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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Indessen ein Tag nach dem andern verstrich, und obschon er ausgegangen war, vernahmen wir nichts von ihm. Caroline verlor sich in den unwahrscheinlichsten Vermuthungen, sie verletzte und kränkte die Mutter und mich unablässig, so daß ich oftmals auf dem Punkte stand, ihr Alles zu sagen, um nur Ruhe vor ihr zu haben; aber bei ihrer Heftigkeit hatte ich die Folgen für sie, für mich und auch für Schlichting zu bedenken. Sie ging täglich in das Bureau des Frauencomite's, in der Erwartung, Klemenz dort zu finden, aber er war nicht da. Sein junger College hatte ihn gesehen und meinte, er sei noch zu angegriffen zu dauernder Thätigkeit. Endlich, gerade vierzehn Tage nach der unvergeßlichen Begegnung, kam ein Brief von ihm an meine Mutter. Er habe so eben schrieb er, aus Feldingen, dem Gute meines Mannes, die Nachricht erhalten, daß seine Anwesenheit dort wünschenswerth sei, und da der Arzt ihm ohnehin gerathen, die Landluft zu genießen, habe der Minister die Güte gehabt, ihm einen Urlaub zu bewilligen. Er empfehle sich schriftlich, um keine Zeit zu verlieren, und werde dem Geheimrathe auch sogleich die Anzeige dieser kleinen Reise machen.

Ich sagte mir, es sei eine Erleichterung, daß er die trennende Ferne zwischen uns lege, aber weh that es mir doch. Die Mutter lobte gegen uns seine Pflichttreue für meinen Mann, und lobte ihn in ihrem Herzen noch viel wärmer; Caroline aber sagte mir

Indessen ein Tag nach dem andern verstrich, und obschon er ausgegangen war, vernahmen wir nichts von ihm. Caroline verlor sich in den unwahrscheinlichsten Vermuthungen, sie verletzte und kränkte die Mutter und mich unablässig, so daß ich oftmals auf dem Punkte stand, ihr Alles zu sagen, um nur Ruhe vor ihr zu haben; aber bei ihrer Heftigkeit hatte ich die Folgen für sie, für mich und auch für Schlichting zu bedenken. Sie ging täglich in das Bureau des Frauencomité's, in der Erwartung, Klemenz dort zu finden, aber er war nicht da. Sein junger College hatte ihn gesehen und meinte, er sei noch zu angegriffen zu dauernder Thätigkeit. Endlich, gerade vierzehn Tage nach der unvergeßlichen Begegnung, kam ein Brief von ihm an meine Mutter. Er habe so eben schrieb er, aus Feldingen, dem Gute meines Mannes, die Nachricht erhalten, daß seine Anwesenheit dort wünschenswerth sei, und da der Arzt ihm ohnehin gerathen, die Landluft zu genießen, habe der Minister die Güte gehabt, ihm einen Urlaub zu bewilligen. Er empfehle sich schriftlich, um keine Zeit zu verlieren, und werde dem Geheimrathe auch sogleich die Anzeige dieser kleinen Reise machen.

Ich sagte mir, es sei eine Erleichterung, daß er die trennende Ferne zwischen uns lege, aber weh that es mir doch. Die Mutter lobte gegen uns seine Pflichttreue für meinen Mann, und lobte ihn in ihrem Herzen noch viel wärmer; Caroline aber sagte mir

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[0112] Indessen ein Tag nach dem andern verstrich, und obschon er ausgegangen war, vernahmen wir nichts von ihm. Caroline verlor sich in den unwahrscheinlichsten Vermuthungen, sie verletzte und kränkte die Mutter und mich unablässig, so daß ich oftmals auf dem Punkte stand, ihr Alles zu sagen, um nur Ruhe vor ihr zu haben; aber bei ihrer Heftigkeit hatte ich die Folgen für sie, für mich und auch für Schlichting zu bedenken. Sie ging täglich in das Bureau des Frauencomité's, in der Erwartung, Klemenz dort zu finden, aber er war nicht da. Sein junger College hatte ihn gesehen und meinte, er sei noch zu angegriffen zu dauernder Thätigkeit. Endlich, gerade vierzehn Tage nach der unvergeßlichen Begegnung, kam ein Brief von ihm an meine Mutter. Er habe so eben schrieb er, aus Feldingen, dem Gute meines Mannes, die Nachricht erhalten, daß seine Anwesenheit dort wünschenswerth sei, und da der Arzt ihm ohnehin gerathen, die Landluft zu genießen, habe der Minister die Güte gehabt, ihm einen Urlaub zu bewilligen. Er empfehle sich schriftlich, um keine Zeit zu verlieren, und werde dem Geheimrathe auch sogleich die Anzeige dieser kleinen Reise machen. Ich sagte mir, es sei eine Erleichterung, daß er die trennende Ferne zwischen uns lege, aber weh that es mir doch. Die Mutter lobte gegen uns seine Pflichttreue für meinen Mann, und lobte ihn in ihrem Herzen noch viel wärmer; Caroline aber sagte mir

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/112>, abgerufen am 22.11.2024.