ner eigenen Masse (Colin), unter Wasser fährt es fort, Koh- lensäure und übelriechende Gase zu entwickeln (Thenard), und ist zuletzt in eine dem alten Käse ähnliche Masse verwan- delt (Proust); seine Fähigkeit, Gährung zu erregen, ist mit Vollendung dieser Fäulniß verschwunden.
Zur Erhaltung der Eigenschaften des Ferments ist die Ge- genwart von Wasser eine Bedingung; schon durch bloßes Aus- pressen wird seine Fähigkeit, Gährung zu erregen, verringert, durch Austrocknen wird sie vernichtet; sie wird gänzlich aufge- hoben durch Siedhitze, Alkohol, Kochsalz, ein Ueber- maß von Zucker, Quecksilberoxid, Sublimat, Holzessig, schweflige Säure, salpetersaures Sil- beroxid, ätherische Oele, durch lauter Substanzen also, welche der Fäulniß entgegenwirken.
Der unlösliche Körper, den man Ferment nennt, bewirkt die Gährung nicht. Wird die Bier- oder Wein- hefe mit ausgekochtem kaltem destillirtem Wasser sorgfältig aus- gewaschen mit der Vorsicht, daß die Substanz stets mit Wasser bedeckt bleibt, so bringt der Rückstand die Gährung in Zucker- wasser nicht mehr hervor.
Der lösliche Theil des Ferments bewirkt die Gährung ebenfalls nicht. Ein in der Wärme bereiteter klarer wässriger Aufguß von Ferment kann mit Zuckerwasser in einem verschlossenen Gefäße zusammengebracht werden, ohne das mindeste Zeichen von Zersetzung hervorzubringen. Wo ist nun, kann man fragen, der Stoff oder die Materie, wo ist der Erreger der Gährung in dem Ferment, wenn die un- löslichen und löslichen Bestandtheile des Ferments diese Zer- setzung nicht hervorzubringen vermögen? Dieß ist von Colin auf die entschiedenste Weise beantwortet worden; sie wird durch den aufgelös'ten Stoff bewirkt, wenn der
Hefe, Ferment.
ner eigenen Maſſe (Colin), unter Waſſer fährt es fort, Koh- lenſäure und übelriechende Gaſe zu entwickeln (Thénard), und iſt zuletzt in eine dem alten Käſe ähnliche Maſſe verwan- delt (Prouſt); ſeine Fähigkeit, Gährung zu erregen, iſt mit Vollendung dieſer Fäulniß verſchwunden.
Zur Erhaltung der Eigenſchaften des Ferments iſt die Ge- genwart von Waſſer eine Bedingung; ſchon durch bloßes Aus- preſſen wird ſeine Fähigkeit, Gährung zu erregen, verringert, durch Austrocknen wird ſie vernichtet; ſie wird gänzlich aufge- hoben durch Siedhitze, Alkohol, Kochſalz, ein Ueber- maß von Zucker, Queckſilberoxid, Sublimat, Holzeſſig, ſchweflige Säure, ſalpeterſaures Sil- beroxid, ätheriſche Oele, durch lauter Subſtanzen alſo, welche der Fäulniß entgegenwirken.
Der unlösliche Körper, den man Ferment nennt, bewirkt die Gährung nicht. Wird die Bier- oder Wein- hefe mit ausgekochtem kaltem deſtillirtem Waſſer ſorgfältig aus- gewaſchen mit der Vorſicht, daß die Subſtanz ſtets mit Waſſer bedeckt bleibt, ſo bringt der Rückſtand die Gährung in Zucker- waſſer nicht mehr hervor.
Der lösliche Theil des Ferments bewirkt die Gährung ebenfalls nicht. Ein in der Wärme bereiteter klarer wäſſriger Aufguß von Ferment kann mit Zuckerwaſſer in einem verſchloſſenen Gefäße zuſammengebracht werden, ohne das mindeſte Zeichen von Zerſetzung hervorzubringen. Wo iſt nun, kann man fragen, der Stoff oder die Materie, wo iſt der Erreger der Gährung in dem Ferment, wenn die un- löslichen und löslichen Beſtandtheile des Ferments dieſe Zer- ſetzung nicht hervorzubringen vermögen? Dieß iſt von Colin auf die entſchiedenſte Weiſe beantwortet worden; ſie wird durch den aufgelöſ’ten Stoff bewirkt, wenn der
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Hefe, Ferment.
ner eigenen Maſſe (Colin), unter Waſſer fährt es fort, Koh-
lenſäure und übelriechende Gaſe zu entwickeln (Thénard),
und iſt zuletzt in eine dem alten Käſe ähnliche Maſſe verwan-
delt (Prouſt); ſeine Fähigkeit, Gährung zu erregen, iſt mit
Vollendung dieſer Fäulniß verſchwunden.
Zur Erhaltung der Eigenſchaften des Ferments iſt die Ge-
genwart von Waſſer eine Bedingung; ſchon durch bloßes Aus-
preſſen wird ſeine Fähigkeit, Gährung zu erregen, verringert,
durch Austrocknen wird ſie vernichtet; ſie wird gänzlich aufge-
hoben durch Siedhitze, Alkohol, Kochſalz, ein Ueber-
maß von Zucker, Queckſilberoxid, Sublimat,
Holzeſſig, ſchweflige Säure, ſalpeterſaures Sil-
beroxid, ätheriſche Oele, durch lauter Subſtanzen alſo,
welche der Fäulniß entgegenwirken.
Der unlösliche Körper, den man Ferment nennt,
bewirkt die Gährung nicht. Wird die Bier- oder Wein-
hefe mit ausgekochtem kaltem deſtillirtem Waſſer ſorgfältig aus-
gewaſchen mit der Vorſicht, daß die Subſtanz ſtets mit Waſſer
bedeckt bleibt, ſo bringt der Rückſtand die Gährung in Zucker-
waſſer nicht mehr hervor.
Der lösliche Theil des Ferments bewirkt die
Gährung ebenfalls nicht. Ein in der Wärme bereiteter
klarer wäſſriger Aufguß von Ferment kann mit Zuckerwaſſer
in einem verſchloſſenen Gefäße zuſammengebracht werden, ohne
das mindeſte Zeichen von Zerſetzung hervorzubringen. Wo
iſt nun, kann man fragen, der Stoff oder die Materie, wo
iſt der Erreger der Gährung in dem Ferment, wenn die un-
löslichen und löslichen Beſtandtheile des Ferments dieſe Zer-
ſetzung nicht hervorzubringen vermögen? Dieß iſt von Colin
auf die entſchiedenſte Weiſe beantwortet worden; ſie wird
durch den aufgelöſ’ten Stoff bewirkt, wenn der
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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/249>, abgerufen am 22.07.2024.
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