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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Verwesung stickstofffreier Körper. Essigbildung.
Fähigkeit erhielt er wieder bei erneuter Berührung mit der
Luft.

Fleischspeisen jeder Art, die am leichtesten veränderlichen Ge-
müse gerathen nicht in Fäulniß, wenn sie in luftdicht verschlossenen
Gefäßen der Siedhitze des Wassers ausgesetzt werden; man hat
Speisen dieser Art nach 15 Jahren in demselben Zustande der
Frische und des Wohlgeschmacks bei dem Eröffnen wiedergefun-
den, den sie bei dem Einfüllen besaßen.

Man kann sich über die Wirkungsweise des Sauerstoffs in
diesen Zersetzungsprocessen nicht täuschen, sie beruht in der
Veränderung, welche in dem Traubensafte und den Pflanzen-
säften die aufgelös'ten stickstoffhaltigen Materien erfahren, in
dem Zustande der Entmischung, in welchen sie in Folge der Be-
rührung mit dem Sauerstoff übergehen.

Der Sauerstoff wirkt hierbei ähnlich, wie Reibung, Stoß
oder Bewegung, welche gegenseitige Zersetzung zweier Salze,
welche das Krystallisiren einer gesättigten Salzauflösung, das
Explodiren von Knallsilber bewirken, er veranlaßt die Auf-
hebung des Zustandes der Ruhe und vermittelt den Uebergang
in den Zustand der Bewegung.

Ist dieser Zustand einmal eingetreten, so bedarf es seiner
Gegenwart nicht mehr. Das kleinste Theilchen des sich zer-
setzenden, des sich umsetzenden stickstoffhaltigen Körpers wirkt
an seiner Stelle, die Bewegung fortpflanzend, auf das neben
ihm liegende. Die Luft kann abgeschlossen werden, und die
Gährung oder Fäulniß geht ununterbrochen bis zu ihrer Voll-
endung fort. Bei manchen Früchten hat man bemerkt, daß
es nur des Contacts der Kohlensäure bedarf, um die Gäh-
rung des Saftes hervorzubringen.

Unter den Bedingungen zur Einleitung der Verwesung
können als chemische die Berührung mit Ammoniak und mit

Verweſung ſtickſtofffreier Körper. Eſſigbildung.
Fähigkeit erhielt er wieder bei erneuter Berührung mit der
Luft.

Fleiſchſpeiſen jeder Art, die am leichteſten veränderlichen Ge-
müſe gerathen nicht in Fäulniß, wenn ſie in luftdicht verſchloſſenen
Gefäßen der Siedhitze des Waſſers ausgeſetzt werden; man hat
Speiſen dieſer Art nach 15 Jahren in demſelben Zuſtande der
Friſche und des Wohlgeſchmacks bei dem Eröffnen wiedergefun-
den, den ſie bei dem Einfüllen beſaßen.

Man kann ſich über die Wirkungsweiſe des Sauerſtoffs in
dieſen Zerſetzungsproceſſen nicht täuſchen, ſie beruht in der
Veränderung, welche in dem Traubenſafte und den Pflanzen-
ſäften die aufgelöſ’ten ſtickſtoffhaltigen Materien erfahren, in
dem Zuſtande der Entmiſchung, in welchen ſie in Folge der Be-
rührung mit dem Sauerſtoff übergehen.

Der Sauerſtoff wirkt hierbei ähnlich, wie Reibung, Stoß
oder Bewegung, welche gegenſeitige Zerſetzung zweier Salze,
welche das Kryſtalliſiren einer geſättigten Salzauflöſung, das
Explodiren von Knallſilber bewirken, er veranlaßt die Auf-
hebung des Zuſtandes der Ruhe und vermittelt den Uebergang
in den Zuſtand der Bewegung.

Iſt dieſer Zuſtand einmal eingetreten, ſo bedarf es ſeiner
Gegenwart nicht mehr. Das kleinſte Theilchen des ſich zer-
ſetzenden, des ſich umſetzenden ſtickſtoffhaltigen Körpers wirkt
an ſeiner Stelle, die Bewegung fortpflanzend, auf das neben
ihm liegende. Die Luft kann abgeſchloſſen werden, und die
Gährung oder Fäulniß geht ununterbrochen bis zu ihrer Voll-
endung fort. Bei manchen Früchten hat man bemerkt, daß
es nur des Contacts der Kohlenſäure bedarf, um die Gäh-
rung des Saftes hervorzubringen.

Unter den Bedingungen zur Einleitung der Verweſung
können als chemiſche die Berührung mit Ammoniak und mit

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[249/0267] Verweſung ſtickſtofffreier Körper. Eſſigbildung. Fähigkeit erhielt er wieder bei erneuter Berührung mit der Luft. Fleiſchſpeiſen jeder Art, die am leichteſten veränderlichen Ge- müſe gerathen nicht in Fäulniß, wenn ſie in luftdicht verſchloſſenen Gefäßen der Siedhitze des Waſſers ausgeſetzt werden; man hat Speiſen dieſer Art nach 15 Jahren in demſelben Zuſtande der Friſche und des Wohlgeſchmacks bei dem Eröffnen wiedergefun- den, den ſie bei dem Einfüllen beſaßen. Man kann ſich über die Wirkungsweiſe des Sauerſtoffs in dieſen Zerſetzungsproceſſen nicht täuſchen, ſie beruht in der Veränderung, welche in dem Traubenſafte und den Pflanzen- ſäften die aufgelöſ’ten ſtickſtoffhaltigen Materien erfahren, in dem Zuſtande der Entmiſchung, in welchen ſie in Folge der Be- rührung mit dem Sauerſtoff übergehen. Der Sauerſtoff wirkt hierbei ähnlich, wie Reibung, Stoß oder Bewegung, welche gegenſeitige Zerſetzung zweier Salze, welche das Kryſtalliſiren einer geſättigten Salzauflöſung, das Explodiren von Knallſilber bewirken, er veranlaßt die Auf- hebung des Zuſtandes der Ruhe und vermittelt den Uebergang in den Zuſtand der Bewegung. Iſt dieſer Zuſtand einmal eingetreten, ſo bedarf es ſeiner Gegenwart nicht mehr. Das kleinſte Theilchen des ſich zer- ſetzenden, des ſich umſetzenden ſtickſtoffhaltigen Körpers wirkt an ſeiner Stelle, die Bewegung fortpflanzend, auf das neben ihm liegende. Die Luft kann abgeſchloſſen werden, und die Gährung oder Fäulniß geht ununterbrochen bis zu ihrer Voll- endung fort. Bei manchen Früchten hat man bemerkt, daß es nur des Contacts der Kohlenſäure bedarf, um die Gäh- rung des Saftes hervorzubringen. Unter den Bedingungen zur Einleitung der Verweſung können als chemiſche die Berührung mit Ammoniak und mit

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/267>, abgerufen am 23.11.2024.