Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.Die Cultur. gelös'tem Zustande stets begleitet sein von einer stickstoffhaltigenVerbindung, es ist höchst wahrscheinlich, daß sich Holz und Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben- einander bilden, und in diesem Falle ist ein bestimmtes Ver- hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entstehung. Alles übrige gleich gesetzt, wird hiernach nur eine dem Die Ausschwitzungen gesunder kräftiger Pflanzen von Man- Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver- *) Herr Advokat Trapp in Gießen besitzt eine wohlriechende Volkamerie
(Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüsen im September, wo sie im Zimmer vegetirte, große farblose Tropfen ausschwitzen, die zu den regelmäßigsten Krystallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es ist mir nicht bekannt, ob der Saft dieser Pflanze Zucker enthält. Die Cultur. gelöſ’tem Zuſtande ſtets begleitet ſein von einer ſtickſtoffhaltigenVerbindung, es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß ſich Holz und Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben- einander bilden, und in dieſem Falle iſt ein beſtimmtes Ver- hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entſtehung. Alles übrige gleich geſetzt, wird hiernach nur eine dem Die Ausſchwitzungen geſunder kräftiger Pflanzen von Man- Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver- *) Herr Advokat Trapp in Gießen beſitzt eine wohlriechende Volkamerie
(Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüſen im September, wo ſie im Zimmer vegetirte, große farbloſe Tropfen ausſchwitzen, die zu den regelmäßigſten Kryſtallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es iſt mir nicht bekannt, ob der Saft dieſer Pflanze Zucker enthält. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0137" n="119"/><fw place="top" type="header">Die Cultur.</fw><lb/> gelöſ’tem Zuſtande ſtets begleitet ſein von einer ſtickſtoffhaltigen<lb/> Verbindung, es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß ſich Holz und<lb/> Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben-<lb/> einander bilden, und in dieſem Falle iſt ein beſtimmtes Ver-<lb/> hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entſtehung.</p><lb/> <p>Alles übrige gleich geſetzt, wird hiernach nur eine dem<lb/> Stickſtoffgehalt entſprechende Quantität der von den Blättern<lb/> erzeugten Subſtanzen aſſimilirbar ſein; fehlt es an Stickſtoff,<lb/> ſo wird eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanz in irgend<lb/> einer Form nicht verwendet und als Excremente der Blätter,<lb/> Zweige, Rinden und Wurzeln abgeſchieden werden.</p><lb/> <p>Die Ausſchwitzungen geſunder kräftiger Pflanzen von Man-<lb/> nit, von Gummi und Zucker können keiner andern Urſache zu-<lb/> geſchrieben werden <note place="foot" n="*)">Herr Advokat <hi rendition="#g">Trapp</hi> in Gießen beſitzt eine wohlriechende Volkamerie<lb/> (<hi rendition="#aq">Clerodendron fragrans</hi>), in deren Blattdrüſen im September, wo ſie<lb/> im Zimmer vegetirte, große farbloſe Tropfen ausſchwitzen, die zu den<lb/> regelmäßigſten Kryſtallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es iſt mir<lb/> nicht bekannt, ob der Saft dieſer Pflanze Zucker enthält.</note>.</p><lb/> <p>Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver-<lb/> dauung im menſchlichen Organismus; wenn jedem Theil des<lb/> Körpers erſetzt werden ſoll, was er durch Reſpiration und Ex-<lb/> halationsproceſſe verliert, ſo muß den Organen der Ver-<lb/> dauung ein beſtimmtes Verhältniß von ſtickſtofffreien und ſtick-<lb/> ſtoffhaltigen Nahrungsmitteln dargeboten werden. Iſt die<lb/> Quantität der zugeführten ſtickſtofffreien Subſtanzen überwie-<lb/> gend, ſo werden ſie entweder zur Fettbildung verwendet oder<lb/> ſie gehen unverändert durch den Organismus hindurch. Man<lb/> beobachtet dies namentlich bei Menſchen, die ſich beinahe aus-<lb/> ſchließlich von Kartoffeln nähren; ihre Excremente enthalten<lb/> eine große Menge ganz unveränderter Stärkemehlkörnchen; bei<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0137]
Die Cultur.
gelöſ’tem Zuſtande ſtets begleitet ſein von einer ſtickſtoffhaltigen
Verbindung, es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß ſich Holz und
Pflanzenleim, Amylon und Zelle gleichzeitig und zwar neben-
einander bilden, und in dieſem Falle iſt ein beſtimmtes Ver-
hältniß von beiden eine Bedingung ihrer Entſtehung.
Alles übrige gleich geſetzt, wird hiernach nur eine dem
Stickſtoffgehalt entſprechende Quantität der von den Blättern
erzeugten Subſtanzen aſſimilirbar ſein; fehlt es an Stickſtoff,
ſo wird eine gewiſſe Menge ſtickſtofffreier Subſtanz in irgend
einer Form nicht verwendet und als Excremente der Blätter,
Zweige, Rinden und Wurzeln abgeſchieden werden.
Die Ausſchwitzungen geſunder kräftiger Pflanzen von Man-
nit, von Gummi und Zucker können keiner andern Urſache zu-
geſchrieben werden *).
Es tritt hier ein ähnlicher Fall ein, wie bei der Ver-
dauung im menſchlichen Organismus; wenn jedem Theil des
Körpers erſetzt werden ſoll, was er durch Reſpiration und Ex-
halationsproceſſe verliert, ſo muß den Organen der Ver-
dauung ein beſtimmtes Verhältniß von ſtickſtofffreien und ſtick-
ſtoffhaltigen Nahrungsmitteln dargeboten werden. Iſt die
Quantität der zugeführten ſtickſtofffreien Subſtanzen überwie-
gend, ſo werden ſie entweder zur Fettbildung verwendet oder
ſie gehen unverändert durch den Organismus hindurch. Man
beobachtet dies namentlich bei Menſchen, die ſich beinahe aus-
ſchließlich von Kartoffeln nähren; ihre Excremente enthalten
eine große Menge ganz unveränderter Stärkemehlkörnchen; bei
*) Herr Advokat Trapp in Gießen beſitzt eine wohlriechende Volkamerie
(Clerodendron fragrans), in deren Blattdrüſen im September, wo ſie
im Zimmer vegetirte, große farbloſe Tropfen ausſchwitzen, die zu den
regelmäßigſten Kryſtallen von Kandis-Zucker eintrockneten; es iſt mir
nicht bekannt, ob der Saft dieſer Pflanze Zucker enthält.
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Zitationshilfe: | Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/137>, abgerufen am 22.07.2024. |