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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.
lands, fallen nach Schübler auf 1 Quadratfuß Fläche, in den
Monaten April, Mai, Juni und Juli 171/2 Lb (2 Lb hess.=1 Kilogr.)
Regen. Ein Morgen Land (2500 #Meter) empfängt mithin
700,000 Lb Regenwasser.

Nehmen wir nun an, daß diese ganze Quantität Wasser
von den Wurzeln einer Sommerfrucht aufgenommen werde,
die in 4 Monaten gepflanzt wird und reift, in der Art also,
daß kein Pfund von diesem Wasser anders als durch die
Blätter verdunste.

Nehmen wir ferner an, daß dieses Regenwasser mit hu-
mussaurem Kalk (dem löslichsten und an Humussäure reichsten
ihrer Salze) gesättigt von den Wurzeln aufgenommen werde,
so nimmt die Pflanze durch dieses Wasser, da ein Theil
humussaurer Kalk 2500 Theile Wasser zu seiner Auflösung
bedarf, 300 Lb Humussäure auf.

Es wachsen aber auf diesem Felde 2580 Lb Getreide (Stroh
und Korn, die Wurzeln nicht gerechnet) oder 20,000 Lb Run-
kelrüben (ohne die Blätter und kleinen Wurzeln). Man sieht
leicht ein, daß diese 300 Lb Humussäure noch nicht genügen,
um Rechenschaft über den Kohlenstoffgehalt der Blätter und
Wurzeln zu geben, und da man weiß, daß von dem Regen-
wasser, was auf die Oberfläche der Erde fällt, verhältnißmä-
ßig nur ein sehr kleiner Theil durch die Pflanze verdunstet, so
verringert sich die Kohlenstoffmenge, welche durch die Humussäure
denkbarer Weise producirt, wenn man sie mit der wirklich
produzirten vergleicht, auf eine beinahe verschwindende Menge.

Betrachtungen anderer und höherer Art widerlegen die ge-
wöhnliche Ansicht über die Wirkungsweise der Humussäure auf
eine so entschiedene und zweifellose Weise, daß man im Grunde
nicht begreift, wie man überhaupt dazu gelangen konnte.

Die Felder produciren Kohlenstoff in der Form von Holz,

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.
lands, fallen nach Schübler auf 1 Quadratfuß Fläche, in den
Monaten April, Mai, Juni und Juli 17½ ℔ (2 ℔ heſſ.=1 Kilogr.)
Regen. Ein Morgen Land (2500 □Meter) empfängt mithin
700,000 ℔ Regenwaſſer.

Nehmen wir nun an, daß dieſe ganze Quantität Waſſer
von den Wurzeln einer Sommerfrucht aufgenommen werde,
die in 4 Monaten gepflanzt wird und reift, in der Art alſo,
daß kein Pfund von dieſem Waſſer anders als durch die
Blätter verdunſte.

Nehmen wir ferner an, daß dieſes Regenwaſſer mit hu-
musſaurem Kalk (dem löslichſten und an Humusſäure reichſten
ihrer Salze) geſättigt von den Wurzeln aufgenommen werde,
ſo nimmt die Pflanze durch dieſes Waſſer, da ein Theil
humusſaurer Kalk 2500 Theile Waſſer zu ſeiner Auflöſung
bedarf, 300 ℔ Humusſäure auf.

Es wachſen aber auf dieſem Felde 2580 ℔ Getreide (Stroh
und Korn, die Wurzeln nicht gerechnet) oder 20,000 ℔ Run-
kelrüben (ohne die Blätter und kleinen Wurzeln). Man ſieht
leicht ein, daß dieſe 300 ℔ Humusſäure noch nicht genügen,
um Rechenſchaft über den Kohlenſtoffgehalt der Blätter und
Wurzeln zu geben, und da man weiß, daß von dem Regen-
waſſer, was auf die Oberfläche der Erde fällt, verhältnißmä-
ßig nur ein ſehr kleiner Theil durch die Pflanze verdunſtet, ſo
verringert ſich die Kohlenſtoffmenge, welche durch die Humusſäure
denkbarer Weiſe producirt, wenn man ſie mit der wirklich
produzirten vergleicht, auf eine beinahe verſchwindende Menge.

Betrachtungen anderer und höherer Art widerlegen die ge-
wöhnliche Anſicht über die Wirkungsweiſe der Humusſäure auf
eine ſo entſchiedene und zweifelloſe Weiſe, daß man im Grunde
nicht begreift, wie man überhaupt dazu gelangen konnte.

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[12/0030] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. lands, fallen nach Schübler auf 1 Quadratfuß Fläche, in den Monaten April, Mai, Juni und Juli 17½ ℔ (2 ℔ heſſ.=1 Kilogr.) Regen. Ein Morgen Land (2500 □Meter) empfängt mithin 700,000 ℔ Regenwaſſer. Nehmen wir nun an, daß dieſe ganze Quantität Waſſer von den Wurzeln einer Sommerfrucht aufgenommen werde, die in 4 Monaten gepflanzt wird und reift, in der Art alſo, daß kein Pfund von dieſem Waſſer anders als durch die Blätter verdunſte. Nehmen wir ferner an, daß dieſes Regenwaſſer mit hu- musſaurem Kalk (dem löslichſten und an Humusſäure reichſten ihrer Salze) geſättigt von den Wurzeln aufgenommen werde, ſo nimmt die Pflanze durch dieſes Waſſer, da ein Theil humusſaurer Kalk 2500 Theile Waſſer zu ſeiner Auflöſung bedarf, 300 ℔ Humusſäure auf. Es wachſen aber auf dieſem Felde 2580 ℔ Getreide (Stroh und Korn, die Wurzeln nicht gerechnet) oder 20,000 ℔ Run- kelrüben (ohne die Blätter und kleinen Wurzeln). Man ſieht leicht ein, daß dieſe 300 ℔ Humusſäure noch nicht genügen, um Rechenſchaft über den Kohlenſtoffgehalt der Blätter und Wurzeln zu geben, und da man weiß, daß von dem Regen- waſſer, was auf die Oberfläche der Erde fällt, verhältnißmä- ßig nur ein ſehr kleiner Theil durch die Pflanze verdunſtet, ſo verringert ſich die Kohlenſtoffmenge, welche durch die Humusſäure denkbarer Weiſe producirt, wenn man ſie mit der wirklich produzirten vergleicht, auf eine beinahe verſchwindende Menge. Betrachtungen anderer und höherer Art widerlegen die ge- wöhnliche Anſicht über die Wirkungsweiſe der Humusſäure auf eine ſo entſchiedene und zweifelloſe Weiſe, daß man im Grunde nicht begreift, wie man überhaupt dazu gelangen konnte. Die Felder produciren Kohlenſtoff in der Form von Holz,

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/30>, abgerufen am 29.03.2024.