(Molecule) kann seine eigene Bewegung einem an-
dern Atom mittheilen, welches sich in Berührung
damit befindet
.""

Es ist dieß ein Gesetz der Dynamik, beweisbar für alle Fälle,
wo der Widerstand (die Kraft, Verwandtschaft, Cohä-
sion
), der sich der Bewegung entgegensetzt, nicht hinreicht,
um sie aufzuheben.

Wir wissen, daß das Ferment, die Hefe, ein Körper ist,
der sich im Zustande der Zersetzung, dessen Atome sich im Zu-
stande der Umsetzung, der Bewegung befinden; mit Zucker und
Wasser in Berührung überträgt sich der Zustand, worin sich die

Gift, Contagien, Miasmen.
kennen wir keine Thatſachen, welche geeignet wären, zu einer
beſtimmten Anſicht zu führen; allein es läßt ſich mit poſitiver
Gewißheit vorausſehen, daß Verſuche über ihr chemiſches Ver-
halten zu thieriſchen Subſtanzen ſehr bald die genügendſten
Aufſchlüſſe über die Urſache ihrer Wirkſamkeit geben werden.

Eine ganz beſondere Art von Stoffen, welche durch Zer-
ſetzungsproceſſe eigenthümlicher Art erzeugbar ſind, wirken auf
den lebenden Organismus als tödtliche Gifte, nicht durch ihre
Fähigkeit, eine Verbindung einzugehen, eben ſo wenig weil ſie
einen giftigen Stoff enthalten, ſondern durch den Zuſtand, in
dem ſie ſich befinden.

Um eine klare Vorſtellung über die Wirkungsweiſe dieſer
Körper zu haben, iſt es nöthig, ſich an die Urſache zu erin-
nern, welche die Erſcheinungen der Gährung, Fäulniß und
Verweſung bedingt.

In der einfachſten Form läßt ſich dieſe Urſache durch fol-
genden Grundſatz ausdrücken, welcher von La Place und
Berthollet ſeit Langem aufgeſtellt, für chemiſche Erſcheinun-
gen aber erſt in der neueren Zeit bewieſen wurde. »»Ein
durch irgend eine Kraft in Bewegung geſetztes Atom
(Molécule) kann ſeine eigene Bewegung einem an-
dern Atom mittheilen, welches ſich in Berührung
damit befindet
.««

Es iſt dieß ein Geſetz der Dynamik, beweisbar für alle Fälle,
wo der Widerſtand (die Kraft, Verwandtſchaft, Cohä-
ſion
), der ſich der Bewegung entgegenſetzt, nicht hinreicht,
um ſie aufzuheben.

Wir wiſſen, daß das Ferment, die Hefe, ein Körper iſt,
der ſich im Zuſtande der Zerſetzung, deſſen Atome ſich im Zu-
ſtande der Umſetzung, der Bewegung befinden; mit Zucker und
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[311/0329] Gift, Contagien, Miasmen. kennen wir keine Thatſachen, welche geeignet wären, zu einer beſtimmten Anſicht zu führen; allein es läßt ſich mit poſitiver Gewißheit vorausſehen, daß Verſuche über ihr chemiſches Ver- halten zu thieriſchen Subſtanzen ſehr bald die genügendſten Aufſchlüſſe über die Urſache ihrer Wirkſamkeit geben werden. Eine ganz beſondere Art von Stoffen, welche durch Zer- ſetzungsproceſſe eigenthümlicher Art erzeugbar ſind, wirken auf den lebenden Organismus als tödtliche Gifte, nicht durch ihre Fähigkeit, eine Verbindung einzugehen, eben ſo wenig weil ſie einen giftigen Stoff enthalten, ſondern durch den Zuſtand, in dem ſie ſich befinden. Um eine klare Vorſtellung über die Wirkungsweiſe dieſer Körper zu haben, iſt es nöthig, ſich an die Urſache zu erin- nern, welche die Erſcheinungen der Gährung, Fäulniß und Verweſung bedingt. In der einfachſten Form läßt ſich dieſe Urſache durch fol- genden Grundſatz ausdrücken, welcher von La Place und Berthollet ſeit Langem aufgeſtellt, für chemiſche Erſcheinun- gen aber erſt in der neueren Zeit bewieſen wurde. »»Ein durch irgend eine Kraft in Bewegung geſetztes Atom (Molécule) kann ſeine eigene Bewegung einem an- dern Atom mittheilen, welches ſich in Berührung damit befindet.«« Es iſt dieß ein Geſetz der Dynamik, beweisbar für alle Fälle, wo der Widerſtand (die Kraft, Verwandtſchaft, Cohä- ſion), der ſich der Bewegung entgegenſetzt, nicht hinreicht, um ſie aufzuheben. Wir wiſſen, daß das Ferment, die Hefe, ein Körper iſt, der ſich im Zuſtande der Zerſetzung, deſſen Atome ſich im Zu- ſtande der Umſetzung, der Bewegung befinden; mit Zucker und Waſſer in Berührung überträgt ſich der Zuſtand, worin ſich die

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/329>, abgerufen am 24.11.2024.