Die organischen Verbindungen, Holzfaser, Zucker, Gummi und alle übrigen erleiden bei Berührung mit andern Körpern gewisse Aenderungen in ihren Eigenschaften, sie erleiden eine Zersetzung.
Diese Zersetzungsweisen nehmen in der organischen Chemie zweierlei Formen an.
Denken wir uns eine aus zwei zusammengesetzten Körpern bestehende Verbindung, die krystallisirte Oxalsäure z. B., die wir mit concentrirter Schwefelsäure in Berührung bringen, so erfolgt bei der gelindesten Erwärmung eine vollkommne Zer- setzung. Die krystallisirte Oxalsäure ist eine Verbindung von Wasser mit Oxalsäure, die concentrirte Schwefelsäure besitzt zu dem Wasser eine bei weitem größere Anziehung als die Oxalsäure, sie entzieht der krystallisirten alles Wasser. In Folge dieser Wasserentziehung wird wasserfreie Oxalsäure ab- geschieden, aber diese Säure kann für sich, ohne mit einem andern Körper verbunden zu sein, nicht bestehen; ihre Bestand- theile theilen sich in Kohlensäure und Kohlenoxid, die sich zu gleichen Raumtheilen gasförmig entwickeln.
In diesem Beispiel ist Zersetzung in Folge des Austretens zweier Bestandtheile (der Elemente des Wassers) vor sich ge- gangen, die sich mit der Schwefelsäure vereinigt haben. Die
Chemiſche Metamorphoſen.
Die organiſchen Verbindungen, Holzfaſer, Zucker, Gummi und alle übrigen erleiden bei Berührung mit andern Körpern gewiſſe Aenderungen in ihren Eigenſchaften, ſie erleiden eine Zerſetzung.
Dieſe Zerſetzungsweiſen nehmen in der organiſchen Chemie zweierlei Formen an.
Denken wir uns eine aus zwei zuſammengeſetzten Körpern beſtehende Verbindung, die kryſtalliſirte Oxalſäure z. B., die wir mit concentrirter Schwefelſäure in Berührung bringen, ſo erfolgt bei der gelindeſten Erwärmung eine vollkommne Zer- ſetzung. Die kryſtalliſirte Oxalſäure iſt eine Verbindung von Waſſer mit Oxalſäure, die concentrirte Schwefelſäure beſitzt zu dem Waſſer eine bei weitem größere Anziehung als die Oxalſäure, ſie entzieht der kryſtalliſirten alles Waſſer. In Folge dieſer Waſſerentziehung wird waſſerfreie Oxalſäure ab- geſchieden, aber dieſe Säure kann für ſich, ohne mit einem andern Körper verbunden zu ſein, nicht beſtehen; ihre Beſtand- theile theilen ſich in Kohlenſäure und Kohlenoxid, die ſich zu gleichen Raumtheilen gasförmig entwickeln.
In dieſem Beiſpiel iſt Zerſetzung in Folge des Austretens zweier Beſtandtheile (der Elemente des Waſſers) vor ſich ge- gangen, die ſich mit der Schwefelſäure vereinigt haben. Die
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0217"n="[199]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Chemiſche Metamorphoſen.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>ie organiſchen Verbindungen, Holzfaſer, Zucker, Gummi<lb/>
und alle übrigen erleiden bei Berührung mit andern Körpern<lb/>
gewiſſe Aenderungen in ihren Eigenſchaften, ſie erleiden eine<lb/><hirendition="#g">Zerſetzung</hi>.</p><lb/><p>Dieſe Zerſetzungsweiſen nehmen in der organiſchen Chemie<lb/>
zweierlei Formen an.</p><lb/><p>Denken wir uns eine aus zwei zuſammengeſetzten Körpern<lb/>
beſtehende Verbindung, die kryſtalliſirte <hirendition="#g">Oxalſäure</hi> z. B.,<lb/>
die wir mit concentrirter Schwefelſäure in Berührung bringen, ſo<lb/>
erfolgt bei der gelindeſten Erwärmung eine vollkommne Zer-<lb/>ſetzung. Die kryſtalliſirte Oxalſäure iſt eine Verbindung von<lb/>
Waſſer mit Oxalſäure, die concentrirte Schwefelſäure beſitzt<lb/>
zu dem Waſſer eine bei weitem größere Anziehung als die<lb/>
Oxalſäure, ſie entzieht der kryſtalliſirten alles Waſſer. In<lb/>
Folge dieſer Waſſerentziehung wird waſſerfreie Oxalſäure ab-<lb/>
geſchieden, aber dieſe Säure kann für ſich, ohne mit einem<lb/>
andern Körper verbunden zu ſein, nicht beſtehen; ihre Beſtand-<lb/>
theile theilen ſich in Kohlenſäure und Kohlenoxid, die ſich zu<lb/>
gleichen Raumtheilen gasförmig entwickeln.</p><lb/><p>In dieſem Beiſpiel iſt Zerſetzung in Folge des Austretens<lb/>
zweier Beſtandtheile (der Elemente des Waſſers) vor ſich ge-<lb/>
gangen, die ſich mit der Schwefelſäure vereinigt haben. Die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[199]/0217]
Chemiſche Metamorphoſen.
Die organiſchen Verbindungen, Holzfaſer, Zucker, Gummi
und alle übrigen erleiden bei Berührung mit andern Körpern
gewiſſe Aenderungen in ihren Eigenſchaften, ſie erleiden eine
Zerſetzung.
Dieſe Zerſetzungsweiſen nehmen in der organiſchen Chemie
zweierlei Formen an.
Denken wir uns eine aus zwei zuſammengeſetzten Körpern
beſtehende Verbindung, die kryſtalliſirte Oxalſäure z. B.,
die wir mit concentrirter Schwefelſäure in Berührung bringen, ſo
erfolgt bei der gelindeſten Erwärmung eine vollkommne Zer-
ſetzung. Die kryſtalliſirte Oxalſäure iſt eine Verbindung von
Waſſer mit Oxalſäure, die concentrirte Schwefelſäure beſitzt
zu dem Waſſer eine bei weitem größere Anziehung als die
Oxalſäure, ſie entzieht der kryſtalliſirten alles Waſſer. In
Folge dieſer Waſſerentziehung wird waſſerfreie Oxalſäure ab-
geſchieden, aber dieſe Säure kann für ſich, ohne mit einem
andern Körper verbunden zu ſein, nicht beſtehen; ihre Beſtand-
theile theilen ſich in Kohlenſäure und Kohlenoxid, die ſich zu
gleichen Raumtheilen gasförmig entwickeln.
In dieſem Beiſpiel iſt Zerſetzung in Folge des Austretens
zweier Beſtandtheile (der Elemente des Waſſers) vor ſich ge-
gangen, die ſich mit der Schwefelſäure vereinigt haben. Die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. [199]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/217>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.