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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mädchens, das zuerst gesprochen hatte. Unsere verstorbene Mutter hat uns immer gesagt, du hättest das sanfteste Lebensloos gehabt, dein Mann habe dich auf den Händen getragen, Alles habe er dir gewährt, sein Vermögen habe dir von Anfang an ganz zu Gebot gestanden, und er habe dir eine Freiheit gelassen --

Von der er sicher war, daß ich sie nicht mißbrauchen würde! fiel ihr die Tante in das Wort; und sie sprach das in einem so ernsten und würdevollen Tone, daß Alle plötzlich davor verstummten.

Die Tante wollte den Gegenstand auch offenbar nicht mehr berühren, denn sie fragte plötzlich nach einer ganz gleichgültigen Bekannten und dem Ergehen ihrer Tochter, und obschon wir Alle diesem Winke gehorchten, blieben unsere Gedanken doch auf die Erlebnisse der Tante hingewendet.

Auch mich beschäftigte ihre Jugendzeit in den nächsten Tagen vielfach. Ich hatte eine dunkle Erinnerung, als hätte ich von einer unglücklichen Liebe der Tante reden hören, und ich nahm mir vor, sie einmal in einer guten Stunde darum zu fragen, als sie meinem Wunsche ganz unerwartet begegnete.

Wir waren eines Abends allein, und gegen ihre Gewohnheit hatte sie viel von sich gesprochen. Sie hatte dabei ihres verstorbenen Mannes mit großer Wärme und Verehrung gedacht, und nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen hatte, sprach sie: Ich habe es dir schon lange einmal sagen wollen, daß ich

Mädchens, das zuerst gesprochen hatte. Unsere verstorbene Mutter hat uns immer gesagt, du hättest das sanfteste Lebensloos gehabt, dein Mann habe dich auf den Händen getragen, Alles habe er dir gewährt, sein Vermögen habe dir von Anfang an ganz zu Gebot gestanden, und er habe dir eine Freiheit gelassen —

Von der er sicher war, daß ich sie nicht mißbrauchen würde! fiel ihr die Tante in das Wort; und sie sprach das in einem so ernsten und würdevollen Tone, daß Alle plötzlich davor verstummten.

Die Tante wollte den Gegenstand auch offenbar nicht mehr berühren, denn sie fragte plötzlich nach einer ganz gleichgültigen Bekannten und dem Ergehen ihrer Tochter, und obschon wir Alle diesem Winke gehorchten, blieben unsere Gedanken doch auf die Erlebnisse der Tante hingewendet.

Auch mich beschäftigte ihre Jugendzeit in den nächsten Tagen vielfach. Ich hatte eine dunkle Erinnerung, als hätte ich von einer unglücklichen Liebe der Tante reden hören, und ich nahm mir vor, sie einmal in einer guten Stunde darum zu fragen, als sie meinem Wunsche ganz unerwartet begegnete.

Wir waren eines Abends allein, und gegen ihre Gewohnheit hatte sie viel von sich gesprochen. Sie hatte dabei ihres verstorbenen Mannes mit großer Wärme und Verehrung gedacht, und nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen hatte, sprach sie: Ich habe es dir schon lange einmal sagen wollen, daß ich

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[0015] Mädchens, das zuerst gesprochen hatte. Unsere verstorbene Mutter hat uns immer gesagt, du hättest das sanfteste Lebensloos gehabt, dein Mann habe dich auf den Händen getragen, Alles habe er dir gewährt, sein Vermögen habe dir von Anfang an ganz zu Gebot gestanden, und er habe dir eine Freiheit gelassen — Von der er sicher war, daß ich sie nicht mißbrauchen würde! fiel ihr die Tante in das Wort; und sie sprach das in einem so ernsten und würdevollen Tone, daß Alle plötzlich davor verstummten. Die Tante wollte den Gegenstand auch offenbar nicht mehr berühren, denn sie fragte plötzlich nach einer ganz gleichgültigen Bekannten und dem Ergehen ihrer Tochter, und obschon wir Alle diesem Winke gehorchten, blieben unsere Gedanken doch auf die Erlebnisse der Tante hingewendet. Auch mich beschäftigte ihre Jugendzeit in den nächsten Tagen vielfach. Ich hatte eine dunkle Erinnerung, als hätte ich von einer unglücklichen Liebe der Tante reden hören, und ich nahm mir vor, sie einmal in einer guten Stunde darum zu fragen, als sie meinem Wunsche ganz unerwartet begegnete. Wir waren eines Abends allein, und gegen ihre Gewohnheit hatte sie viel von sich gesprochen. Sie hatte dabei ihres verstorbenen Mannes mit großer Wärme und Verehrung gedacht, und nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen hatte, sprach sie: Ich habe es dir schon lange einmal sagen wollen, daß ich

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/15>, abgerufen am 25.11.2024.