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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Cultur.
Wirkungsweise der Humussäure geschaffen hatte, gab Veran-
lassung zu einer durchaus unerklärbaren Erscheinung.

Eine sehr kleine Quantität davon im Wasser gelös't färbt
dasselbe gelb oder braun. Man sollte nun denken, daß ein
Boden um so fruchtbarer sein müsse, je mehr Fähigkeit er be-
sitzt, Wasser braun zu färben, d. h. Humussäure an dasselbe
abzugeben.

Sonderbarer Weise gedeiht aber in einem solchen Boden
keine Pflanze und aller Dünger muß, wenn er einen wohlthä-
tigen Einfluß auf die Vegetation äußern soll, diese Eigenschaft
verloren haben. Das Wasser auf unfruchtbarem Torfboden,
auf sumpfigen Wiesen, auf denen nur wenige Vegetabilien ge-
deihen, ist reich an dieser Humussäure und alle Landwirthe
und Gärtner kommen darin überein, daß sie nur den sogenann-
ten humificirten Dünger für nützlich und gedeihlich für die
Pflanzen halten. Dieß ist nun grade derjenige, der die Eigen-
schaft, das Wasser zu färben, gänzlich verloren hat.

Diese im Wasser mit brauner Farbe lösliche Materie ist
ein Produkt der Fäulniß aller Thier- und Pflanzenstoffe, ihr
Vorhandensein ist ein Zeichen, daß es an Sauerstoff fehlt, um
die Verwesung zu beginnen oder zu vollenden. An der Luft
entfärben sich diese braunen Auflösungen, unter Aufnahme von
Sauerstoff schlägt sich ein schwarzer kohlenähnlicher Körper,
die sogenannte Humuskohle nieder.

Denken wir uns einen Boden durchdrungen von dieser
Substanz, so muß er auf die Wurzeln einer Pflanze gerade so
wirken, als wenn er gänzlich alles Sauerstoffs unaufhörlich
beraubt würde; eine Pflanze wird eben so wenig darin wach-
sen können, als in einer Erde, die man mit Eisenoxidulhydrat
mischt.

In einem Boden, in einem Wasser, welches keinen Sauer-

Die Cultur.
Wirkungsweiſe der Humusſäure geſchaffen hatte, gab Veran-
laſſung zu einer durchaus unerklärbaren Erſcheinung.

Eine ſehr kleine Quantität davon im Waſſer gelöſ’t färbt
daſſelbe gelb oder braun. Man ſollte nun denken, daß ein
Boden um ſo fruchtbarer ſein müſſe, je mehr Fähigkeit er be-
ſitzt, Waſſer braun zu färben, d. h. Humusſäure an daſſelbe
abzugeben.

Sonderbarer Weiſe gedeiht aber in einem ſolchen Boden
keine Pflanze und aller Dünger muß, wenn er einen wohlthä-
tigen Einfluß auf die Vegetation äußern ſoll, dieſe Eigenſchaft
verloren haben. Das Waſſer auf unfruchtbarem Torfboden,
auf ſumpfigen Wieſen, auf denen nur wenige Vegetabilien ge-
deihen, iſt reich an dieſer Humusſäure und alle Landwirthe
und Gärtner kommen darin überein, daß ſie nur den ſogenann-
ten humificirten Dünger für nützlich und gedeihlich für die
Pflanzen halten. Dieß iſt nun grade derjenige, der die Eigen-
ſchaft, das Waſſer zu färben, gänzlich verloren hat.

Dieſe im Waſſer mit brauner Farbe lösliche Materie iſt
ein Produkt der Fäulniß aller Thier- und Pflanzenſtoffe, ihr
Vorhandenſein iſt ein Zeichen, daß es an Sauerſtoff fehlt, um
die Verweſung zu beginnen oder zu vollenden. An der Luft
entfärben ſich dieſe braunen Auflöſungen, unter Aufnahme von
Sauerſtoff ſchlägt ſich ein ſchwarzer kohlenähnlicher Körper,
die ſogenannte Humuskohle nieder.

Denken wir uns einen Boden durchdrungen von dieſer
Subſtanz, ſo muß er auf die Wurzeln einer Pflanze gerade ſo
wirken, als wenn er gänzlich alles Sauerſtoffs unaufhörlich
beraubt würde; eine Pflanze wird eben ſo wenig darin wach-
ſen können, als in einer Erde, die man mit Eiſenoxidulhydrat
miſcht.

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[109/0127] Die Cultur. Wirkungsweiſe der Humusſäure geſchaffen hatte, gab Veran- laſſung zu einer durchaus unerklärbaren Erſcheinung. Eine ſehr kleine Quantität davon im Waſſer gelöſ’t färbt daſſelbe gelb oder braun. Man ſollte nun denken, daß ein Boden um ſo fruchtbarer ſein müſſe, je mehr Fähigkeit er be- ſitzt, Waſſer braun zu färben, d. h. Humusſäure an daſſelbe abzugeben. Sonderbarer Weiſe gedeiht aber in einem ſolchen Boden keine Pflanze und aller Dünger muß, wenn er einen wohlthä- tigen Einfluß auf die Vegetation äußern ſoll, dieſe Eigenſchaft verloren haben. Das Waſſer auf unfruchtbarem Torfboden, auf ſumpfigen Wieſen, auf denen nur wenige Vegetabilien ge- deihen, iſt reich an dieſer Humusſäure und alle Landwirthe und Gärtner kommen darin überein, daß ſie nur den ſogenann- ten humificirten Dünger für nützlich und gedeihlich für die Pflanzen halten. Dieß iſt nun grade derjenige, der die Eigen- ſchaft, das Waſſer zu färben, gänzlich verloren hat. Dieſe im Waſſer mit brauner Farbe lösliche Materie iſt ein Produkt der Fäulniß aller Thier- und Pflanzenſtoffe, ihr Vorhandenſein iſt ein Zeichen, daß es an Sauerſtoff fehlt, um die Verweſung zu beginnen oder zu vollenden. An der Luft entfärben ſich dieſe braunen Auflöſungen, unter Aufnahme von Sauerſtoff ſchlägt ſich ein ſchwarzer kohlenähnlicher Körper, die ſogenannte Humuskohle nieder. Denken wir uns einen Boden durchdrungen von dieſer Subſtanz, ſo muß er auf die Wurzeln einer Pflanze gerade ſo wirken, als wenn er gänzlich alles Sauerſtoffs unaufhörlich beraubt würde; eine Pflanze wird eben ſo wenig darin wach- ſen können, als in einer Erde, die man mit Eiſenoxidulhydrat miſcht. In einem Boden, in einem Waſſer, welches keinen Sauer-

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/127>, abgerufen am 28.11.2024.