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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Gerade in jenen Tagen hatten sich unter dem Protectorate der Prinzessinnen die Frauenvereine für patriotische Zwecke gebildet, und meine gütige Beschützerin, die Frau des Ministers, war eine der thätigsten Theilnehmerinnen derselben. Da sie aber schon betagt war und der Andrang von freiwilligen Gaben so ungeheuer groß, hatte sie mich aufgefordert, mit einer ihrer Verwandten bei ihr die Gaben zu empfangen und zu registriren, und Klemenz und ein anderer junger Hülfsarbeiter aus dem Ministerium hatten sich erboten, die weitläufige Correspondenz zu besorgen, welche durch die vielen Anfragen und durch die Ablieferungen nöthig wurde.

Klemenz war unter den Ersten gewesen, die zu Gunsten des Vaterlandes auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtet, und seit er sich für die heilige Sache Entbehrungen aufzulegen hatte, war er ruhiger und zufriedener geworden. So weit seine Amtsarbeit ihn frei ließ, war er von früh bis spät im Bureau der Ministerin beschäftigt, denn es hatte sich ein solches aus der Nothwendigkeit erzeugt, und die Säle, in denen sich sonst die leichtlebende Gesellschaft bewegte, sahen jetzt fast wie Waarenlager aus.

Zu entbehren, Opfer zu bringen, galt Allen als das höchste Glück, Schmuck zu tragen wurde von uns beinahe als eine Schande angesehen. Nachdem ich mit heiliger Freude fast das ganze mir von meinem Manne ausgesetzte Geld dem Vereien übergeben, ließ es mir

Gerade in jenen Tagen hatten sich unter dem Protectorate der Prinzessinnen die Frauenvereine für patriotische Zwecke gebildet, und meine gütige Beschützerin, die Frau des Ministers, war eine der thätigsten Theilnehmerinnen derselben. Da sie aber schon betagt war und der Andrang von freiwilligen Gaben so ungeheuer groß, hatte sie mich aufgefordert, mit einer ihrer Verwandten bei ihr die Gaben zu empfangen und zu registriren, und Klemenz und ein anderer junger Hülfsarbeiter aus dem Ministerium hatten sich erboten, die weitläufige Correspondenz zu besorgen, welche durch die vielen Anfragen und durch die Ablieferungen nöthig wurde.

Klemenz war unter den Ersten gewesen, die zu Gunsten des Vaterlandes auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtet, und seit er sich für die heilige Sache Entbehrungen aufzulegen hatte, war er ruhiger und zufriedener geworden. So weit seine Amtsarbeit ihn frei ließ, war er von früh bis spät im Bureau der Ministerin beschäftigt, denn es hatte sich ein solches aus der Nothwendigkeit erzeugt, und die Säle, in denen sich sonst die leichtlebende Gesellschaft bewegte, sahen jetzt fast wie Waarenlager aus.

Zu entbehren, Opfer zu bringen, galt Allen als das höchste Glück, Schmuck zu tragen wurde von uns beinahe als eine Schande angesehen. Nachdem ich mit heiliger Freude fast das ganze mir von meinem Manne ausgesetzte Geld dem Vereien übergeben, ließ es mir

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[0082] Gerade in jenen Tagen hatten sich unter dem Protectorate der Prinzessinnen die Frauenvereine für patriotische Zwecke gebildet, und meine gütige Beschützerin, die Frau des Ministers, war eine der thätigsten Theilnehmerinnen derselben. Da sie aber schon betagt war und der Andrang von freiwilligen Gaben so ungeheuer groß, hatte sie mich aufgefordert, mit einer ihrer Verwandten bei ihr die Gaben zu empfangen und zu registriren, und Klemenz und ein anderer junger Hülfsarbeiter aus dem Ministerium hatten sich erboten, die weitläufige Correspondenz zu besorgen, welche durch die vielen Anfragen und durch die Ablieferungen nöthig wurde. Klemenz war unter den Ersten gewesen, die zu Gunsten des Vaterlandes auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtet, und seit er sich für die heilige Sache Entbehrungen aufzulegen hatte, war er ruhiger und zufriedener geworden. So weit seine Amtsarbeit ihn frei ließ, war er von früh bis spät im Bureau der Ministerin beschäftigt, denn es hatte sich ein solches aus der Nothwendigkeit erzeugt, und die Säle, in denen sich sonst die leichtlebende Gesellschaft bewegte, sahen jetzt fast wie Waarenlager aus. Zu entbehren, Opfer zu bringen, galt Allen als das höchste Glück, Schmuck zu tragen wurde von uns beinahe als eine Schande angesehen. Nachdem ich mit heiliger Freude fast das ganze mir von meinem Manne ausgesetzte Geld dem Vereien übergeben, ließ es mir

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/82>, abgerufen am 24.11.2024.