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Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773.

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kann mir vorstellen, daß du selbst da Göttersprüche in der Hofsprache des Himmels zu reden geglaubt haben wirst, wo Mendelsohn nur gutes schweizerisches Deutsch und gute warme Absichten sahe. Desto mehr, theurer Märtyrer, schmerzt es mich, da du von vielen für einen ohnmächtigen Enthusiasten gehalten wirst, daß du dich so betrogen findest. Habe aber Dank von mir, du wirst dereinst, wenn du in penetrabelm Licht wandeln, und durch Crystallinsen, deren Brennpunkt du selbst berechnet hast, in die Ewigkeit hinausschauen kannst, reichlich dafür belohnt werden. Dann wirst du das Vergnügen, das du jetzt oft zwischen Wachen und Schlafen empfindest, ganz wachend, mit starken Nerven durch alle Poren einsaugen, daß nicht so viel verlohren geht, als in der Hölle oder in dem Cabinet eines Meßkünstlers anzutreffen ist. Es ist aber unstreitig eine Schande unsers Zeitalters, daß man so viel warme Religion in einem so jungen Manne verkennt. Bey dem geringsten Spruch aus der Bibel verfällt er in geistliche

kann mir vorstellen, daß du selbst da Göttersprüche in der Hofsprache des Himmels zu reden geglaubt haben wirst, wo Mendelsohn nur gutes schweizerisches Deutsch und gute warme Absichten sahe. Desto mehr, theurer Märtyrer, schmerzt es mich, da du von vielen für einen ohnmächtigen Enthusiasten gehalten wirst, daß du dich so betrogen findest. Habe aber Dank von mir, du wirst dereinst, wenn du in penetrabelm Licht wandeln, und durch Crystallinsen, deren Brennpunkt du selbst berechnet hast, in die Ewigkeit hinausschauen kannst, reichlich dafür belohnt werden. Dann wirst du das Vergnügen, das du jetzt oft zwischen Wachen und Schlafen empfindest, ganz wachend, mit starken Nerven durch alle Poren einsaugen, daß nicht so viel verlohren geht, als in der Hölle oder in dem Cabinet eines Meßkünstlers anzutreffen ist. Es ist aber unstreitig eine Schande unsers Zeitalters, daß man so viel warme Religion in einem so jungen Manne verkennt. Bey dem geringsten Spruch aus der Bibel verfällt er in geistliche

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[74/0074] kann mir vorstellen, daß du selbst da Göttersprüche in der Hofsprache des Himmels zu reden geglaubt haben wirst, wo Mendelsohn nur gutes schweizerisches Deutsch und gute warme Absichten sahe. Desto mehr, theurer Märtyrer, schmerzt es mich, da du von vielen für einen ohnmächtigen Enthusiasten gehalten wirst, daß du dich so betrogen findest. Habe aber Dank von mir, du wirst dereinst, wenn du in penetrabelm Licht wandeln, und durch Crystallinsen, deren Brennpunkt du selbst berechnet hast, in die Ewigkeit hinausschauen kannst, reichlich dafür belohnt werden. Dann wirst du das Vergnügen, das du jetzt oft zwischen Wachen und Schlafen empfindest, ganz wachend, mit starken Nerven durch alle Poren einsaugen, daß nicht so viel verlohren geht, als in der Hölle oder in dem Cabinet eines Meßkünstlers anzutreffen ist. Es ist aber unstreitig eine Schande unsers Zeitalters, daß man so viel warme Religion in einem so jungen Manne verkennt. Bey dem geringsten Spruch aus der Bibel verfällt er in geistliche

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Zitationshilfe: Photorin, Conrad [i. e. Georg Christoph Lichtenberg]: Timorus, das ist, Vertheidigung zweyer Israeliten, die durch die Kräftigkeit der Lavaterischen Beweisgründe und der Göttingischen Mettwürste bewogen den wahren Glauben angenommen haben. Berlin, 1773, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lichtenberg_timorus_1773/74>, abgerufen am 28.04.2024.