Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wie diesen heutigen Tag. Sie war dabei ganz gerührt, zeigte aber immer in den Schrank hinein und sprach danach immer leiser und schneller zu der Schwester. Sieh dir nur Alles an, sagte sie, und merk' es dir und halt's einmal in Ehren, wenn du's haben wirst. Mein Schweiß hat's dir geschaffen, und weil ich's erarbeitet habe mit meiner Hände Arbeit und erspart mit meiner eigenen Entbehrung, darum hat Keiner ein Recht daran, und Keiner soll es haben, als Der, dem ich es gebe, ich allein. -- Die Schwester selbst schien erst nicht zu wissen, was die Großmutter im Sinne habe, denn sie stand ganz versteinert und sagte nichts, bis die Großmutter mit einemmale zu lachen anfing. Ihr Lachen klang immer wunderlich heiser, und diesmal erschrak ich ordentlich davor. Die Mama denkt wohl, sprach sie, ich wisse nicht, was schön sei, die Mama denkt, ich verstehe es nicht, Silber und Gold zu schätzen, und verstehe nicht Kanten und Brillanten auszusuchen, so gut wie sie! -- Ich verstehe es Wohl, und besser als die Mama, denn ich kaufe mit selbstverdientem Gelde, und damit kauft man gut. Sieh her, mein Kind! hast du derlei gesehen bei der Mama? Damit holte sie ganz hinten aus dem Schranke ein wunderschönes rothes Etui hervor, öffnete es, hielt es gegen das Licht, und die Sonne funkelte auf einen ganzen, prächtigen Brillantschmuck. Mein Gott, Großmutter! rief Caroline, wie kommst du dazu? Was machst du damit? Du trägst wie diesen heutigen Tag. Sie war dabei ganz gerührt, zeigte aber immer in den Schrank hinein und sprach danach immer leiser und schneller zu der Schwester. Sieh dir nur Alles an, sagte sie, und merk' es dir und halt's einmal in Ehren, wenn du's haben wirst. Mein Schweiß hat's dir geschaffen, und weil ich's erarbeitet habe mit meiner Hände Arbeit und erspart mit meiner eigenen Entbehrung, darum hat Keiner ein Recht daran, und Keiner soll es haben, als Der, dem ich es gebe, ich allein. — Die Schwester selbst schien erst nicht zu wissen, was die Großmutter im Sinne habe, denn sie stand ganz versteinert und sagte nichts, bis die Großmutter mit einemmale zu lachen anfing. Ihr Lachen klang immer wunderlich heiser, und diesmal erschrak ich ordentlich davor. Die Mama denkt wohl, sprach sie, ich wisse nicht, was schön sei, die Mama denkt, ich verstehe es nicht, Silber und Gold zu schätzen, und verstehe nicht Kanten und Brillanten auszusuchen, so gut wie sie! — Ich verstehe es Wohl, und besser als die Mama, denn ich kaufe mit selbstverdientem Gelde, und damit kauft man gut. Sieh her, mein Kind! hast du derlei gesehen bei der Mama? Damit holte sie ganz hinten aus dem Schranke ein wunderschönes rothes Etui hervor, öffnete es, hielt es gegen das Licht, und die Sonne funkelte auf einen ganzen, prächtigen Brillantschmuck. Mein Gott, Großmutter! rief Caroline, wie kommst du dazu? Was machst du damit? Du trägst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="diaryEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0035"/> wie diesen heutigen Tag. Sie war dabei ganz gerührt, zeigte aber immer in den Schrank hinein und sprach danach immer leiser und schneller zu der Schwester. Sieh dir nur Alles an, sagte sie, und merk' es dir und halt's einmal in Ehren, wenn du's haben wirst. Mein Schweiß hat's dir geschaffen, und weil ich's erarbeitet habe mit meiner Hände Arbeit und erspart mit meiner eigenen Entbehrung, darum hat Keiner ein Recht daran, und Keiner soll es haben, als Der, dem ich es gebe, ich allein. — Die Schwester selbst schien erst nicht zu wissen, was die Großmutter im Sinne habe, denn sie stand ganz versteinert und sagte nichts, bis die Großmutter mit einemmale zu lachen anfing. Ihr Lachen klang immer wunderlich heiser, und diesmal erschrak ich ordentlich davor.</p><lb/> <p>Die Mama denkt wohl, sprach sie, ich wisse nicht, was schön sei, die Mama denkt, ich verstehe es nicht, Silber und Gold zu schätzen, und verstehe nicht Kanten und Brillanten auszusuchen, so gut wie sie! — Ich verstehe es Wohl, und besser als die Mama, denn ich kaufe mit selbstverdientem Gelde, und damit kauft man gut. Sieh her, mein Kind! hast du derlei gesehen bei der Mama? Damit holte sie ganz hinten aus dem Schranke ein wunderschönes rothes Etui hervor, öffnete es, hielt es gegen das Licht, und die Sonne funkelte auf einen ganzen, prächtigen Brillantschmuck.</p><lb/> <p>Mein Gott, Großmutter! rief Caroline, wie kommst du dazu? Was machst du damit? Du trägst<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0035]
wie diesen heutigen Tag. Sie war dabei ganz gerührt, zeigte aber immer in den Schrank hinein und sprach danach immer leiser und schneller zu der Schwester. Sieh dir nur Alles an, sagte sie, und merk' es dir und halt's einmal in Ehren, wenn du's haben wirst. Mein Schweiß hat's dir geschaffen, und weil ich's erarbeitet habe mit meiner Hände Arbeit und erspart mit meiner eigenen Entbehrung, darum hat Keiner ein Recht daran, und Keiner soll es haben, als Der, dem ich es gebe, ich allein. — Die Schwester selbst schien erst nicht zu wissen, was die Großmutter im Sinne habe, denn sie stand ganz versteinert und sagte nichts, bis die Großmutter mit einemmale zu lachen anfing. Ihr Lachen klang immer wunderlich heiser, und diesmal erschrak ich ordentlich davor.
Die Mama denkt wohl, sprach sie, ich wisse nicht, was schön sei, die Mama denkt, ich verstehe es nicht, Silber und Gold zu schätzen, und verstehe nicht Kanten und Brillanten auszusuchen, so gut wie sie! — Ich verstehe es Wohl, und besser als die Mama, denn ich kaufe mit selbstverdientem Gelde, und damit kauft man gut. Sieh her, mein Kind! hast du derlei gesehen bei der Mama? Damit holte sie ganz hinten aus dem Schranke ein wunderschönes rothes Etui hervor, öffnete es, hielt es gegen das Licht, und die Sonne funkelte auf einen ganzen, prächtigen Brillantschmuck.
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Zitationshilfe: | Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/35>, abgerufen am 05.07.2024. |