Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Mein Gott, die Frauen werden langweilig vom Wissen, sie werden trocken! Wer mag denn spazieren gehen mit einem Frauenzimmer, das, wenn's im Mondenschein zum Himmel blickt, an ausgebrannte Krater denkt? Wer soll ein Mädchen sich zum Weibe wünschen, das ihm statt Lebenslust und Arbeitstrieb die Bücher und die Forschung in das Haus bringt? Und wenn sich so ein junges Ding gebildet hat, und nun kommt Einer, der ihr wohl gefällt, der aber diese gelehrte Bildung zufällig nicht leiden kann! Was soll's dann werden, frage ich euch? Ich bitte!

Ja! meinte ich, das giebt dann einen traurigen Roman.

Einen Roman? wiederholte die Tante. Mein Kind, das bilde dir nicht ein. Romane giebt's nicht mehr in eurer Zeit! Eine vergrämte alte Jungfer giebt's, und davor soll uns Gott bewahren. --Wir mußten über ihren Eifer lachen, indeß ihr war die Sache ernster, als wir meinten. Nein, fuhr sie fort, ich scherze nicht. Mögen die Frauen gehen und sich bilden, wenn ihren Männern das gefällt; die jungen Mädchen sollen sich aber nichts dabei zu schaffen machen. Ein Mädchen muß wo möglich frei und klar sein, wie ein unbeschriebenes Blatt, dann macht der Mann daraus sich eine Frau nach seinem Sinne und nach seinem Herzen.

Es heirathet aber nicht Jede so wie du mit siebzehn Jahren! wendete das junge Mädchen ein, das

Mein Gott, die Frauen werden langweilig vom Wissen, sie werden trocken! Wer mag denn spazieren gehen mit einem Frauenzimmer, das, wenn's im Mondenschein zum Himmel blickt, an ausgebrannte Krater denkt? Wer soll ein Mädchen sich zum Weibe wünschen, das ihm statt Lebenslust und Arbeitstrieb die Bücher und die Forschung in das Haus bringt? Und wenn sich so ein junges Ding gebildet hat, und nun kommt Einer, der ihr wohl gefällt, der aber diese gelehrte Bildung zufällig nicht leiden kann! Was soll's dann werden, frage ich euch? Ich bitte!

Ja! meinte ich, das giebt dann einen traurigen Roman.

Einen Roman? wiederholte die Tante. Mein Kind, das bilde dir nicht ein. Romane giebt's nicht mehr in eurer Zeit! Eine vergrämte alte Jungfer giebt's, und davor soll uns Gott bewahren. —Wir mußten über ihren Eifer lachen, indeß ihr war die Sache ernster, als wir meinten. Nein, fuhr sie fort, ich scherze nicht. Mögen die Frauen gehen und sich bilden, wenn ihren Männern das gefällt; die jungen Mädchen sollen sich aber nichts dabei zu schaffen machen. Ein Mädchen muß wo möglich frei und klar sein, wie ein unbeschriebenes Blatt, dann macht der Mann daraus sich eine Frau nach seinem Sinne und nach seinem Herzen.

Es heirathet aber nicht Jede so wie du mit siebzehn Jahren! wendete das junge Mädchen ein, das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0013"/>
Mein Gott, die Frauen werden langweilig vom Wissen, sie werden trocken! Wer mag      denn spazieren gehen mit einem Frauenzimmer, das, wenn's im Mondenschein zum Himmel blickt, an      ausgebrannte Krater denkt? Wer soll ein Mädchen sich zum Weibe wünschen, das ihm statt      Lebenslust und Arbeitstrieb die Bücher und die Forschung in das Haus bringt? Und wenn sich so      ein junges Ding gebildet hat, und nun kommt Einer, der ihr wohl gefällt, der aber diese      gelehrte Bildung zufällig nicht leiden kann! Was soll's dann werden, frage ich euch? Ich      bitte!</p><lb/>
        <p>Ja! meinte ich, das giebt dann einen traurigen Roman.</p><lb/>
        <p>Einen Roman? wiederholte die Tante. Mein Kind, das bilde dir nicht ein. Romane giebt's nicht      mehr in eurer Zeit! Eine vergrämte alte Jungfer giebt's, und davor soll uns Gott bewahren. &#x2014;Wir      mußten über ihren Eifer lachen, indeß ihr war die Sache ernster, als wir meinten. Nein, fuhr      sie fort, ich scherze nicht. Mögen die Frauen gehen und sich bilden, wenn ihren Männern das      gefällt; die jungen Mädchen sollen sich aber nichts dabei zu schaffen machen. Ein Mädchen muß      wo möglich frei und klar sein, wie ein unbeschriebenes Blatt, dann macht der Mann daraus sich      eine Frau nach seinem Sinne und nach seinem Herzen.</p><lb/>
        <p>Es heirathet aber nicht Jede so wie du mit siebzehn Jahren! wendete das junge Mädchen ein,      das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] Mein Gott, die Frauen werden langweilig vom Wissen, sie werden trocken! Wer mag denn spazieren gehen mit einem Frauenzimmer, das, wenn's im Mondenschein zum Himmel blickt, an ausgebrannte Krater denkt? Wer soll ein Mädchen sich zum Weibe wünschen, das ihm statt Lebenslust und Arbeitstrieb die Bücher und die Forschung in das Haus bringt? Und wenn sich so ein junges Ding gebildet hat, und nun kommt Einer, der ihr wohl gefällt, der aber diese gelehrte Bildung zufällig nicht leiden kann! Was soll's dann werden, frage ich euch? Ich bitte! Ja! meinte ich, das giebt dann einen traurigen Roman. Einen Roman? wiederholte die Tante. Mein Kind, das bilde dir nicht ein. Romane giebt's nicht mehr in eurer Zeit! Eine vergrämte alte Jungfer giebt's, und davor soll uns Gott bewahren. —Wir mußten über ihren Eifer lachen, indeß ihr war die Sache ernster, als wir meinten. Nein, fuhr sie fort, ich scherze nicht. Mögen die Frauen gehen und sich bilden, wenn ihren Männern das gefällt; die jungen Mädchen sollen sich aber nichts dabei zu schaffen machen. Ein Mädchen muß wo möglich frei und klar sein, wie ein unbeschriebenes Blatt, dann macht der Mann daraus sich eine Frau nach seinem Sinne und nach seinem Herzen. Es heirathet aber nicht Jede so wie du mit siebzehn Jahren! wendete das junge Mädchen ein, das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/13
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/13>, abgerufen am 25.11.2024.